Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Drogen, Alkohol und ein bisschen Käse
Amtsgericht verurteilt 40-Jährigen zu 19-monatiger Haft
- Für das Verlesen der Anklage braucht die Staatsanwältin bei dieser Verhandlung nicht annähernd so lange, wie später im Prozess die Richterin für die Auszüge aus dem Bundeszentralregister. Denn dort hat der 40-Jährige Angeklagte einiges angesammelt. Er kommt auf 27 Eintragungen – ohne die Verhandlung am Sigmaringer Amtsgericht.
Aber von vorn. Die Staatsanwaltschaft legt dem 40-Jährigen zur Last, im Februar diesen Jahres in das Vereinsheim der Sigmaringer Kleintierzüchter eingestiegen zu sein. Dort soll er auf Lebensmittel gestoßen sein, die er sich noch vor Ort einverleibt haben soll: eine ungarische Salami und den restlichen Inhalt einer Flasche Whiskey. Wert laut Anklage rund 20 Euro. Zudem soll er im Vereinsheim eine Geldkassette aufgebrochen, und die sich darin befindlichen 60 Euro gestohlen haben. Der finanziell höchste Schaden entstand an besagtem Februartag jedoch durch das unsachgemäße Betreten des Vereinsheims: Ein kaputter Rollladen, ein eingeschlagenes Fenster und die daraus resultierenden Reparaturarbeiten schlagen mit 681,13 Euro zu Buche, so die Staatsanwältin. Wenig später soll der Angeklagte in die Fidelisschule eingestiegen sein. Auch hier soll er ein Fenster eingeschlagen haben, um ins Innere zu kommen. Der dabei finanziell entstandene Schaden: 663,63 Euro. Zudem soll der 40-Jährige auch in der Schule Lebensmittel vorgefunden haben, die er sogleich vor Ort konsumiert habe. Zwei Flaschen Sprudel, eine Packung Nudeln sowie eine Packung Käseaufschnitt. Gegenwert: 4,41 Euro. Alles zusammen laut Staatsanwaltschaft strafbar als Diebstahl in Tateinheit mit Sachbeschädigung.
Schon mit seinem ersten Satz räumt der 40-Jährige einsilbig die Vorwürfe ein. „Beschaffungskriminalität, um Drogen zu finanzieren“, erklärt er die Intention hinter den Taten. „Durch die Pandemie konnte ich nicht arbeiten, saß nur zuhause und wurde depressiv.“Also sei er rückfällig geworden. Die Gebäude habe er durch Zufall ausgewählt, nachdem er kurz zuvor seine Unterkunft verloren habe. Da anschließend alles in „die falsche Richtung“, gegangen sei, habe er sich wenig später der Polizei in Zwiefalten gestellt. „Ich konnte einfach nicht mehr“, so der Angeklagte, der in Zukunft „eine Therapie machen“will, auch wenn mehrere Anläufe zuvor ins Leere gelaufen seien – „Das letzte Mal hat es fast funktioniert“, gibt der Mann zu Protokoll. Um seine Geschichte besser verstehen zu können, erzählt er von seiner
Biografie – geprägt von Drogen, Alkohol und Kriminalität. Aufgewachsen sei er bei seiner Großmutter, bereits mit 13 sei er das erste Mal in Kontakt mit Drogen gekommen, seinen Hauptschulabschluss habe er im Gefängnis gemacht. Alle möglichen Drogen habe der Vater eines Sohnes im Teenager-Alter (der bei der Mutter wohnt) bereits durchprobiert, mehrere Ausbildungen abgebrochen. Mit der Schreinerei wurde es ebenso wenig etwas wie mit dem Restaurantfachmann oder dem Fitnesskaufmann. Mehr kann der 40-Jährige nicht erzählen: „Ansonsten gibt es nichts mehr.“Auf Nachfrage der Richterin erklärt er jedoch noch sein Konsumverhalten während der Zeit der zu verhandelnden Straftaten: „0,4 Gramm Heroin, ein Stück Pflaster Fentanyl und zwei Flaschen Wodka.“Wohlgemerkt pro Tag.
Dann liest die Richterin mehrere Minuten lang die Eintragungen aus dem Bundeszentralregister vor. 1996 geht es los mit Fahren ohne Fahrerlaubnis, weiter geht es mit gemeinschaftlichem Diebstahl, Erschleichen von Leistungen, Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, Beleidigung, Fahrerflucht, Sachbeschädigung und Körperverletzung. Einige Straftaten wiederholen sich, ebenso die Gefängnisstrafen – von der der 40-Jährige aktuell eine absitzt. Und die wird an diesem Tag verlängert – um 19 Monate. Eigentlich hätte er bereits im kommenden Frühjahr entlassen werden sollen.
Die Staatsanwaltschaft fordert zuvor in ihrem Plädoyer eine Gesamtstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Auch wenn er die Taten eingeräumt und sich gestellt habe, sei er dennoch auf Bewährung gewesen und habe einschlägige Vorstrafen. Der Verteidiger fordert eine Strafe von einem Jahr und drei Monaten. Schließlich habe sein Mandant mit Suchtdruck gehandelt und sei deshalb auch nur vermindert schuldfähig. Beim Urteil berücksichtigte die Richterin die verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten, merkte aber auch die „erhebliche Rückfallgeschwindigkeit“an.