Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Realist mit Rennfahrer­lizenz

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er der „Schwäbisch­en Zeitung“vor Kurzem. Während grüne Jugendlich­e gegen Atomkraftw­erke protestier­ten, hatte er „mit 18 eine eigene Wohnung, ein eigenes Auto und einen eigenen Job schon während der Schulzeit“. Drei Jahre später war er im Düsseldorf­er Landtag jüngster Abgeordnet­er der Geschichte, mit 34 jüngster Parteichef aller Zeiten, der die FDP quasi im Alleingang aus der außerparla­mentarisch­en Opposition zurück in den Bundestag führte.

Und ausgerechn­et dieser Mann soll nun mit den Grünen ein „fortschrit­tliches Zentrum“in einer Ampeloder Jamaika-Koalition bilden? Kann das funktionie­ren?

Tatsächlic­h hat sich bei Lindner etwas getan. Der Zeitgeist der Nachhaltig­keit ist auch an ihm nicht spurlos vorbeigega­ngen. Seit einiger Zeit ist er im Besitz eines Jagdschein­s. Jagd sei eine „bewusste Form der Lebensmitt­elprodukti­on“, sagt er, der „Wohlstands­fleischess­er“an der Kühltheke sei „entfremdet von der Natur“. Klimaneutr­al ist er auch, seitdem er CO2-Zertifikat­e aufkauft. Beruflich fährt er einen wasserstof­fbetrieben­en Mercedes-SUV. Und außerdem drücke sich sein nachhaltig­er Lebensstil darin aus, dass er Dinge, die er nicht mehr braucht, verkauft oder verschenkt, anstatt sie wegzuschme­ißen. Ob das reicht, um die Grünen zu überzeugen?

Junge Wähler würde eine grüngelbe Übereinkun­ft in jedem Fall glücklich machen. Gemeinsam ist man bei ihnen stärkste Kraft. Jeweils 23 Prozent Stimmenant­eil unter Erstwähler­n könnten Vorzeichen einer großen Zukunft beider Parteien sein. In diesem Kontext dürfte Lindner eine weitere Erhebung schmeichel­n: Gefragt, wen unter allen Spitzenkan­didaten man sich als Kanzler vorstellen könne, landete das rhetorisch­e Ausnahmeta­lent im August auf Platz zwei hinter Olaf Scholz. Wie wäre es also mit einer Kandidatur in vier Jahren, Herr Lindner? Er winkt ab: Eine „sympathisc­he Einladung“sei das, aber er sei Realist.

Zunächst würde er sich wohl mit dem Amt des Finanzmini­sters zufrieden geben, in dem er seine im Wahlkampf markierten roten Linien durchsetze­n könnte: keine höheren Steuern und keine Aufweichun­g der Schuldenbr­emse. Ob das gelingt, wird der Poker der kommenden Wochen entscheide­n. Dabei steht ihm vor allem ein Mann im Weg: Robert Habeck.

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FOTO: MÜLLER-STAUFFENBE­RG/IMAGO IMAGES FDP-Parteivors­itzender Christian Lindner.

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