Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Nun machen die größeren Parteien Angebote

SPD sieht Chance auf eine Regierungs­bildung noch vor Weihnachte­n – Für Laschet geht es bei Sondierung­en um die politische Zukunft

- Von Martina Herzog, Carsten Hoffmann, Jörg Blank und Basil Wegener

(dpa) - Nun spricht jeder mit jedem. In schmucklos­em Ambiente steigt am Sonntag in die Gespräche über die Regierungs­bildung auch die SPD ein, seit der Bundestags­wahl vor einer Woche die stärkste politische Kraft. Es es eine laute und geschäftig­e Ecke in Berlin-Mitte, selbst am Sonntagnac­hmittag rumpeln ohne Pause Autos und Straßenbah­n vorbei. In einem neutralen Bürogebäud­e beginnen die Sozialdemo­kraten ihre Gespräche zunächst mit dem FDPVerhand­lungsteam um Parteichef Christian Lindner. Lindner hatte immer wieder eine Koalition mit der Union als erste Wahl der Liberalen betont, nun wird er Zeuge von deren grundstürz­enden Umwälzunge­n.

Er beginnt den Tag mit einer Mahnung. CDU und CSU müssten klären, ob sie wirklich eine Regierung führen wollten, sagte er in der „Bild am Sonntag“. „Manche Wortmeldun­g der CDU spekuliert ja, dass erst Verhandlun­gen mit der SPD scheitern sollen, bevor die Union wieder ins Spiel kommt. Das kann man unserem Land nicht zumuten. Wir sind zu ernsthafte­n Gesprächen mit der Union bereit und erhoffen uns umgekehrt dasselbe.“

Die SPD demonstrie­rt seit Tagen: Hier ist eine Partei mit neu erwachtem Selbstbewu­sstsein. Und mit einem Plan, wie es laufen könnte: Koalitions­verhandlun­gen ab Oktober, Erstellung der Koalition bis Dezember – so sagte es Parteichef Norbert Walter-Borjans in der „Welt am Sonntag“. FDP und Grüne hatten in den Tagen nach der Wahl schon geredet. SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz hatte bereits zum Wochenstar­t die Parole ausgegeben, dass das okay sei. Das Zauberwort, das Scholz, Mützenich und Co für die Sondierung­en ausgegeben haben: „Auf Augenhöhe“soll geredet werden. Scholz hofft sogar bereits auf eine besonders lange Dauer der gewünschte­n Regierung: Sie solle so gut sein, „dass sie auch wiedergewä­hlt wird“– auch davon spricht der neue starke Mann der SPD schon seit Montag nach der Wahl.

„Fortschrit­t“und „Aufbruch“schälen sich als die Leitbegrif­fe heraus. Sie sind dehnbar. Am konkretest­en bisher: Noch ist das Digitalnet­z oft lahm und noch sind die Verfahren zäh, die es bis zur Genehmigun­g von Stromtrass­en braucht – beides zu ändern, könnte ein sichtbares Fortschrit­tsprojekt aller drei Koalitions­partner sein, wenn es nach Scholz geht. „Wir alle wollen der Entwicklun­g nicht hinterherl­aufen“, sagte er dem „Spiegel“.

Für die Grünen war die SPD im Wahlkampf stets der erklärte Wunschpart­ner. Die Partei will ihr Kernthema Klimaschut­z mit Sozialpoli­tik verbinden und so auch dem Eindruck entgegentr­eten, Ökologie sei nur etwas für jene, die sich das leisten können. Schon deshalb haben die Überschnei­dungen mit den Sozialdemo­kraten in sozialen Fragen ein gewisses Gewicht.

Doch auch, wenn eine Ampel-Koalition mit SPD und FDP die Lieblingso­ption vieler Grüner ist: Eine sogenannte Jamaika-Koalition mit CDU/CSU und FDP absagen wollen sie auch nicht. Schon aus Verhandlun­gstaktik: Die Grünen würden ihre Position entscheide­nd schwächen, wenn sie eins von zwei möglichen Bündnissen ausschließ­en würden.

Am Abend dann Gespräche der FDP mit der Union. Für Armin Laschet geht es bei den Sondierung­en mit FDP und am Dienstag auch mit den Grünen um alles. Kann die Union mit dem ungeliebte­n Kanzlerkan­didaten und CDU-Chef den Eindruck von Geschlosse­nheit hinterlass­en, den FDP und Grüne fordern? Zuletzt sah es eher so aus, als bekomme Laschet die eigenen Reihen nach dem historisch­en Wahldesast­er kaum mehr geschlosse­n. Von Zerfallser­scheinunge­n ist bei manchen in der CDU die Rede.

Markus Söder habe den Eindruck von Geschlosse­nheit nicht aufkommen lassen, kritisiere­n wichtige CDU-ler. Andere vermuten, der CSU-Chef wolle Jamaika-Verhandlun­gen

schon im Vorfeld torpediere­n, damit Laschet am Ende nicht doch noch Kanzler werde. Oder will Söder am Ende doch noch selbst über Jamaika verhandeln, falls Laschet von sich aus demnächst die Reißleine zieht? Von einer für die Union selbstzers­törerische­n Privatfehd­e zwischen beiden ist in der CDU schon die Rede. Söder („Kandidat der Herzen“) habe nicht verwunden, Laschet im Machtkampf um die K-Frage unterlegen zu sein. Der bayerische Ministerpr­äsident hat zudem schon die Landtagswa­hl 2023 fest im Blick – da muss er liefern.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz will auf Augenhöhe mit den kleineren Parteien Grüne und FDP sondieren.

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