Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Begegnung steht bei ihr im Mittelpunkt
Die Mengener Künstlerin Ulla Mross vergisst im Atelier auch schon mal komplett die Zeit
- Von nahezu jedem ihrer verkauften Bilder weiß Ulla Mross, wo es sich befindet. „Sie sind ein Teil von mir und oft fällt es mir schwer, mich von ihnen zu trennen“, gibt die Künstlerin aus Mengen zu. Deshalb hängt sie ihre neuesten Werke immer zuerst im eigenen Haus auf, um sich schon ein wenig an ihnen sattsehen zu können. Bei den letzten drei Bildern hat das allerdings nicht ganz geklappt: Die schmalen Hochformate, die sie zum Thema „Paare“geschaffen hat, sind aus dem Atelier direkt in eine Gemeinschaftsausstellung in der Alten Schule in Sigmaringen gewandert.
Obwohl es ihr immer viel Freude bereitet hat, an der Realschule Mengen Kinder und Jugendliche zu unterrichten, hat Ulla Mross die Entscheidung, den Lehrberuf aufzugeben, nie bereut. „Lehrerin und Künstlerin gleichzeitig zu sein, das war in der Intensität, die ich mir gewünscht habe, einfach nicht möglich“, sagt sie. 2003 habe sie deshalb der Schule den Rücken gekehrt, um sich voll und ganz ihrer Leidenschaft fürs eigene künstlerische Schaffen widmen zu können. Damit habe sie sich natürlich auf ein sehr unsicheres Terrain begeben. „Aber für mich ist es so genau richtig“, findet sie.
Wenn möglich, steht Ulla Mross täglich im Atelier. Das befindet sich in einem Anbau ihres Wohnhauses, sodass sie jederzeit dort arbeiten kann. „Manchmal tauche ich so ab, dass ich die Zeit komplett vergesse“, sagt sie. Dann merke sie plötzlich, dass es draußen schon wieder hell werde oder ihr Mann stecke den Kopf zur Tür herein und frage, ob sie nicht mal etwas essen wolle. „Aber das sind die kreativen Phasen, die ich besonders brauche.“
Dann entstehen große und kleine Formate in unterschiedlichen Techniken, mit Öl- oder Acrylfarbe, als Holzschnitte, Radierungen oder einfache Kohlezeichnungen. Am Anfang steht eine Idee oder ein Motiv. „Der Rest ist Ausprobieren, Improvisieren, Weiterdenken“, sagt Mross. „Es muss Platz für Verwandlung und Zufall sein.“Farb- und Druckschichten werden so lange übereinander gelegt, bis sich beim Betrachten das Gefühl einstelle: Das ist es. Weil sich bei ihr oft eine Arbeit aus der nächsten ergebe, entstünden häufig thematisch zusammengehörige Serien, bei der sich mehrere Bilder gegenseitig ergänzen. „Als Leitmotive, zu denen ich immer wieder zurückkehre, gibt es Themen wie Begegnungen, Spuren und Wege oder Balance“, sagt sie. „Begegnen“könnten sich dabei Linien, Formen, Materialien und immer auch die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten der Betrachter.
„Für mich ist es immer sehr spannend zu hören, ob andere Menschen das in den Bildern sehen, was ich abbilden wollte oder ob sie ganz andere Assoziationen und Gedanken haben“, sagt Ulla Mross. Deshalb seien ihr Austausch und Gespräch wichtig. Nicht, um Betrachter von der eigenen Absicht zu überzeugen, sondern um neue Perspektiven aufgezeigt zu bekommen. „Ich freue mich, wenn sich jemand auf meine Kunst einlässt.“Je nach Lebenslage und Erfahrungen der Menschen würden viele die Bilder ganz unterschiedlich wahrnehmen.
Die Beschäftigung mit Kunst, Musik und kreativen Dingen hat schon in der Kindheit von Ulla Mross in Kevelaer am Niederrhein einen hohen Stellenwert gehabt. Ihr Vater Heinrich Pohlenz war ein Bildhauer, der seine fünf Kinder gern in der Werkstatt um sich hatte und sie spielerisch und selbstverständlich mit der Malerei, dem Zeichnen und schöpferischen Prozessen mit unterschiedlichen Materialien vertraut machte. „Nie hat er uns weggeschickt, wenn seine Künstlerfreunde zu Besuch gekommen sind“, erinnert sie sich. Sie selbst habe das neugierig gemacht und ihr das Selbstvertrauen gegeben, Dinge auszuprobieren. Gemeinsam mit ihrem Mann Dieter Mross, der Musiker ist, habe sie eine ähnliche Atmosphäre auch für die eigenen beiden Söhne geschaffen. „Wichtig ist ein großes wechselseitiges Verständnis, damit sich jeder auch in diese andere Welt fallen lassen kann“, findet sie.
In der Zeit der Beschränkungen durch die Corona-Verordnungen hat Ulla Mross noch mehr Zeit im Atelier verbracht. Auch mangels Alternativen. Ausstellungen seien abgesagt oder immer wieder verschoben worden. Eine hätte gerade einmal fünf Tage geöffnet gehabt. „Es ist wirklich schade, wie sehr die Kultur gelitten hat“, findet sie. Sie habe versucht, die Pandemie nicht ins Atelier zu lassen und sich bewusst und in Ruhe mit eigenen Ideen zu beschäftigen. Dann habe sie auch mal in dem kleinen Karton gekramt, in dem sie aus Zeitungen ausgeschnittene Fotografien, Steine mit besonderer Maserung oder andere Dinge aufbewahrt, deren Linien und Formen sie gern einmal aufgreifen möchte. „Aber es ist auch klar, dass wir alle künftig mit einem Blick auf Dinge und Bilder schauen werden, der auch von unseren Erfahrungen in der PandemieZeit geprägt sein wird.“
Die Ausstellung „Erstklassig“mit Werken von 21 Künstlerinnen und Künstlern des VBKW ist noch bis zum 14.November in den Räumen der Alten Schule in Sigmaringen zu sehen. Geöffnet ist sie mittwochs, samstags und sonntags von 10 bis 12 und 14 bis 17 Uhr.
Weitere Informationen zu Ulla Mross gibt es unter