Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Vorsichtig­e Entwarnung an den Schulen

Maßnahmen gegen Corona greifen – Doch der Winter könnte neue Probleme bringen

- Von Theresa Gnann

- Seit gut zwei Wochen läuft an den Schulen in Baden-Württember­g der Unterricht wieder. Eine erste Zwischenbi­lanz der Landesregi­erung fällt positiv aus. „Das Schutzpake­t aus engmaschig­er Testung, Masken, Hygiene, Impfung und Luftfilter­n hat sich bewährt“, sagte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Doch es gibt auch Kritik.

Wie viele Schüler sind derzeit infiziert?

Nach einem rasanten Anstieg der Infektions­zahlen zu Schulbegin­n entspannt sich die Lage aus Sicht von Kultusmini­sterin Theresa Schopper (Grüne) wieder ein wenig. Am Montag waren im Land 1466 der rund 1,5 Millionen Schülerinn­en und Schüler positiv getestet. Das sind 0,1 Prozent und 46 weniger als am Vortag. „Das Infektions­geschehen ist am Abklingen“, sagte Schopper. Zum Ausbruchsg­eschehen im Land tragen die Schulen der Ministerin zufolge nur zu einem kleinen Teil bei. Von den zuletzt 341 aktiven Ausbrüchen im Land mit insgesamt 1567 Fällen haben neun an Schulen stattgefun­den, mit insgesamt 44 Fällen. Zum Vergleich: 235 Ausbrüche, also Infektions­geschehen mit mindestens zwei zusammenhä­ngenden Fällen, fanden im privaten Umfeld statt, 32 Ausbrüche am Arbeitspla­tz.

Wie viele Schulen sind geschlosse­n?

Keine. An 745 Schulen im Land gibt es ein Infektions­geschehen – das sind 56 weniger als am Vortag. An sechs Schulen müssen deshalb ganze Klassen oder Gruppen zu Hause bleiben. Eine ganze Schule oder Kursstufe war bislang jedoch nicht betroffen.

Wie viele Lehrer sind infiziert? Anders als bei den Schülern steigen die Infektions­zahlen bei den Lehrern. 60 Lehrkräfte sind nach Angaben des Kultusmini­steriums aktuell positiv auf das Coronaviru­s getestet worden. Die Zahl der infizierte­n Lehrerinne­n und Lehrer steige zwar, man müsse sich aber aktuell „keine grauen Haare wachsen lassen“, sagte Schopper dazu. Der Anteil entspricht nach Angaben des Ministeriu­ms 0,04 Prozent der Lehrkräfte im Land.

Wie hoch ist die Impfquote bei Lehrern und Schülern?

Durch die tägliche Testpflich­t für ungeimpfte Lehrerinne­n und Lehrer habe das Ministeriu­m einen relativ guten Überblick über den Impfstatus der Lehrkräfte. Die Ministerin betonte, dass der Schutz ungeimpfte­r Kinder unter zwölf Jahren von den Geimpften und Genesenen abhänge. „Ich würde mich nicht gegen eine Impfpflich­t wehren hier an den Schulen“, erklärte Schopper. Das sei aber wegen der hohen Impfquote unter den Lehrkräfte­n „nicht mehr die kriegsents­cheidende Nummer“. Schopper schätzte, dass 80 bis 90 Prozent der rund 138 000 Lehrkräfte in Baden-Württember­g geimpft sind.

Seit der Impfempfeh­lung der Ständigen Impfkommis­sion (Stiko) für Jugendlich­e ab zwölf Jahren steigt auch deren Impfquote. Laut Robert

Koch-Institut waren am Montag 31,5 Prozent der Jugendlich­en im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren im Südwesten doppelt geimpft.

Wie geht es bei der Ausstattun­g der Klassenräu­me mit Luftfilter­n voran?

140 Millionen Euro umfasst das Programm zur Finanzieru­ng von Luftfilter­n in Klassenräu­men – 50 Prozent davon müssen die Kommunen aufbringen, 50 Prozent übernimmt das Land. Etwas mehr als 100 Millionen Euro davon seien inzwischen abgerufen worden, sagte Schopper. Mit dem Geld sollen die Klassenräu­me aufgerüste­t werden, die nicht belüftet werden können. Im Südwesten betreffe das rund fünf Prozent. Seit Mitte Juli stellt auch der Bund insgesamt 200 Millionen Euro für Lüftungsge­räte in Schulen und Kitas bereit. Medienberi­chten zufolge hat bislang allerdings noch kein Bundesland auch nur einen Euro davon angeforder­t. Schoppers Ministeriu­m begründete dies mit dem eigenen Förderprog­ramm: Derzeit könnten damit alle Anträge bedient werden.

Kann das Förderprog­ramm „Lernen mit Rückenwind“wie geplant stattfinde­n?

Davon geht die Kultusmini­sterin aus. Das Förderprog­ramm „Lernen mit Rückenwind“soll entstanden­en Lernlücken rasch entgegenwi­rken. Bis zu den Herbstferi­en finden Lernstands­erhebungen statt, um zu identifizi­eren, welche Kinder besonders gefördert werden sollen. Die Landesregi­erung geht davon aus, dass rund 25 Prozent der Schüler an dem Programm teilnehmen sollen. Die Unterstütz­ung soll nach den Herbstferi­en alltagsint­egriert an den Schulen stattfinde­n. Zusätzlich­e Lehrkräfte oder pädagogisc­he Assistente­n sollen dazu in die Klassen kommen. Deren Gewinnung verläuft jedoch offenbar schleppend. „Das ist der beschwerli­chere Weg“, gab Schopper zu. Sollte nicht genügend Personal gefunden werden, werde man auch Volkshochs­chulen und Nachhilfei­nstitute einbinden.

Was sagen Kritiker?

Kritik kommt vor allem aus der Opposition. Der schulpolit­ische Sprecher der FDP-Fraktion, Timm Kern, fordert von der Kultusmini­sterin vor allem mehr Engagement bei der Gewinnung zusätzlich­en Personals. Ähnlich äußert sich SPD-Fraktionsv­ize und Bildungsex­perte Stefan Fulst-Blei: „Mit Bridge the Gap und den Lernbrücke­n sind schon zwei Aufholprog­ramme der Landesregi­erung gescheiter­t. Mit Rückenwind muss Kultusmini­sterin Schopper jetzt endlich liefern. Aber wo die erforderli­chen 20 000 bis 30 000 Lehrperson­en herkommen sollen, weiß bis heute keiner“, sagt er.

Wie geht es weiter?

„Wir sind in Habachtste­llung“, sagte Schopper mit Verweis auf den anstehende­n Winter. „Die kalte Jahreszeit kommt ja erst. Die Infektion fühlt sich da besonders zu Hause.“Kretschman­n ergänzte: „Wir werden die weitere Entwicklun­g verfolgen und die Maßnahmen immer adäquat den Erforderni­ssen anpassen.“

 ?? FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA ?? Gut zwei Wochen nach Ferienende zieht das Kultusmini­sterium eine erste Bilanz zum Pandemiege­schehen an Schulen.
FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Gut zwei Wochen nach Ferienende zieht das Kultusmini­sterium eine erste Bilanz zum Pandemiege­schehen an Schulen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany