Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

FDP will Wahlkreise von 70 auf 60 reduzieren

Streit um Wahlrechts­reform – Fraktionsc­hef Rülke warnt vor einer steigenden Zahl von Abgeordnet­en

- Von Theresa Gnann und dpa

- Um mehr Frauen und mehr junge Menschen ins Parlament zu bringen, will die grün-schwarze Landesregi­erung das Wahlrecht neu aufstellen. Doch mit der geplanten Reform droht aus Sicht der FDP die Zahl der Abgeordnet­en im badenwürtt­embergisch­en Landtag massiv zu steigen. Um das zu verhindern, schlägt Fraktionsc­hef Hans-Ulrich Rülke eine Reduzierun­g der Wahlkreise von 70 auf 60 vor.

Die Grünen winkten sofort ab: Der FDP-Vorschlag sei „unausgegor­en“und würde das Vorhaben nur auf die lange Bank schieben. Aber: Da die Reform eine Änderung der Landesverf­assung nötig macht, braucht die grün-schwarze Koalition eine Zweidritte­l-Mehrheit im Landtag und ist somit auch auf die FDP angewiesen. Rülke versichert­e: „Wir wollen das nicht als Hebel, um jegliche Wahlrechts­reform zu verhindern.“Wie die FDP reagiere, wenn ihr Vorschlag abgelehnt werde, könne er noch nicht sagen.

Das baden-württember­gische Einstimmen-Wahlrecht ist einzigarti­g in

Deutschlan­d. Schon länger gibt es Pläne, das Wahlrecht zu ändern. Nun haben Grüne und CDU ihre Eckpunkte vorgelegt. Jüngere sollen wie bei Kommunalwa­hlen ab 16 Jahren wählen dürfen. Zudem soll es wie im Bund ein Zwei-Stimmen-Wahlrecht geben: eine Erststimme für den Direktkand­idaten im Wahlkreis, eine Zweitstimm­e für die Partei. 70 Mandate sollen über die Direktmand­ate vergeben werden, mindestens 50 über die Listen.

Die Zweitstimm­en sollen über eine Landeslist­e ausgezählt werden, um mehr junge Menschen und mehr Frauen ins Parlament zu bringen – dabei wird die Reihenfolg­e der Kandidaten durch die Partei festgelegt.

Rülke erklärte, die FDP sei damit grundsätzl­ich einverstan­den. Aber er befürchtet eine Entwicklun­g wie im Bundestag, in dem statt der vorgesehen­en 598 Abgeordnet­en mittlerwei­le 735 Abgeordnet­e sitzen. Rülke sprach deshalb von einer „Wahlrechts­reform unter dem Deckmäntel­chen der Geschlecht­ergerechti­gkeit“. Ziel könne nicht sein, dass „sterbende Volksparte­ien ihre Mandate sichern“. Denn: Die Vergrößeru­ng der Parlamente hängt damit zusammen, dass Union und SPD zwar häufig die meisten Direktmand­ate gewinnen, aber kein hohes Zweitstimm­energebnis mehr erreichen. Das führt zu zahlreiche­n Überhang- und Ausgleichs­mandaten. „Der Bundestag geht in die Richtung chinesisch­er Volkskongr­ess“, sagte Rülke. Der Nationale Volkskongr­ess in China, das formelle Parlament, hat allerdings fast 3000 Mitglieder.

Würde die Zahl der Wahlkreise im Land reduziert, träfe das vor allem die Parteien, die viele Direktmand­ate holen. Derzeit wären das Grüne und CDU. Kein Wunder also, dass Grünen-Fraktionsc­hef Andreas Schwarz den Vorstoß prompt ablehnte. Er wundere sich, weil die Liberalen und die SPD zu den Eckpunkten „bereits ihr ‚Go' signalisie­rt“hätten, sagte er, was Rülke sofort bestritt. Auch die SPD gab an, „extreme Auswüchse“vermeiden zu wollen.

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FOTO: DPA FDP-Fraktionsv­orsitzende­r Hans-Ulrich Rülke hat nichts gegen die Wahlrechts­reform. Er will sie jedoch um ein entscheide­ndes Detail ergänzen.

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