Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Auslandsaufenthalt könnte Strafe mildern
27-Jähriger ist wegen Volksverhetzung angeklagt – Indiziensuche verzögert das Verfahren
- Das Verfahren gegen einen 27-Jährigen aus einer Gemeinde rund um Sigmaringen, der unter anderem wegen Volksverhetzung und Verbreitung kinderpornografischer Inhalte angeklagt war, geht weiter. Nachdem bei einem ersten Termin im Juli noch Fragen offengeblieben sind, hat das Amtsgericht Sigmaringen nun einen Anklagepunkt eingestellt. Trotzdem wird es einen weiteren Termin geben müssen.
Angaben zu den elf Anklagepunkten machte der 27-Jährige nicht. Dennoch wird dem Studenten zur Last gelegt, dass er im August 2019 in mehreren Whatsapp-Gruppen mit Hunderten Mitgliedern rechtswidrige Inhalte geteilt haben soll. Darunter waren mehrere Fotos von Hitler. Auf einem ist sinngemäß die an Migranten gerichtete Aufforderung abgebildet, zu würfeln und danach zu sterben. Ein anderes vom Angeklagten geteiltes Foto zeigt Soldaten mit zerfleischten Menschen, ein weiteres einen schwarzen Menschen in einem Loch mit der Aufschrift „Negatief“. Wegen dieser Bilder muss sich der Mann wegen Volksverhetzung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verantworten.
Doch das ist nicht alles: Auch pornografische Fotos hat er in den Whatsapp-Gruppen verschickt, darunter eine Fotomontage, die Angela Merkel beim Geschlechtsverkehr zeigt, sowie das Bild einer Jugendlichen zusammen mit einem erigierten Glied. Wegen dieses Fotos stand sogar die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Raum. Doch dieser Anklagepunkt wurde fallengelassen, weil sich nicht klären ließ, wie jung das abgebildete Mädchen tatsächlich ist – ein Grund, warum das Verfahren im Juli unterbrochen worden ist. Nicht zuletzt wird dem Studenten auch vorgeworfen, Marihuana besessen zu haben. Es handelte sich einmal um 3,7 und einmal um 0,4 Gramm.
An diesem Punkt setzte Verteidiger Harald Müller an und warf Richterin
Kristina Selig vor, etwas verhandeln zu wollen, das gar nicht strafbar sei. Die insgesamt 4,1 Gramm Marihuana seien in BadenWürttemberg als eine geringe Menge einzustufen. Hinzu kommt laut Müller, dass der Angeklagte nicht vorbestraft und somit kein Wiederholungstäter sei.
Auch die übrigen Anklagepunkte focht Müller an. Sein Mandant sei zum Tatzeitpunkt im Ausland gewesen. Damals, so Richterin Selig auf Nachfrage der SZ, sei die Verbreitung verfassungswidriger Kennzeichen nur dann strafbar gewesen, wenn sie aus dem Inland verschickt wurden.
Zwischenzeitlich habe sich die Rechtslage zwar verändert, aber das habe keinen Einfluss mehr aufs Verfahren. Diese Rechtslage machte sich Müller zunutze. Die im Juli von ihm geforderten Beweisanträge hatte das Gericht zuvor zurückgewiesen.
Das warf Müller Richterin Selig während der Verhandlung vor. Konkret kritisierte er die Entscheidung, dass es kein Gutachten zur Wahrnehmung
der pornografischen Fotos geben wird. „Jeder nimmt ein Bild anders auf, deshalb geht es doch eigentlich darum, wie die Fotos von der Mehrheit wahrgenommen werden“, sagte er. Eine repräsentative Umfrage sei notwendig. „Das Gericht hat eine hohe Meinung von sich, wenn es die Fotos so beurteilen kann“, stichelte er gegen Selig.
Was Licht ins Dunkel hätte bringen können, wäre die Aussage der mit dem Fall betrauten Polizistin. Doch diese ist laut Selig derzeit hochschwanger und falle daher mindestens zwei Monat als Zeugin aus.
Letztlich einigten sich Staatswaltschaft, Verteidigung und Selig darauf, die Bankkonten des Angeklagten zu überprüfen, um festzustellen, ob er am Tattag in Deutschland Geld abgehoben hat. Das wäre ein Indiz, so Selig. Um auch die Polizistin als Zeugin hören zu können, wird es in zwei Monaten einen weiteren Verhandlungstermin geben. Sollte der Student verurteilt werden, drohen ihm bis zu sechs Monate Freiheitsstrafe mit Bewährung.