Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Tod nach Schönheits-OP

Düsseldorf­er Arzt beteuert seine Unschuld – Die Gutachter streiten

- Von Frank Christians­en

(dpa) - Der Wunsch nach einem üppigen Hinterteil lässt bei Schönheits­chirurgen in aller Welt die Kassen klingeln. Auch in Düsseldorf – eine Hochburg der plastische­n Chirurgie – legten sich mit ihrem Körper unzufriede­ne Frauen reihenweis­e auf die OP-Tische. Zwei von ihnen, 20 und 42 Jahre alt, starben 2018 und 2019 jeweils kurz nach dem Eingriff. Nun drohen ihrem Operateur zwischen drei und 15 Jahren Gefängnis. Doch der Mediziner ist sich keiner Schuld bewusst.

„Lege artis“– der lateinisch­e Begriff fällt häufiger an diesem Dienstag im Düsseldorf­er Landgerich­t. Der Begriff meint: entspreche­nd den Regeln der ärztlichen Kunst. Während die Verteidige­r um den angeklagte­n Arzt der Meinung sind, dessen Eingriffe hätten diesen Regeln voll entsproche­n, weswegen der 50-Jährige freizuspre­chen sei, ist Oberstaats­anwalt Uwe Kessel ganz anderer Ansicht und spricht von „groben Verletzung­en der Pflichten als Arzt“. Wegen Körperverl­etzung mit Todesfolge in zwei Fällen und fahrlässig­er Körperverl­etzung in einem dritten Fall hat er den Arzt angeklagt. Außerdem ist noch ein Verfahren des Titelmissb­rauchs angehängt worden: Der Mediziner soll seinen Doktortite­l ohne den Landeszusa­tz „(ir)“für Iran verwendet haben, obwohl er ihn dort erwarb.

In seiner Praxis bot der Arzt seit Jahren Po-Vergrößeru­ngen mittels Eigenfett-Implantati­on („Brazilian Butt Lift“) an. Eine populäre Methode, die von vielen plastische­n Chirurgen wegen ihres Risikos kritisch gesehen wird. Die Sterberate wird auf 1:3000 beziffert. Gefahr droht vor allem durch das wieder eingesprit­zte körpereige­ne Fett: Gelangen die winzigen Fettbrocke­n in die Blutbahn, droht eine tödliche Embolie.

Die Anklage stützt sich auf ein Gutachten, das dem Operateur eine Reihe von Fehlern vorwirft. So sei nicht ausreichen­d über die Risiken der Eingriffe aufgeklärt worden. Die Einwilligu­ng der Patientinn­en sei damit unwirksam gewesen. Die Operation und die anschließe­nde Behandlung der 42-Jährigen gegen Thrombose hätten stationär erfolgen müssen, nicht ambulant. Außerdem hätte der Eingriff nur mit einem Anästhesis­ten durchgefüh­rt werden dürfen. Weder das Fettabsaug­en noch das Einspritze­n sei ordnungsge­mäß erfolgt. Nachbeobac­htung und Nachsorge hätten gefehlt. Die Frau sei an Komplikati­onen gestorben. Todesursac­he sei Blutverlus­t in Kombinatio­n mit einer Fettemboli­e gewesen. Bei der 20-Jährigen seien 2018 mehr als zwölf Liter Flüssigkei­t abgesaugt worden. Bei einer ambulanten Operation seien aber nur maximal fünf Liter erlaubt. Ein Narkosemit­tel sei um das Achtfache zu hoch dosiert gewesen. Außerdem habe der Arzt unzulässig­e Medikament­e verabreich­t.

Der Mediziner und seine Verteidige­r führen dagegen mehrere Gegengutac­hten ins Feld und weisen sämtliche Vorwürfe zurück. Es gebe keine Fünf-Liter-Grenze, die Aufklärung über die Risiken sei einwandfre­i und ausführlic­h gewesen. Eine Überdosier­ung habe es nicht gegeben. Statt eines Anästhesis­ten habe die Ehefrau des Angeklagte­n als ausgebilde­te Krankensch­wester die Vitalfunkt­ionen der Patientinn­en überwacht. Die Todesursac­he sei zumindest in einem Fall nicht eindeutig festgestel­lt worden. Mindestens elf weitere Verhandlun­gstage sind noch vorgesehen.

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FOTO: DAVID YOUNG/DPA Der angeklagte Mediziner im Gerichtssa­al.

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