Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Jazzige Streichele­inheiten für die Seele

Steven Santoro liefert Jazz-Konzert der Extraklass­e

- Von Johannes Koch

- Es war ein Abend der großen Gefühle, als Steven Santoro gemeinsam mit dem Walter Fischbache­r Trio in den Lichthof des Alten Klosters lud. „Ich bin kein religiöser Mensch“, sagte der US-amerikanis­che Sänger, der unter anderem mit Sting auf Tour war und derzeit am renommiert­en Berklee College Dozent für Gesang ist, zu Beginn. „Aber ich denke viel nach über das Leben“.

Bereits das langsame, fast entspannt anmutende „Blew It“legte die Messlatte inhaltlich wie musikalisc­h sehr hoch. Von Tiefen, Enttäuschu­ngen, von „Katastroph­en in Sachen Beziehunge­n“erzählte der 58-Jährige, aber auch von tiefer Liebe. Walter Fischbache­r am Klavier, Bassist Petr Dvorsky und Alex Bernath am Schlagzeug legten gekonnt den Teppich, auf dem Santoro seine Stimme über drei Oktaven schweben ließ.

Das schnelle, traditione­ll instrument­ierte, an New York Jazz Standards der 30er-Jahre erinnernde „Whisper My Name“spann den inhaltlich­en Faden weiter, wechselte zwischen dem Weiterlebe­n nach einer zerbrochen­en Liebe und dem Immerwiede­r-Zurückfall­en in vergangene Zeiten. Hier zeigte Walter Fischbache­r sein ganzes Können am Piano. Häufig unisono mit rechter und linker Hand ließ er raffiniert­este Skalen wirken wie ein Kinderspie­l, kombiniert­e fast poppige Motive mit auf Septen und Nonen basierende­n Jazz-Akkorden. Mit seinem Kontrabass griff Petr Dvorsky manche Phrasierun­gen auf und zeigte über das gesamte Griffbrett, was man aus vier tiefen Saiten alles heraushole­n kann. Mitunter spielte Dvorsky derart virtuos, dass Santoro scherzte, er habe wohl nicht aufgepasst, als sein Basslehrer ihm sagte, man solle am Bass wenig und möglichst leise spielen.

Schmunzeln auf der Bühne, Lachen im Publikum. Da passte Chet Bakers Jazz-Standard „My Funny Valentine“bestens ins Programm. Mit verblüffen­der Leichtigke­it bewegte sich Santoros Stimme zwischen Festigkeit und Zerbrechli­chkeit, der schmale Grat zwischen Schönheit und Schmerz, wie Steven Santoro es nannte, war förmlich greifbar. „Gerade während der Corona-Zeit habe ich immer wieder gemerkt, dass die Schönheit und der Tod so nahe beieinande­r liegen, dass Schönheit jeden Moment einfach passieren kann, aber eben auch das Sterben sehr präsent ist“, sagte der Sänger, der genau mit Blick auf diese Spannung ein Streichqua­rtett geschriebe­n hat, das er im Herbst aufnehmen möchte.

Um „Mortality“, also „Sterblichk­eit“ging es in der Sequenz, die er daraus bereits jetzt auf die Bühne brachte. Beim „All Over Again“, dem vielleicht bekanntest­en Stück Santoros, war wieder Aufbruch angesagt. Gelöst hüpfte der Sänger über die Bühne, tanzte zum Groove seines Trios und bewegte seine Stimme wie ein Soloinstru­ment über den entstehend­en Klangteppi­ch. Nach gut zwei Stunden war nach einer Zugabe und viel Applaus von den knapp 100 Besuchern Schluss.

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FOTO: JOHANNES KOCH Steven Santoro

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