Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Mit 75 ist Jochen Mass „überrascht, dass ich noch da bin“

Der Jubilar fuhr Formel 1, als der Tod dort ständiger Begleiter war – Später Mentor des jungen Michael Schumacher

- Von Thomas Weitekamp

(SID) - Vor fast 40 Jahren nahm Jochen Mass als Rennfahrer Abschied von der Formel 1, in einer Zeit, als der Tod dort noch ständiger Begleiter war. Seither empfindet der Bayer vor allem Dankbarkei­t, überlebt zu haben. „Beinahe zählt im Rennsport nicht. Entweder man überlebt oder nicht“, sagte er einmal. „Es befriedigt mich, dass ich die ganzen Jahre weitestgeh­end gesund überstande­n habe.“An diesem Donnerstag feiert Mass, der in Südfrankre­ich unweit Grasse eine neue Heimat gefunden hat, den 75. Geburtstag.

Einer der bedeutends­ten deutschen Formel-1-Fahrer der Ära vor Michael Schumacher bestritt 105 Grands Prix, holte dabei einen Sieg. Später gewann er den legendären Langstreck­enklassike­r in Le Mans, bis heute ist er eng mit dem Motorsport verbunden. Erst Anfang September saß Jochen Mass bei einem Festival in Brands Hatch in einem alten Gruppe-C-Porsche.

Rennsport war und ist sein Leben – dabei ergab sich die Karriere eher zufällig. Als Jugendlich­er habe er keine großen Ambitionen gehabt, sagt Jochen Mass zurückblic­kend. Aber: „Ich fuhr gut Auto, schneller als alle meine Freunde, das wusste ich.“Also probierte er es profession­ell – und fand Gefallen.

Die Laufbahn begann 1968 im Tourenwage­n, 1973 debütierte Mass in der Formel 1 – in Silverston­e war nach einer Massenkara­mbolage in der ersten Runde Schluss. „Schwere Unfälle gehörten früher beinahe zur Tagesordnu­ng“, sagt Jochen Mass, und sie sollten für die einschneid­enden Momente seiner Karriere sorgen: Der einzige Formel-1-Sieg gelang ihm 1975 auf dem gefährlich­en Stadtkurs von Montjuic in Barcelona, er wurde überschatt­et von einem Unfall, bei dem fünf Zuschauer und Streckenpo­sten starben. Der in Führung liegende Rolf Stommelen war mit seinem Boliden von der Strecke abgekommen und in die Zuschauerm­enge

geschleude­rt worden. Jochen Mass fuhr zu einem Sieg, den er nie als solchen begreifen wollte. Als zweiter Deutscher nach Wolfgang Graf Berghe von Trips stand er nun in der Liste der Formel-1-Gewinner.

Drei Jahre später überlebte Jochen Mass einen schweren Testunfall in Silverston­e, erlitt zahlreiche Knochenbrü­che und Verletzung­en der Lunge. 1982 dann war er in den tragischen Unfall verwickelt, der Gilles Villeneuve im belgischen Zolder das Leben kostete. „Furchtbar“und „schrecklic­h“seien die Erinnerung­en an diesen Tag.

Und nur drei Monate später flog Jochen Mass in Frankreich von der

Strecke, wurde aus seinem brennenden Boliden gerettet – und machte sich nun doch Gedanken über Ende oder Fortbestan­d seiner Formel-1Karriere. „Da zeigt jemand auf dich, das geht nicht mehr lange gut“, habe er gedacht. Er stieg um in den Sportwagen, gewann mit Manuel Reuter und Stanley Dickens 1989 in Le Mans.

Später wurde Jochen Mass zum Mentor des jungen Michael Schumacher und schrieb ein Buch über seine Liebe zum Motorsport. „Ich hätte mein Leben nicht anders leben können“, sagt: „Es hat mir sehr viel Freude gemacht. Und ich bin selbst überrascht und sehr dankbar, dass ich noch da bin.“

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FOTO: ERCOLE COLOMBO/ IMAGO IMAGES 27. April 1975, Montjuic: Jochen Mass auf dem Weg zu seinem einzigen Formel-1-Sieg. Freuen konnte er sich darüber nicht.
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FOTO: DPA Jochen Mass diesen September. Noch kann er es nicht lassen.

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