Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Eine gute OP-Vorbereitung senkt die Risiken
Gründliche Untersuchungen vor einem Eingriff sind enorm wichtig – Auch auf das Verhalten der Patienten kommt es an
Wenn die Entscheidung für ein künstliches Gelenk gefallen ist, blicken viele Menschen der Operation mit Sorge entgegen. Was kommt auf sie zu? Wird alles reibungslos verlaufen? Besonders gefürchtet sind Infektionen an den Gelenkprothesen, die sowohl kurz nach dem Eingriff, als auch Jahre später entstehen können. Sie treten zwar selten auf, ziehen aber schwierige, langwierige Behandlungen nach sich. Durch eine gezielte Vorsorge lassen sich solche Gefahren verringern. „Eine gute Vorbereitung spielt eine gravierende Rolle, um das Komplikationsrisiko beim Einsatz künstlicher Gelenke zu senken“, betont Professor Karl-Dieter Heller, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik und Chefarzt der Orthopädischen Klinik Braunschweig. Dabei kommt es auch auf das Verhalten der Patienten an.
So haben zum Beispiel Raucher schlechtere Voraussetzungen. Auch starkes Übergewicht, Begleiterkrankungen wie Diabetes, bestimmte Medikamente sowie akute Infektionen können sich negativ auswirken. Auf manche dieser Faktoren können Patienten gezielt Einfluss nehmen, etwa durch einen Nikotinverzicht: Wer sechs Wochen vor und nach dem Eingriff nicht raucht, halbiert sein rauchbedingtes Komplikationsrisiko, wie die Orthopäden Nikolaus Böhler und Li Felländer-Tsai in einem Aufsatz für die „Zeitschrift für Orthopädie und Unfallchirurgie“darlegen. Bei Rauchern heilen Wunden schlechter, außerdem kommt es leichter zu Infektionen an den Prothesen. Hintergrund ist den Autoren zufolge, „dass Rauchen neben den Nikotinschäden den Gehalt an Kohlenmonoxiden und Cyanwasserstoffen im Blut erhöht und damit zu einer reduzierten Sauerstoffversorgung des Gewebes führt“. Diese Schäden bilden sich – anders als Nikotinschäden – schnell zurück, wenn man mit dem Rauchen aufhört.
Auch starkes Übergewicht ist problematisch, und das gleich aus mehreren Gründen. Zum einen ist der operative Zugang zum Gelenk bei adipösen Patienten schwieriger. Zum anderen kann es leichter zu Komplikationen, allen voran Wundheilungsstörungen und Infektionen kommen: Da die Fettschicht und die darüberliegende Haut schlechter durchblutet werden, sind die Wundränder unterversorgt, sodass die Wunde schlechter verheilt. Überdies kann sie sich leichter entzünden. Ist der Eingriff von langer Hand geplant, sollten übergewichtige Patienten daher eine Gewichtsreduktion in Angriff nehmen. „Kurz vor der OP abzunehmen, ist nicht sinnvoll. Das muss man langfristig machen“, sagt Heller. Wer nämlich sehr schnell viel Gewicht verliert, kann in einen katabolen Stoffwechsel, in dem Nährstoffe abgebaut werden, hineingeraten. „Auch der ist mit Risiken behaftet, unter anderem mit Infektionsrisiken.“Bei Diabetikern ist es unerlässlich, dass ihre Situation bei Voruntersuchungen erfasst und ihr Stoffwechsel überwacht wird. Die Therapie sollte so angepasst werden, dass der Eingriff möglichst gefahrlos stattfinden kann – auch hier ist die Mitarbeit der Patienten gefordert. Sind die Blutzuckerwerte zu hoch, steigt die Gefahr von Komplikationen.
Eine gesunde, heile Haut ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass keine Probleme auftreten. „Wichtig ist, dass man sich vor dem Eingriff nicht verletzt“, sagt Heller. „Man sollte insgesamt pfleglich mit sich umgehen.“Schon kleine Schürfwunden und Kratzer sind nämlich ein Grund, die Operation zu vertagen, da über Verletzungen Keime einwandern können. Auch Pilzinfektionen, die sich leicht an Leisten oder Achselhöhlen bilden, erhöhen das Infektionsrisiko nach dem Eingriff. Zähne und Nägel sollten ebenfalls frei von Entzündungen sein. „Gründliche Voruntersuchungen sind existenziell wichtig“, betont Heller. „Man muss sich alles genau ansehen und erfragen, um sicher zu gehen.“Dabei sind auch Medikamente ein Thema: Bestimmte davon, etwa Blutverdünner oder immunsuppressiv wirkende Mittel, müssen nämlich vor der Operation abgesetzt werden. Man tut daher gut daran, sich alle Medikamente und ihre Dosierung aufzuschreiben und die Liste bei der Untersuchung vorzulegen. Ein gutes Krankenhaus wird auch darauf achten, dass die Patienten eine möglichst geringe „Keimlast“haben, wie Heller erklärt. Eine Möglichkeit dazu ist, sie vor der stationären Aufnahme auf multiresistente Keime zu testen.
Inzwischen finden in vielen Kliniken – unter den Stichworten Fast Track oder Rapid Recovery – vorbereitende Seminare statt, in denen der anstehende Eingriff genau erklärt wird und weitere Informationen zu Vorbereitung und Nachsorge gegeben werden. Dazu werden die Patienten ein paar Wochen vor der Operation eingeladen.
Häufig absolvieren Teilnehmer dabei schon erste „Trockenübungen“mit Gehstützen auf dem Gang und an den Treppen, um besser auf die Situation nach dem Eingriff vorbereitet zu sein. Da das Komplikationsrisiko bei Patienten geringer ist, die körperlich fit sind, werden heute mitunter maßgeschneiderte Trainingsprogramme zur Prähabilitation angeboten. Grundsätzlich gilt: Je fitter ein Patient zur Operation geht, desto größer sind seine Chancen, dass er sie gut übersteht und bald wieder aktiv sein kann.