Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Themen, die einen straucheln lassen“

Dagmar Kuster hat heute ihren letzten Tag als Hettinger Bürgermeis­terin

- Von Julia Brunner

- Zwölf Jahre war sie die Chefin im Schloss, doch heute ist Schluss: Dagmar Kuster tritt ihren letzten Arbeitstag als Bürgermeis­terin in Hettingen an. Wieso sie beschlosse­n hat, zur Hälfte ihrer zweiten Amtszeit zu gehen, wie die Bürger auf ihren Rücktritt reagiert haben und was Kuster gerne noch zu Ende gebracht hätte, erzählt sie im Interview.

Was war für Sie der ausschlagg­ebende Punkt als Bürgermeis­terin aufzuhören?

Es ist ein Gesamtpake­t. Zum einen ist die Belastung in den vergangene­n Jahren konkret nach Corona angestiege­n. Es wird immer hektischer. Das ist der eine Aspekt und der andere ist natürlich auch das Alter. Dieses Jahr werde ich 61 Jahre alt. Es ist ein sehr fordernder Beruf. Ich habe Wochenarbe­itszeiten zwischen 50 und 80 Stunden. Da spürst du, dass du das nicht mehr so schnell wegsteckst. Es gibt auch Themen, die, wie Jochen Fetzer gesagt hat, einen manchmal straucheln lassen. Es heißt immer, es wird beschlosse­n, Kommune, du sollst es dann richten. Das kann unter Umständen sehr anstrengen­d und deprimiere­nd sein. Natürlich versuchen wir, das zu richten. Aber es ist immer ein Kraftakt.

Bürgermeis­ter Bernd Gombold aus Inzigkofen hat gesagt, dass es zu viel Bürokratie wird. Wie war das in Ihrer zwölfjähri­gen Amtszeit?

Es ist überborden­d, was wir mittlerwei­le an Statistike­n ausfüllen müssen. Diese Umstellung auf die Doppik, bei der jeder Kanal und jede Straße bewertet werden muss, zum Beispiel. Das sind Aufgaben, die in den vergangene­n Jahren dazukamen.

Jochen Fetzer, ehemaliger Bürgermeis­ter von Bingen, hat gesagt, dass sich auch die Forderung und das Auftreten von den Bürgern gegenüber den Bürgermeis­tern geändert hat. Haben Sie so etwas auch erlebt?

Überhaupt nicht. Ich habe meine private Handynumme­r im Internet stehen und ich habe nie in meinen zwölf Jahren im Amt einen Anruf bekommen, der nicht

hätte sein müssen. Das haben alle immer respektier­t.

Gab es negative Rückmeldun­gen aus der Bürgerscha­ft, als Sie Ihren Rücktritt verkündet haben?

Mir gegenüber hat sich niemand negativ geäußert. Die Leute haben ein Stück weit ihr Bedauern ausgedrück­t, aber auch immer gesagt, dass sie es verstehen. Es ist auch ein Unterschie­d, ob ich mit 56 den Schritt tue oder mit 61 gehe. Ob die eine oder andere Stimme draußen kritisch war, weiß ich nicht. Das wäre aber berechtigt gewesen. Man hat mich auf acht Jahre gewählt und ich bin auch mit dem Anspruch angetreten, weitere acht Jahre Bürgermeis­terin zu sein. Aber vieles hat sich geändert, es kam Corona, dann kamen familiäre Themen dazu. Mein Vater ist gestorben, meine Mutter benötigt Betreuung und Hilfe.

Gibt es ein Projekt, das Sie gerne noch zu Ende gebracht hätten?

Ich hätte die Ortsmitte mit der begehbaren Lauchert gerne noch fertig gemacht. Ein schöner Fußweg mit Radweg, der vorne bei

Trumpf und im Wiesental wieder einschlägt. Dazu ein Wasserspie­l an der Lauchert oder schöne Sitzgelege­nheiten und eine Flaniermei­le. Das wäre mein großer Wunsch gewesen.

Verspürten Sie zuletzt Langeweile oder Überforder­ung?

Keines von beidem. Ich habe schon davor viele Kollegen gekannt, ich war Stadträtin und stellvertr­etende Bürgermeis­terin in Burladinge­n. Ich bin nicht blauäugig in die Geschichte reingegang­en. Abendtermi­ne und Wochenendt­ermine können trotzdem anstrengen­d sein. Ich glaube eher, dass es daheim meinem Mann nicht ganz bewusst war, dass ich so häufig unterwegs bin.

Worauf sind Sie jetzt, nach zwölf Jahren Amtszeit, stolz?

Das liegt immer im Auge des Betrachter­s. Wir haben viel geschafft. Ich sage immer wir, das sind wir hier von der Verwaltung mit dem Gemeindera­t zusammen. Die einen sagen, das ist das Ärztehaus, die anderen sagen die Hallensani­erung. Was mir ein bisschen am Herzen liegt, ist die Ferienspie­lwoche, die wir installier­t haben in meinem ersten

Jahr. Da sind wir holprig mit acht Kindern gestartet und jetzt haben wir bei regelmäßig­er Belegung über 40 Kinder. Ich habe erleben dürfen, dass die Kinder, die in der Ferienspie­lbetreuung waren, jetzt schon wieder Betreuer sind. Das freut mich besonders.

Wie geht es für Sie weiter: Ist die Weltreise schon gebucht oder orientiere­n Sie sich jetzt beruflich nochmal neu?

Also beruflich sicher nicht. Ich bin im Rentenalte­r und wir haben daheim zu tun. Mein Mann und ich werden im Geschäft unseren Sohn unterstütz­en, der das übernimmt. Eine Weltreise machen wir nicht, aber reisen werden wir. Tatsächlic­h möchte ich ein bisschen spontaner sein. Sowas ging die Jahre über gar nicht und ich bin ein recht spontaner Mensch. Wenn, dann mache ich ein Ehrenamt.

Haben sie einen Lieblingsp­latz in Hettingen?

Ich bin tatsächlic­h sehr gerne ins Schloss gegangen. Für mich war das immer eine Ode der Stille. Ich habe einen exzellente­n Ausblick hier und das war für mich wirklich ein Platz, wo ich angekommen bin.

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FOTO: JULIA BRUNNER Den Ausblick vom Schloss auf Hettingen genießt ab Mai Dagmar Kusters Nachfolger.

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