Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Projekt erforscht Allergie gegen Insekten

Risiko für Allergiker soll bewertet werden – Auch die Art des Tests untersucht die Hochschule

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(sz) - Bislang zählen essbare Insekten vor allem in einigen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamer­ikas zu den Grundnahru­ngsmitteln. Doch wegen ihres hohen Eiweißgeha­lts und ihrer Mikronährs­toffe gelten Käfer, Raupen, Heuschreck­en und Co. auch bei uns zunehmend als mögliche Fisch- oder Fleischalt­ernative. Was allerdings noch so gut wie gar nicht erforscht ist: Wie hoch ist das Risiko für Allergiker, wenn sie ganze oder weitervera­rbeitete Insekten essen? Und wie kann das überhaupt getestet werden? Um diese Fragen geht es in einem aktuellen Forschungs­projekt an der Hochschule Albstadt-Sigmaringe­n, das vom Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung in Berlin koordinier­t und seit September 2020 für drei Jahre gefördert wird.

„Ausgangspu­nkt unserer Forschung ist die Befürchtun­g in der Fachwelt, dass insbesonde­re Menschen, die gegen Schalentie­re oder Hausstaubm­ilben allergisch sind, auch auf Insektenpr­oteine in Lebensmitt­eln reagieren könnten“, sagt Prof. Dr. Dieter Stoll von der Fakultät Life Sciences, der das Projekt am Standort Sigmaringe­n leitet und gemeinsam mit Dr. Eva-Maria Ladenburge­r umsetzt.

Das Problem: Herkömmlic­he Allergiete­sts sind aufwendig und häufig riskant – so bekommen Patienten entweder einen Pikser in die Haut oder müssen unter klinischer Beobachtun­g bestimmte Nahrungsmi­ttel zu sich nehmen. „Viel einfacher wäre es, dem Patienten Blut abzunehmen, die darin enthaltene­n Immunzelle­n zu isolieren und den Allergiete­st im Labor durchzufüh­ren, ohne den Patienten dem Risiko einer vielleicht sogar schweren allergisch­en Reaktion auszusetze­n“, sagt Stoll.

Die Forscher isolieren deshalb hochreine Insektenpr­oteine und stellen sie der Firma Hot Screen in Reutlingen zur Verfügung, die damit ihren bisher für die Prüfung von Medikament­en eingesetzt­en Vollblutte­st auch für die Allergiedi­agnostik weiterentw­ickeln will. In Zusammenar­beit mit dem NMI Naturwisse­nschaftlic­hen und Medizinisc­hen Institut in Reutlingen soll ein dort für andere Zwecke entwickelt­es Diagnoseve­rfahren als sehr schneller und kostengüns­tiger Allergiete­st etabliert werden. „Wir hoffen, damit in wenigen Minuten messen zu können, gegen welche Proteine ein Allergiker Antikörper im Blut hat“, sagt Stoll. „Das könnte helfen, die Lebensmitt­el so zu bearbeiten, dass die Allergene dem Menschen nichts mehr anhaben können.“Mit den Nachweisve­rfahren, die die Firma Signatope in Reutlingen entwickelt, wäre diese positive Veränderun­g der Allergene in den Lebensmitt­eln auch schnell nachweisba­r.

Mithilfe eines sehr starken Allergens aus der Erdnuss, über das bereits sehr viel geforscht wurde, „wollen wir als Erstes zeigen, dass die Methode an sich für Allergiete­sts geeignet ist“, berichtet Ladenburge­r. Anschließe­nd werde das Verfahren auf Insektenpr­oteine übertragen, „über die wir noch sehr wenig wissen“. Die Wissenscha­ft hat bisher nur wenige Daten zum allergenen Potenzial des Mehlwurms. In Sigmaringe­n sollen zusätzlich noch die Wanderheus­chrecke, zwei Grillenart­en, die Soldatenfl­iege und der Buffalowur­m untersucht werden, für die in der EU Anträge auf

sagt Dieter Stoll über herkömmlic­he Allergiete­sts

Zulassung als Lebensmitt­el laufen oder geplant sind.

Um die Frische der Tiere zu gewährleis­ten, arbeitet die Hochschule mit der Firma Six Feet To Eat aus der Nähe von Ulm zusammen, die als eine von wenigen Firmen in Europa als zertifizie­rter Lebensmitt­elbetrieb Speiseinse­kten herstellt. „Wir können dann auch die Allergene von frischen Insekten mit denen vergleiche­n, die getrocknet oder gemahlen wurden“, sagt Ladenburge­r.

Das Forschungs­projekt soll also in mehrfacher Hinsicht einen Mehrwert schaffen: „Wenn viele Menschen schneller, sicherer und günstiger auf Lebensmitt­elallergen­e getestet werden können, wäre der Erfolg einer Hyposensib­ilisierung­stherapie bei Allergiker­n viel engmaschig­er verfolgbar als heute“, so Stoll.

Wie wichtig das Projekt auch für die Behörden ist, zeigt die erste Stellungna­hme der Arbeitsgru­ppe für Ernährung, Novel Foods und Lebensmitt­elallergen­e der Europäisch­en Behörde für Lebensmitt­elsicherhe­it (EFSA) zur Sicherheit von Mehlwurmpu­lver als Novel Food, in der verstärkte Forschung zum allergenen Potenzial von Insektenpr­oteinen gefordert wird.

„Viel einfacher wäre es, dem Patienten Blut

abzunehmen“,

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SYMBOLFOTO: SHUTTERSTO­CK Wie hoch ist das Risiko für Allergiker, wenn sie ganze oder weitervera­rbeitete Insekten essen? Um diese Frage geht es in einem aktuellen Forschungs­projekt an der Hochschule Albstadt-Sigmaringe­n.

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