Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Schulschließungen haben Kinder schwer belastet
Studie untersucht Auswirkungen von Corona-Maßnahmen – Kassenärzte-Chef weiter für „Freedom Day“
(AFP/dpa) - Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, erwartet nach der Korrektur der offiziellen Impfquote durch das Robert-KochInstitut baldige Lockerungen von Corona-Restriktionen. „Mit einer zu niedrigen Impfquote kann man nun nicht mehr für Corona-Maßnahmen argumentieren“, sagte Gassen der „Bild“-Zeitung. „Der Freedom-Day rückt näher.“
Die Impfquote unter den Erwachsenen in Deutschland ist einer neuen Erhebung des Robert-Koch-Instituts (RKI) zufolge höher als bislang angenommen. Es sei „in der Erwachsenenbevölkerung von einem Anteil mindestens einmal Geimpfter von bis zu 84 Prozent und einem Anteil vollständig Geimpfter von bis zu 80 Prozent auszugehen“, hieß es in der Auswertung des neuen ImpfquotenMonitorings.
Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte am Donnerstag auf Grundlage der neuen RKI-Erhebung einen Teil der Corona-Regeln für verzichtbar erklärt. Deutschland könne nunmehr allein mit den 3G-Regeln für Innenräume sowie den Schutzmasken in Bus und Bahn gut durch Herbst und Winter kommen.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach nannte die neuen RKI-Daten plausibel. Trotzdem reiche dies noch nicht für einen „Freedom Day“– also ein Ende aller Beschränkungen. „Ein paar Wochen 2G und gute Impfangebote würden helfen“, schrieb Lauterbach bei Twitter.
Der Grünen-Politiker Dieter Janecek nannte es in der „Bild“„bemerkenswert“, „dass die Regierung so kurz nach der Wahl jetzt plötzlich ihre Strategie ändert“. „Aufgrund der polarisierten Debatte in Deutschland hat man sich das vor der Wahl offensichtlich nicht getraut“, fügte er hinzu.
Und der Virologe Klaus Stöhr mutmaßte in der „Bild“: „Offensichtlich hat man geglaubt, dass man so mehr Wählerstimmen bekommt. Denn die Älteren sind am meisten von Corona betroffen – und sie stellen die größte Wählergruppe.“
An Schulen könnte sich vorerst nicht viel ändern: Eine schnelle Aufhebung
von Corona-Maßnahmen sollte es nach Ansicht der Kultusminister der Länder nicht geben. Sie begründeten das am Freitag nach Beratungen unter anderem damit, dass sie erneute Schließungen und auch Schließungsdebatten verhindern wollen. Maßnahmen wie die Maskenpflicht und Tests an Schulen sind nach Ansicht der Kultusministerkonferenz-Präsidentin, der brandenburgischen Bildungsministerin Britta Ernst (SPD), weiterhin notwendig. Eine komplette Abschaffung von einem auf den anderen Tag werde es nicht geben. Sie begründete das mit der Abwägung, die dabei getroffen werden müsse: Das Robert-Koch-Institut
(RKI) empfehle, an den Masken festzuhalten – anders als die Kinderund Jugendärzte, die davon abrieten. „Ich hoffe sehr, dass wir irgendwann diese Maßnahmen nicht mehr brauchen.“Das sei aus ihrer Sicht spätestens irgendwann im nächsten Jahr der Fall. Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) begründete die Aufrechterhaltung der Maßnahmen an vielen Schulen auch mit den Erfahrungen aus dem vergangenen Winter. Da hätten sich die Kultusminister für ihre Position, die Schulen möglichst offen zu halten, heftig gegen Angriffe und Vorwürfe wehren müssen.
Einer Analyse der Hilfsorganisation Save the Children zufolge hat es durch Corona-Lockdowns weltweit einen „besorgniserregenden Zuwachs“an Fällen von Depressionen, Angstzuständen, Einsamkeit und sogar Selbstgefährdung bei Kindern gegeben.
Ausgewertet wurden Umfrageergebnisse von mehr als 13 000 Kindern in 46 Ländern. 83 Prozent berichteten demnach über einen Anstieg von negativen Gefühlen aufgrund der Pandemie. Diese Gefühle zeigten sich bei der Mehrheit der Kinder weitaus stärker, nachdem Schulen bereits über 17 Wochen geschlossen waren. Die Corona-Maßnahmen seien wichtig, um die Ausbreitung von Covid-19 einzudämmen. Aber soziale Isolation könne bei Kindern Angst und Depressionen hervorrufen, sagte Marie Dahl, Leiterin des Bereichs psychische Gesundheit von Save the Children.