Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Die Hausfrauenehe war nie weg“
Soziologin Birgit Pfau-Effinger über den Trend bei jungen Frauen, sich ganz auf die Familie statt auf die Karriere zu konzentrieren
Und das wollen die tradwifes ändern?
Ja. Sie versuchen die Hausfrauenrolle aufzuwerten, indem sie dieses Familienmodell offen und selbstbewusst nach außen vertreten und auch entsprechend über soziale Medien inszenieren.
Sind die tradwifes nur eine Inszenierung für Instagram und Co. oder steckt tatsächlich eine soziale Bewegung dahinter, die gesellschaftlich auch etwas verändern könnte?
Da muss man differenzieren. In den USA scheint das Phänomen eher auf einer Bewegung zu beruhen, die an die kulturellen Werte der weniger gebildeten Schichten der weißen Bevölkerung in den sehr konservativen Gegenden der USA anknüpft und diese offensiv propagiert. Dort gilt es als wünschenswert, das Frauen zu Hause bleiben, viele Kinder haben, die Hausarbeit und Betreuungsaufgaben verrichten und sich ihrem Mann in der Ehe unterordnen. In den kritischen
Medien wird die Bewegung deshalb auch mit extremen Rechten und dem weißem Nationalismus in Zusammenhang gebracht.
Und in Deutschland?
Hier scheint diese konservative Variante der tradwives eine geringere Rolle zu spielen. Es geht wohl mehr um die Selbstinszenierung einer neuen Subkultur. Um auf das Familienmodell aufmerksam zu machen, wird das Bild der Hausfrau ironisierend und reflektierend verwendet, teilweise auch mit erotischen Aspekten. Es geht darum, fehlende gesellschaftliche Anerkennung für die Haus- und Betreuungsarbeit zu fordern sowie zu zeigen, dass man die Familienform selbstbestimmt wählen kann.
Aber nur Hausfrau zu sein, das muss man sich ja auch erst mal leisten können ...
Absolut. Es war selbst in den 1950er-Jahren, der Hoch-Zeit der Hausfrauenehe in Deutschland, nur in den Familien der männlichen Facharbeiter und professionellen Angestellten möglich, dass die Ehefrau zu Hause blieb, ohne erwerbstätig zu sein. Und bis heute gehen Frauen, die länger zu Hause bleiben oder in Teilzeit arbeiten aufgrund der hohen Scheidungsquoten große soziale Risiken ein: Wenn sie längerfristig keine Anbindung an den Arbeitsmarkt haben oder nur Teilzeit arbeiten, sind mit einer Scheidung hohe Armutsrisiken verbunden. Auch wenn die Beziehung hält, bleiben eine finanzielle Abhängigkeit vom erwerbstätigen Partner und niedrige Altersrenten.
Junge Frauen werden künftig also nicht vermehrt „Hausfrau“als Berufswunsch angeben?
Nein, bisher ist nicht zu erkennen, dass die tradwife-Bewegung einen nennenswerten Niederschlag im Erwerbsverhalten von Frauen haben könnte. Im Gegenteil: Es gibt einen langfristigen Trend der Zunahme der Erwerbsbeteiligung von Frauen in Deutschland.