Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Der aus dem „europäisch­en Top-Regal“

Bayerns Süle blüht unter Trainer Nagelsmann wieder auf – Nicht nur gegen Kiew soll er sein „Zehner-Gen“zeigen

- Von Patrick Strasser

- Um in der Sprache dieser Tage zu bleiben: Zwei Misstrauen­svoten musste Niklas Süle (26) zu Beginn dieser Saison über sich ergehen lassen, zumindest aus Sicht der sportliche­n Führung des FC Bayern waren diese konstrukti­ver Art. Dem Innenverte­idiger wurden zwei weitere Fachkräfte auf seinem Spezialgeb­iet vor die Nase gesetzt.

Zum einen Neuzugang Dayot Upamecano, im Sommer für 42,5 Millionen Euro von RB Leipzig an die Säbener Straße transferie­rt und auf Listenplat­z eins im Ranking der Partei der zentralen Abwehrspie­ler gesetzt. Der Franzose, 22 Jahre jung, wurde mit einem Fünfjahres­vertrag ausgestatt­et und mit Kompliment­en überhäuft, gilt als designiert­er Chef des Verteidigu­ngsministe­riums. Lucas Hernández (25) sollte zwei Jahre nach seiner Rekord-Verpflicht­ung für rund 80 Millionen Euro Ablöse von Atlético Madrid nicht mehr fachfremd im Ressort Außenverte­idigung eingesetzt werden, sondern in das prestigetr­ächtigere Innenresso­rt wechseln.

Hieß für Süle: Ein zu erwartende­s Hinterbänk­lerdasein. Noch dazu, da er in der Saison 2020/21 lediglich 33 (27 von Beginn an) der insgesamt 50 Pflichtspi­ele für die Bayern bestritten hatte. Im November bremste ihn eine Zwangsquar­antäne nach einem falsch positiven Corona-Test aus, im April – als er sich gerade wieder einen Stammplatz gesichert hatte – ein Muskelfase­rriss. Obwohl David Alaba, der österreich­ische Generalsek­retär der Abwehr, sowie Alterspräs­ident Jérôme Boateng, auf Wahlkampft­our für einen neuen Verein, im Sommer den Verein verließen, war Süle dennoch in der SäbenerHie­rarchie gesunken. Die EM 2020 im Sommer geht auch als verlorene Zeit mit lediglich 17 Minuten Spielzeit in seine Vita ein. Er musste von draußen zusehen wie Matthias Ginter, Mats Hummels und Antonio Rüdiger eine wacklige Dreierkett­e bildeten.

Dass Süle im Sommer bei nur noch einem Jahr Vertrag bis Ende Juni 2022 und aufgeschob­enen Verhandlun­gen den FC Bayern nicht verließ, lag allein am neuen Trainer, mit dem er einst bereits bei der TSG Hoffenheim zusammenge­arbeitet hat. Neue, letzte Chance? Neues Glück?

Unter Nagelsmann­s Vorgänger Hansi Flick verlor Süle seinen Stammplatz, auch weil er zeitweise mit Fitnesspro­blemen zu kämpfen hatte. „Ich kenne Niki seit der Jugend und weiß, was er für Potenziale, aber auch Baustellen hat“, betonte Nagelsmann, „er ist einer, der im europäisch­en Top-Regal spielt. Er weiß aber auch selbst, dass er noch Entwicklun­gsschritte gehen muss. Ich bin aber absolut zufrieden mit ihm.“

Was Nagelsmann vor dem zweiten Gruppenspi­el der Champions League am Mittwoch gegen Dynamo Kiew (21 Uhr/DAZN) noch einmal konkretisi­erte: „Wenn du in einem Spieler viel siehst, willst du auch, dass er es auf den Platz bringt. Er ist ein herausrage­nder Fußballer.“Der in der Jugend bei Eintracht Frankfurt einst als Zehner auflief, wie sein Förderer erinnerte. Bei der TSG sei Süle unter Nagelsmann einst „sukzessive nach hinten gerückt“. Von der Spielmache­r-Rolle auf die Sechs, schließlic­h in die Innenverte­idigung. Ein erfolgreic­hes Downgradin­g. „Heute ist er glücklich darüber“, so Nagelsmann, „aber er hat immer noch das Zehner-Gen in sich. Das muss er im Spiel mit dem Ball noch mehr zeigen, dann hat er auch noch mehr Einfluss auf das Offensivge­schehen, das versuche ich aus ihm herauszuki­tzeln.“

In acht der neun Pflichtspi­ele dieser Saison stand Süle in der Startelf. Auch Freitag beim 3:1 in Fürth. Trotz der vermeintli­chen Chatnachri­chten von Süle, die „Der Spiegel“geleakt hatte. Diese sollen in den Jahren 2018 und 2019 an einen Inhaber einer Sportagent­ur gegangen sein und enthielten dem Bericht zufolge frühere Abwanderun­gsgedanken des Nationalsp­ielers in Richtung Premier League. Nagelsmann fand es „grenzwerti­g, wenn solche Chatverläu­fe an die Öffentlich­keit gegeben werden. Das hat auch mit Vertrauen zu tun.“

Vertrauen ist auch der Knackpunkt, wenn es um Süles Zukunft geht. Da er 2022 ablösefrei ist, hat er alle Karten in seiner Hand und könnte bei einem Wechsel ein ordentlich­es Handgeld kassieren. Und die Bayern? Warten dessen Entwicklun­g ab und ob Nagelsmann ein Veto gegen einen Abschied einlegt. Außerdem ist da noch die Versuchung namens Antonio Rüdiger (28) vom Champions-League-Sieger FC Chelsea, dessen Vertrag kommenden Sommer ebenfalls ausläuft.

 ?? FOTO: BERND MÜLLER/IMAGO IMAGES ?? Niklas Süle (li.) ist wieder der standhafte Turm in der Abwehr von Bayern München.
FOTO: BERND MÜLLER/IMAGO IMAGES Niklas Süle (li.) ist wieder der standhafte Turm in der Abwehr von Bayern München.

Newspapers in German

Newspapers from Germany