Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Von der Flucht aus dem Irak zum Auszubildenden des Jahres
Fachgruppe Handwerk zeichnet den Fliesenleger Aymen Al-Salim aus – Welche Rolle sein Berufsschullehrer spielt
- Zum siebten Mal hat die Fachgruppe Handwerk im Gewerbeverein Unser Bad Saulgau (UBS) einen Auszubildenden des Jahres gekürt. Für den ausgezeichneten Aymen Al-Salim (27) bei der Firma Förschner ist es auch das glückliche Ende einer Flucht aus seiner Heimat.
Aymen Al-Salim, Auszubildender im dritten Lehrjahr zum Fliesen-, Platten- und Mosaikleger bei Förschner in Bad Saulgau, ist Zweitbester seines Jahrgangs im Kammerbezirk. Er wird von der Handwerkskammer zum deutschlandweiten Leistungswettbewerb eingeladen. Und jetzt ist er auch noch Auszubildender des Jahres. Tobias Müller von der Fachgruppe Handwerk im Gewerbeverein UBS gratulierte dem 27jährigen und überreichte die Schlüssel für einen nigelnagelneuen VW up. Ihn darf Aymen Al-Salim nun ein Jahr lang kostenlos fahren.
„Er war von Anfang an fleißig und hat mitgedacht“, sagt sein Meister Otto Wagner. Angebote von Klassenkameraden aus der Berufsschule, deren Eltern einen eigenen Betrieb haben, zum Wechsel hat er auch schon bekommen. „Er ist aber bei uns geblieben“, freut sich Margund Förschner beim Pressetermin. Und noch jemand freut sich über diesen Erfolg. Aymen Al-Salims fünf Geschwister in Baylon im Irak und deren Familien.
Von der geschichtsträchtigen Stadt am Fluss Euphrat ist der damals 22-Jährige Ende 2015 aufgebrochen. Damals befand sich im Irak der so genannte Islamische Staat (IS) im Vormarsch. Bei der Bombardierung des Hauses starb die Mutter. Der Vater war zuvor gestorben. Aymen Al-Salim arbeitete als Polizist. Er wurde bedroht, fürchtete um sein Leben, wie er selbst erzählt. Seine älteren Geschwister hatten bereits Familie. Aymen Al-Salim machte sich deshalb ganz allein auf den Weg. Über die Türkei, Mazedonien und Bulgarien, „teils zu Fuß, teils im Zug“, wie er erzählt, kam er nach Deutschland.
Hier wohnte er in der Sammelunterkunft in Gammertingen, als er von einem Mitbewohner erfuhr, dass ein anderer geflüchteter Mensch über die Berta-Benz-Berufsfachschule in Sigmaringen einen Ausbildungsplatz bekommen hat. Dort empfahl ihm ein Lehrer, Fliesenleger zu lernen. Das Wort hatte er zwar noch nie gehört. Aber die geschichtlichen Ursprünge der Fliesenkeramik liegen unter anderem in der Heimat von Aymen Al-Salim.
„Wir fragten ihn, ob er in Richtung Bad oder Sanitär etwas machen möchte, aber er wollte unbedingt Fliesenleger werden“, erzählt Margund Förschner beim Pressetermin. Aymen Al-Slim absolvierte in Sigmaringen die einjährige Berufsfachschule. Sein Lehrer an der BertaBenz-Schule
erkannte den Ehrgeiz, den Fleiß und das Können seines Schützlings und fragte bei Margund Förscher nach, ob ihr Betrieb Interesse an diesem Auszubildenden habe. Er hatte. Nach einem Vorstellungsgespräch konnte der Ausbildungsvertrag unterschrieben werden.
Der neue Auszubildende des Jahres hat Deutsch gelernt. „Das ist die Grundvoraussetzung für die Ausbildung“,
bestätigt Meister Otto Wagner. Nur das Schwäbisch seiner Kollegen hat er nicht immer gleich verstanden. Jetzt aber verstehe er auch das, sagt der ausgezeichnete Auszubildende. Was er alles auf sich genommen hat, um seine Ausbildung erfolgreich zu Ende zu bringen, weiß Margund Förschner. „In die Berufsschule musste er nach Donaueschingen. Da er zunächst kein Auto hatte, ist er mit dem ganzen Werkzeug mit dem Zug gefahren.“Er sei trotzdem immer pünktlich und zuverlässig zum Unterricht erschienen, so die Geschäftsführerin.
Auch Tobias Müller freute sich über die Auszeichnung des Azubi des Jahren. Es ist inzwischen das siebte Mal, dass die Auszeichnung vergeben wird. Jeweils drei Jahre wechselt der VW up von Preisträger zu Preisträger. Aymen Al-Salim bekommt nun wieder einen ganz neuen zu fahren. Ganze 15 Kilometer hat das Fahrzeug bei der Übergabe. Auch Wirtschaftsförderin Ilona Boos gratulierte. Von der Stadt gab es den „Klassiker“: Karten für die Sonnenhof-Therme, aber auch einen Rucksack aus recyceltem Material. „Das passt zu unserem Image der Nachhaltigkeit“, so Boos.