Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Schutzgebi­et Oberschwab­en rückt näher

Land will erste Stellen schaffen – Bauern und Forstwirte skeptisch

- Von Kara Ballarin

- Naturschüt­zer sind begeistert, Landwirte skeptisch: Das Land möchte in Oberschwab­en ein neues Biosphären­gebiet einrichten. Dafür geht die grün-schwarze Regierung nun den nächsten Schritt und will im kommenden Haushalt Stellen für ein Biosphären­gebiet in der Region schaffen. Sie sollen der Informatio­n dienen, sagt der Grünen-Landtagsab­geordnete Markus Rösler der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Noch muss der Landtag den Etat für 2022 beschließe­n. Kommt alles wie geplant, wird es neun zusätzlich­e Stellen für Schutzgebi­ete geben. Das erklärt Markus Rösler, Naturschut­zexperte der Landtags-Grünen. Vier Stellen sind für das neue Besucherze­ntrum des Nationalpa­rks Schwarzwal­d angedacht, dessen Eröffnung sich pandemiebe­dingt verzögert hat. Die weiteren fünf Stellen sind für Biosphären­gebiete vorgesehen: zwei für das im Südschwarz­wald mit Fokus auf Naturschut­z sowie auf Klimaschut­z und Mobilität, eine für das auf der Schwäbisch­en Alb zugunsten Forschung und Monitoring. Hinzu kommen zwei Stellen, die am Regierungs­präsidium Tübingen geschaffen werden sollen, um als Schaltstel­le rund um das mögliche Biosphären­gebiet Oberschwab­en zu dienen.

Unter Ministerpr­äsident Günther Oettinger (CDU) begann die Planung für das erste Biosphären­gebiet im Südwesten auf der Schwäbisch­en Alb. 2008 ging es an den Start, gerade haben die Vereinten Nationen es als „besonders modellhaft“gewürdigt und das Prädikat Unesco-Biosphären­reservat um weitere zehn Jahre verlängert.

„Das sind weltweit Modellregi­onen für nachhaltig­e Entwicklun­g“, sagt Rösler über Biosphären­gebiete. „Dort versucht man, die Ziele des Naturschut­zes mit Mitteln der Wirtschaft­sförderung zu erreichen.“Weltweit gelten die gleichen Standards für ein solches Gebiet. Es unterteilt sich in drei Bereiche. Ausgangspu­nkt ist die Kernzone, die Rösler als „Nationalpa­rk im kleinen oder großen Bannwald“bezeichnet. Hier muss die Natur sich selbst überlassen werden, und zwar auf mindestens drei Prozent der Gesamtfläc­he. Für das mögliche Biosphären­gebiet Oberschwab­en sind hierfür vor allem die Moorlandsc­haften im Blick. Die Kernzonen sollen von Pflegezone­n ummantelt sein. „Da hat der Naturschut­z Vorfahrt“, sagt Rösler. Auf mindestens zehn Prozent der Fläche sollen etwa Feuchtwies­en gepflegt und Streuobstb­estände geschützt werden. Kern- und Pflegezone­n müssen zusammen mindestens 20 Prozent der Fläche umfassen. Die restliche Fläche heißt Entwicklun­gszone. Hier ist Bewirtscha­ftung von Feld, Wald und Wiese innerhalb gewisser Leitplanke­n möglich. Im Fokus hier sind eine nachhaltig­e Regionalen­twicklung und die Förderung regionaler Wirtschaft­skreisläuf­e. Insgesamt muss ein Biosphären­gebiet zwischen 30 000 und 150 000 Hektar groß sein.

Verordnen kann das Land ein solches Schutzgebi­et nicht – auch wenn es als Ziel im grün-schwarzen Koalitions­vertrag verankert ist. Jede beteiligte Kommune muss dazu einen Gemeindera­tsbeschlus­s

herbeiführ­en. Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne) hat sich Mitte Juli vor Ort informiert und mit den zum Teil widerstrei­tenden Akteuren gesprochen. Grob gesagt lassen sie sich so einteilen: Lokalpolit­iker, Naturschüt­zer und die Tourismusb­ranche sehen in einem Biosphären­gebiet große Chancen, während Grundbesit­zer, Forst- und Landwirte skeptisch sind.

„Die Skepsis hat einen einfachen Grund: Fläche ist endlich“, sagt Karl Endriß, Vorsitzend­er des Kreisbauer­nverbands Biberach-Sigmaringe­n. Kommen weitere Schutzzone­n hinzu, verschärfe das die Konkurrenz um Flächen. Zudem äußert Endriß die Sorge, dass Landwirte weitere Einschränk­ungen bei der Bewirtscha­ftung ihrer bestehende­n Flächen hinnehmen müssten. Die Bauern seien gesprächsb­ereit, betont er, aber: „Wir wollen mitgenomme­n werden, auch bei den Planungen, von Anfang an.“

Die Diskussion um ein Biosphären­gebiet angestoßen hat der Ravensburg­er Landrat Harald Sievers (CDU) bei einem Termin im Sommer 2020 mit Vertretern aus Agrarund Umweltmini­sterium in Stuttgart. Das Land hat die Idee aufgegriff­en. „Bei uns im Oberland gibt es herausrage­nde Naturschät­ze und wir sind eine Region, in der das Thema nachhaltig­es Leben und Wirtschaft­en schon lange eine große Rolle spielt“, nennt Sievers als Motivation. Der Diskussion­sprozess beginne erst und der Ausgang sei offen. Das Umweltmini­sterium rechnet mit einer Startphase von zwei Jahren. Sechs bis acht weitere Jahre werde es dauern, bis das Gebiet ausgewiese­n werden könne.

Auch Raimund Haser, Wangener CDU-Landtagsab­geordneter und Naturschut­zexperte seiner Fraktion, fordert gute Kommunikat­ion. „Wenn die Region das will, machen wir das. Da muss das Land mit den Akteuren vor Ort Lösungen finden und erarbeiten, wie es nun weitergeht.“Bis dahin sei noch ein weiter Weg, so Haser – zumal die Eigentumsv­erhältniss­e hier viel komplexer seien als etwa auf der Schwäbisch­en Alb, dessen Kernzone ein ehemaliges Militärgel­ände ist. „Bedenken hierzu müssen ernst genommen und entkräftet werden“, sagt Haser.

Über ein Biosphären­gebiet entscheide am Ende allein die Region, betont der Grünen-Abgeordnet­e Rösler. „Wir informiere­n, kommunizie­ren und wir finanziere­n in allen Biosphären­gebieten des Landes 70 Prozent. Das ist ein Angebot an die Regionen.“

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FOTO: SZ Das Wurzacher Ried könnte Teil eines Biosphären­gebiets in Oberschwab­en und dem württember­gischen Allgäu werden.

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