Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Bereit zur Krönung
Christian Streich steht im DFB-Pokalfinale vor dem größten Triumph seiner Karriere
- Wie wichtig Christian Streich das größte Spiel seiner Karriere ist, zeigt sich schon an seiner Kleidung. Zur offiziellen Pressekonferenz vor dem DFB-Pokalfinale gegen RB Leipzig am Samstagabend (20.00 Uhr/ARD und Sky) hatte sich der Trainer des SC Freiburg, sonst gerne im Trainingsanzug oder legeren Klamotten unterwegs, ein graues Sakko übergeworfen. Bei der „Krönung seines Wirkens und seines Schaffens“, wie SC-Finanzvorstand Oliver Leki einen möglichen Triumph im Berliner Olympiastadion bezeichnete, soll schließlich auch das Outfit passen.
Dabei weiß Christian Streich sehr wohl, wie sich ein Pokaltriumph anfühlt. Mit der A-Jugend des SportClubs triumphierte er dreimal im DFB-Pokal (2006, 2009, 2011), am Samstag will er erstmals auch bei den Profis den goldenen Pokal in die Höhe recken. Es wäre der Höhepunkt seiner Laufbahn. Ein schönes Erlebnis hat der 56-Jährige schon jetzt sicher. Es sei „wunderbar, hier zu sein“, erklärte der Badener in seiner beliebt kauzigen Art. „Wir freuen uns sehr, dass wir nach so einer außergewöhnlichen Saison für den Verein nun noch dieses absolute Highlight haben.“
In der Liga spielten die Badener bis zum letzten Spieltag um die Champions-League-Plätze mit und zogen als Tabellensechster letztlich in die Europa League ein. Phasenweise hatten sie die beste Defensive, hinten raus ging ihnen aber etwas die Kraft aus.
Nach der erstmaligen Teilnahme an der Königsklasse auch den großen Coup im Pokal zu verpassen, wäre für die Freiburger zwar gewiss keine Schande, würde den guten Gesamteindruck der Saison aber schmälern. „Mit guten Gedanken“sei die Mannschaft in die Hauptstadt gereist, versicherte Kapitän Christian Günter. Der 29-Jährige versuchte genau wie sein Trainer, das größte Spiel der Vereinsgeschichte aber nicht noch größer werden zu lassen. Man gehe „es so an wie sonst auch“.
Man merkt, dass Günter und Streich seit vielen Jahren eng zusammenarbeiten. Dem Trainer geht regelrecht das Herz auf, wenn er über seinen Kapitän spricht. Die Karriere, die Günter hingelegt hat, sei wie „ein kleines Märchen“und „ein Sinnbild“für den Weg der Breisgauer, sagte Streich über seinen Linksverteidiger. Als Günter 17 Jahre alt und er selbst noch
Nachwuchscoach beim Sport-Club war, habe er nicht gewusst, ob das Abwehrtalent es später mal in die erste Liga schafft. Inzwischen ist Günter 269-facher Bundesliga-Profi und sechsmaliger Nationalspieler. Dass er es so weit gebracht hat, habe „viel mit seinem Willen und seiner Einstellung zu tun gehabt“. Der Junge aus dem Schwarzwald, der sich durch Freiburgs Talentschmiede bis ganz nach oben kämpft – ein Fest für jeden Fußball-Romantiker.
Neben Günter haben auch Nicolas Höfler und Jonathan Schmid unter Streich schon den DFB-Pokal der AJunioren gewonnen. Günter ist mittlerweile 29, der zentrale Mittelfeldmann Höfler 32 und Außenbahnspieler Schmid 31 Jahre alt. Dass er in dieser Konstellation und dem gleichen Verein nun erneut ein großes Endspiel mit ihnen bestreitet, sei „etwas ganz Besonderes“und „völlig außergewöhnlich“, findet Streich. Und ganz bestimmt „kein Zufall, dass es in Freiburg so stattfindet“.
Mit ihrem Weg bringen die Breisgauer selbst den Endspielgegner ins Schwärmen. „Das ist kein kleiner Verein mehr“, sagte RB-Trainer Domenico Tedesco, der die Leipziger in ihrem dritten Pokalfinale endlich zum ersten Titel führen möchte, über die Badener. „Der Finaleinzug ist einfach eine Bestätigung.“Eine Bestätigung für eine unglaubliche Entwicklung des SC Freiburg, die so nicht absehbar war, als Streich am 29. Dezember 2011 vom Assistenten zum Chef befördert wurde. In fast aussichtsloser Lage übernahm er vom glücklosen Vorgänger Marcus Sorg – und führte seinen Herzensclub noch souverän zum Klassenerhalt.
Zu diesem Zeitpunkt wurde bereits deutlich, welch überragende Fähigkeiten Streich als Trainer besitzt. Dass der mit Profi-Erfahrung und Lehramtsstudium ausgestattete Metzgersohn
eine Ära prägen würde, dass er eines Tages gar die riesige Chance haben würde, einen DFB-Pokal mit ins beschauliche Breisgau zu bringen, war alles andere als klar. Doch mit viel Fleiß, Know-how und Konstanz arbeiteten sich Streich, sein Team und der gesamte Club beharrlich nach oben. „Dieser Finaleinzug ist kein glücklicher Zufall, sondern der verdiente Lohn für jahrelange gute Arbeit“, meinte Fritz Keller, der dem SportClub 2010 bis 2019 vorstand, ehe er als Präsident zum DFB weiterzog. „Den Titel jetzt zu holen, wäre die Krönung. Vielleicht aber auch nur die vorläufige. Dieses Finale kann für den SC auch eine Zwischenetappe auf dem Weg zur Stabilisierung sein.“
So weit möchte Streich selbst noch gar nicht denken. „Den Pokal zu gewinnen, wäre toll“, sagte er in seiner beliebt bescheidenen Art. „Wenn wir nicht gewinnen, geht die Welt auch nicht unter.“
Dennoch möchte der sonst so freundliche SC Freiburg keine gemeinsamen Fanartikel mit RB haben. Was haben Sie gedacht, als Sie vom „Schal-Gate“gehört haben? Ich würde die ganze Sache nicht zu hoch hängen. Es ist doch völlig okay, wenn ein Verein sagt, er möchte seine eigenen Fanartikel ohne die Logos des Gegners haben. Ganz abgesehen davon wird auch in Freiburg marktwirtschaftlich gedacht – das hat man gesehen, als der SC nach dem Wechselfehler der Bayern Einspruch gegen die Spielwertung eingelegt hat.
Sie waren bei den Anfängen in Leipzig dabei, seitdem ging es für RB steil bergauf. Dennoch fehlt noch immer ein Titel. Wie wichtig wäre ein Erfolg am Samstag?
Es ist schon immer gut, wenn man einen Titel hat und der Verein fix in den Annalen drinsteht. Aber Leipzig wird noch viele Möglichkeiten bekommen – weil das Geld da ist und dort sehr vernünftig gearbeitet wird.