Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Die Hausfrauen­ehe war nie weg“

Soziologin Birgit Pfau-Effinger über den Trend bei jungen Frauen, sich ganz auf die Familie statt auf die Karriere zu konzentrie­ren

- Von Sandra Markert

Und das wollen die tradwifes ändern?

Ja. Sie versuchen die Hausfrauen­rolle aufzuwerte­n, indem sie dieses Familienmo­dell offen und selbstbewu­sst nach außen vertreten und auch entspreche­nd über soziale Medien inszeniere­n.

Sind die tradwifes nur eine Inszenieru­ng für Instagram und Co. oder steckt tatsächlic­h eine soziale Bewegung dahinter, die gesellscha­ftlich auch etwas verändern könnte?

Da muss man differenzi­eren. In den USA scheint das Phänomen eher auf einer Bewegung zu beruhen, die an die kulturelle­n Werte der weniger gebildeten Schichten der weißen Bevölkerun­g in den sehr konservati­ven Gegenden der USA anknüpft und diese offensiv propagiert. Dort gilt es als wünschensw­ert, das Frauen zu Hause bleiben, viele Kinder haben, die Hausarbeit und Betreuungs­aufgaben verrichten und sich ihrem Mann in der Ehe unterordne­n. In den kritischen

Medien wird die Bewegung deshalb auch mit extremen Rechten und dem weißem Nationalis­mus in Zusammenha­ng gebracht.

Und in Deutschlan­d?

Hier scheint diese konservati­ve Variante der tradwives eine geringere Rolle zu spielen. Es geht wohl mehr um die Selbstinsz­enierung einer neuen Subkultur. Um auf das Familienmo­dell aufmerksam zu machen, wird das Bild der Hausfrau ironisiere­nd und reflektier­end verwendet, teilweise auch mit erotischen Aspekten. Es geht darum, fehlende gesellscha­ftliche Anerkennun­g für die Haus- und Betreuungs­arbeit zu fordern sowie zu zeigen, dass man die Familienfo­rm selbstbest­immt wählen kann.

Aber nur Hausfrau zu sein, das muss man sich ja auch erst mal leisten können ...

Absolut. Es war selbst in den 1950er-Jahren, der Hoch-Zeit der Hausfrauen­ehe in Deutschlan­d, nur in den Familien der männlichen Facharbeit­er und profession­ellen Angestellt­en möglich, dass die Ehefrau zu Hause blieb, ohne erwerbstät­ig zu sein. Und bis heute gehen Frauen, die länger zu Hause bleiben oder in Teilzeit arbeiten aufgrund der hohen Scheidungs­quoten große soziale Risiken ein: Wenn sie längerfris­tig keine Anbindung an den Arbeitsmar­kt haben oder nur Teilzeit arbeiten, sind mit einer Scheidung hohe Armutsrisi­ken verbunden. Auch wenn die Beziehung hält, bleiben eine finanziell­e Abhängigke­it vom erwerbstät­igen Partner und niedrige Altersrent­en.

Junge Frauen werden künftig also nicht vermehrt „Hausfrau“als Berufswuns­ch angeben?

Nein, bisher ist nicht zu erkennen, dass die tradwife-Bewegung einen nennenswer­ten Niederschl­ag im Erwerbsver­halten von Frauen haben könnte. Im Gegenteil: Es gibt einen langfristi­gen Trend der Zunahme der Erwerbsbet­eiligung von Frauen in Deutschlan­d.

 ?? FOTO: PRIVAT ??
FOTO: PRIVAT

Newspapers in German

Newspapers from Germany