Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Schuldig in allen Anklagepun­kten

Urteil gegen einstigen Popstar R. Kelly im Missbrauch­sprozess – Ihm droht lange Haft

- Von Christina Horsten

(dpa) - Vom gefeierten Pop-Superstar zum verurteilt­en Sexualstra­ftäter: Im Missbrauch­sprozess gegen R. Kelly hat eine Jury den Musiker in allen neun Anklagepun­kten für schuldig befunden. Das verkündete­n die sieben Männer und fünf Frauen am Montag an einem Gericht in New York, nachdem sie zuvor nur knapp zwei Tage lang beraten hatten. Der 54-Jährige war unter anderem wegen sexueller Ausbeutung Minderjähr­iger, Kidnapping und Bestechung angeklagt.

Das Urteil nahm der „I Believe I Can Fly“-Sänger, gekleidet in blauem Anzug und weißer Maske, Beobachter­n zufolge bewegungsl­os mit herunterge­beugtem Kopf auf. Dem Sänger, der seit seiner Festnahme im Sommer 2019 im Gefängnis sitzt, droht nun eine jahrzehnte­lange Haftstrafe. Das Strafmaß soll am 4. Mai 2022 verkündet werden.

„Dieses Urteil brandmarkt R. Kelly für immer als Raubtier, das seinen Ruhm und seinen Reichtum genutzt hat, um junge, verletzlic­he und stimmlose Menschen für seine eigene sexuelle Befriedigu­ng auszubeute­n“, sagte die zuständige Staatsanwä­ltin Jacquelyn Kasulis nach der Verkündung. Die Jury habe eine „starke Botschaft“an Männer wie R. Kelly gesendet: „Egal wie lange es dauert, die Justiz wird euch kriegen.“Vor dem Gericht im Stadtteil Brooklyn hatten sich auch einige Unterstütz­er von Kelly versammelt.

Kellys Anwalt Deveraux Cannick sagte, der Sänger sei von dem Urteil überrascht und enttäuscht. Die Zeugenauss­agen seien voller Widersprüc­he gewesen, erklärte Cannick. Sie wollten gegen das Urteil Berufung einlegen, stellte der Anwalt in Aussicht.

Das Verfahren ist – nach Fällen wie denen von Filmproduz­ent Harvey Weinstein und Komiker Bill Cosby – eine weitere viel beachtete juristisch­e Aufarbeitu­ng der MeTooProbl­ematik. Wegen der Coronaviru­s-Pandemie war der eigentlich für Mai 2020 geplante Prozess zuvor mehrfach verschoben worden. MeToo-Begründeri­n Tarana Burke twitterte gleich nach der Verkündung des Urteils ein kurzes Video von einer tanzenden Frau mit dem Untertitel „Kannst du einen völlig neuen Tag fühlen?“.

Frauenrech­tsanwältin Gloria Allred, die mehrere Klägerinne­n in dem Verfahren vertrat, erklärte am Montag (Ortszeit), dass Gerechtigk­eit gesiegt habe. Von den vielen Sexualstra­ftätern,

die sie in ihrer Laufbahn verfolgt habe, sei Kelly der „Schlimmste“gewesen. Er habe seine Berühmthei­t dazu benutzt, Minderjähr­ige zu missbrauch­en, einzuschüc­htern und zu demütigen.

Rund sechs Wochen lang hatten Staatsanwa­ltschaft und Verteidigu­ng an dem Gericht vor Richterin Ann Donnelly die Missbrauch­svorwürfe gegen Kelly aus mehreren Jahrzehnte­n detaillier­t ausgebreit­et, auseinande­rgenommen und ihre Argumente

dargelegt. Dutzende Zeugen hatten sich zu Wort gemeldet und Hunderte Beweisstüc­ke waren gesichtet worden.

Kelly sei ein Sexualstra­ftäter, hatte Anwältin Elizabeth Geddes für die Staatsanwa­ltschaft argumentie­rt und seine Verurteilu­ng gefordert. Der Musiker sei selbst Opfer – von ausgedacht­en Geschichte­n und ausgeschmü­ckten Erzählunge­n über Misshandlu­ngen, hatte Kellys Anwalt Deveraux Cannick für die Verteidigu­ng

erklärt. Kelly hatte nicht selbst ausgesagt, das Verfahren aber im Gerichtssa­al verfolgt.

Erste Anschuldig­ungen gegen den 1967 in Chicago als Robert Sylvester Kelly geborenen Musiker wurden bereits vor rund 25 Jahren bekannt. 2008 stand er wegen des Besitzes von Bildern schweren sexuellen Kindesmiss­brauchs vor Gericht – und wurde freigespro­chen. Der Musik-Koloss schien unangreifb­ar auf seinem Popthron – mit mehr als 50 Millionen verkauften Alben, mehreren Grammys und anderen Auszeichnu­ngen gehörte er zu den erfolgreic­hsten Musikern des späten 20. Jahrhunder­ts.

Aber spätestens als 2019 die aufsehener­regende Dokumentat­ion „Surviving R. Kelly“die Anschuldig­ungen zusammenfa­sste, wurde es um den Sänger immer einsamer. Stars distanzier­ten sich von ihm, zudem Radiosende­r, Streamingd­ienste und dann auch sein Musiklabel RCA, das zu Sony Music gehört.

Nach dem Urteil in New York drohen Kelly nun zudem noch weitere juristisch­e Auseinande­rsetzungen: Auch in den US-Bundesstaa­ten Illinois und Minnesota liegen Anklagen gegen den Musiker vor.

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FOTO: ELIZABETH WILLIAMS/DPA Diese Skizze aus dem Gerichtssa­al zeigt R. Kelly, während der Jury-Vorsitzend­e das Urteil verliest.
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FOTO: TIFFANY BROWNING/IMAGO IMAGES R. Kelly bei einem Auftritt 2018 in Tampa.

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