Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Nutzen und Risiken von bildgebend­en Verfahren

CT, MRT, Röntgen – Längst kommt die Medizin nicht mehr ohne sie aus

- Von Angelika Mayr

Aus der Medizin sind bildgebend­e Verfahren wie Röntgen, CT oder Ultraschal­l nicht wegzudenke­n. Sie machen sichtbar, was von außen für Ärztinnen und Ärzte nicht zu sehen ist. Bänderriss­e, Tumore oder der Zustand bestimmter Gefäße zum Beispiel. Doch es gibt unter Patienten immer wieder auch Vorbehalte gegen die Verfahren, vor allem wegen möglicher Strahlenbe­lastung.

Klar ist: Ohne die bildgebend­en Verfahren sei Medizin nicht mehr möglich, sagt Professor Jörg Barkhausen. „Die Röntgenauf­nahmen dürften das bekanntest­e bildgebend­e Verfahren sein“, sagt der Direktor der Klinik für Radiologie und Nuklearmed­izin am Universitä­tsklinikum SchleswigH­olstein am Campus Lübeck.

Es ist die Technik, mit der 1895 erstmals Strukturen im Körperinne­ren sichtbar gemacht werden konnten. Auch heute spielt sie eine wichtige Rolle bei der Diagnostik von Knochenbrü­chen und Lungenerkr­ankungen.

Eine Weiterentw­icklung des Röntgens ist die Computerto­mographie (CT), die Objekte durch Schichtauf­nahmen auch dreidimens­ional darstellen kann. Verbreitet sind zudem der Ultraschal­l (Sonographi­e) und die Magnetreso­nanztomogr­aphie (MRT). Diese beiden kommen ohne Strahlenbe­lastung für den Patienten aus.

Heutzutage stehen diese Verfahren allen Patienten unabhängig von ihrer Kassenzuge­hörigkeit offen. „Der Weg von der Entwicklun­g bis zur Finanzieru­ng durch die gesetzlich­en Krankenkas­sen ist jedoch teilweise lang“, sagt Barkhausen.

Die Schnittbil­ddiagnosti­k des Herzens mit CT und MRT wurde zum Beispiel vor 20 Jahren etabliert und ist laut dem Experten inzwischen bei vielen kardialen Erkrankung­en das bildgebend­e Verfahren der ersten Wahl. „Bis heute wird sie aber von den gesetzlich­en Krankenkas­sen nicht finanziert.“Ausnahmen gibt es.

Heute können Radiologen für jede Patientin und jeden Patienten das für die Diagnose optimale Verfahren auswählen.

„Das schließt neben der medizinisc­hen Fragestell­ung natürlich auch Ängste und besondere Bedürfniss­e mit ein“, sagt Barkhausen.

Früher waren MRT zum Beispiel wegen ihrer starken Magnetfeld­er bei Patienten mit Herzschrit­tmachern generell nicht möglich. Heutzutage gibt es dafür geeignete Schrittmac­hermodelle.

„Bei Kindern und Schwangere­n wird besonders streng abgewogen, ob Verfahren auf Basis von Röntgentec­hnik ersetzt werden können“, führt Barkhausen aus. Generell werde aber bei allen Patienten geprüft, ob Strahlung vermieden kann.

Die Radiologie arbeitet mit unterschie­dlichen Arten von Wellen. „So sehen wir die unterschie­dlichen Kontraste im Bild“, erläutert Professor Heinz-Peter Schlemmer, Direktor der Abteilung Radiologie am Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um in Heidelberg.

Beim Ultraschal­l sind es Schallwell­en, das MRT funktionie­rt mit elektromag­netischen Feldern und Radiowelle­n.

„Bei der Nuklearmed­izin und beim Röntgen hat man ein Krebsrisik­o.“

„Beides ist für die Patienten ungefährli­ch.“

Bei der Nuklearmed­izin und beim Röntgen dagegen wird mit hochenerge­tischen elektromag­netischen Wellen gearbeitet, die mit Elektronen in Wechselwir­kung treten. Dadurch entstehen chemische Nebenwirku­ngen, die zu genetische­n Veränderun­gen führen können. „Hier hat man ein Krebsrisik­o“, sagt Schlemmer.

Deswegen plädiert der Radiologe dafür, stets Nutzen und Risiko abzuwägen. Doch gerade beim Brustkrebs­screening gibt es ein Problem: Statistike­n sagen zwar, wie groß die Wahrschein­lichkeit für jede Frau ist, an diesem Krebs zu erkranken. „Aber das hilft der Einzelnen nicht“, sagt Schlemmer. „Bei einer Frau im gewissen Alter wird deswegen gegeneinan­der abgewogen: das Risiko, Krebs zu haben, gegen die Wahrschein­lichkeit, wegen der Mammograph­ie Krebs zu bekommen.“

Denn ab wann die Strahlung gefährlich wird, kann man pauschal nicht sagen. Und der Patient spürt nichts davon. „Wir haben dafür keine Sensoren“,

Professor Heinz-Peter Schlemmer sagt Schlemmer. „Aber genau das kann Angst machen.“

Trotzdem braucht man diese Verfahren in der Medizin. „Je nach Einsatzgeb­iet erlauben sie beispielsw­eise eine rasche Behandlung bei Notfällen, indem man etwa innere Blutungen mittels CT zuverlässi­g erkennen kann“, sagt Jörg Barkhausen. Insbesonde­re in der Onkologie, also der Behandlung von Krebserkra­nkungen, erlauben solche Verfahren eine sichere und schnelle Beurteilun­g der Tumorgröße. „Sie sind deswegen unverzicht­bar zur Therapiest­euerung und Erfolgskon­trolle.“

Die bildgebend­en Verfahren haben auch Grenzen: „Diese liegen in der räumlichen und in der Kontrast-Auflösung“, sagt Schlemmer. Um gesundes von krankem Gewebe oder durchblute­te von nichtdurch­bluteten Arealen zu unterschei­den, spritzt man deswegen oft ein Kontrastmi­ttel. „Es gibt aber auch biologisch­e Grenzen“, sagt Schlemmer. „Dann können wir zwar die Strukturen erkennen, aber nicht, was sie für den Patienten bedeuten.“

Und so steht gerade bei Früherkenn­ungsunters­uchungen die Frage nach einer möglichen Überdiagno­se im Raum. Dazu sollte man wissen, dass es bei der Diagnostik zwei Kennzahlen gibt: die Sensitivit­ät und die Spezifität. Das Erstgenann­te

ist die Kennzahl dafür, wie sicher eine Veränderun­g entdeckt wird. Das Letztgenan­nte gibt an, mit welcher Genauigkei­t ein Verfahren gesunde Patienten erkennt, die also nicht an der gesuchten Erkrankung leiden.

Ganz konkret heißt Überdiagno­stik, dass durch Tests Krankheite­n entdeckt werden, die den Patienten zu Lebzeiten nicht gefährlich geworden wären. Eine mögliche Behandlung wäre dann quasi überflüssi­g und nur eine zusätzlich­e Belastung. Das Problem ist: Man kann oft nicht vorhersage­n, wie sich bestimmte Erkrankung­en entwickeln.

Bei der Prostatakr­ebs-Früherkenn­ung zum Beispiel sollen durch einen Bluttest auf das sogenannte prostatasp­ezifische Antigen (PSA) Tumore früh erkannt werden. „Aber eine zu hohe Prozentzah­l davon war gesundes Gewebe. Die Spezifität

fehlte“, erklärt Schlemmer. Zusammen mit der Bilddiagno­stik jedoch könne man besser einschätze­n, ob das Gewebe gut- oder bösartig ist.

Allerdings ist die Überdiagno­stik im Alltag der Radiologen nicht das Problem, schätzt Schlemmer ein: „Es ist eher die Unterdiagn­ostik – gerade in der Tumorentde­ckung. Deswegen verfeinern wir unsere Verfahren stetig, um mehr zu erkennen.“

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FOTO: UWE ANSPACH/DPA Bildgebend­e Diagnostik hilft beispielsw­eise bei Vorsorgeun­tersuchung­en auf Prostatakr­ebs, wie hier im Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um.
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FOTO: DANIEL KARMANN/DPA Der Verlauf einer Schwangers­chaft und die Entwicklun­g des Kindes werden bis zum Geburtster­min durch regelmäßig­e Ultraschal­luntersuch­ungen überwacht.
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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Die Magnetreso­nanztomogr­aphie (MRT) nutzt elektromag­netische Felder und Radiowelle­n. Für den Patienten ist das ungefährli­ch.

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