Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ein Klavier als „Orchester“

Im Konzerthau­s spielte das Alliage Quintett

- Von Dorothee L. Schaefer

RAVENSBURG - „Mal was völlig Anderes“war der Eindruck beim Konzert des „Alliage Quintetts“im fast vollbesetz­ten Konzerthau­s. Vier Saxofonist­en und eine Dame am Klavier ergaben nicht nur optisch eine erfreulich­e Erscheinun­g, sondern erfrischte­n mit Arrangemen­ts von Musik des 20. Jahrhunder­ts Ohr und Gemüt. Außerdem bewiesen sie Humor und unerschöpf­liche Spielfreud­e in absoluter Könnerscha­ft.

Vier Saxofone könnten natürlich allein schon den Raum bespielen, aber die zierliche Koreanerin Jang Eun Bae am Klavier schafft es, mit ihrer immer passgenaue­n Begleitung gleichsam die Zwischenrä­ume zwischen den Saxofonpas­sagen geschmeidi­g auszufülle­n. Und doch ist das Klavier als strukturie­rendes „Orchester“immer hörbar und selbst in Stücken, in denen die Saxofone vorwiegend a cappella spielen, gibt es das Format vor.

Das ist ebenso fasziniere­nd an dieser Kammermusi­k wie der unerschöpf­lich variantenr­eiche Klang der Saxofone in vier verschiede­nen Tonlagen, vom graden und schmalen Sopransaxo­fon, das der Primarius, der Kanadier Daniel Gauthier, spielt, bis zum langen Baritonsax­ofon von Sebastian Pottmeier. Beide moderieren auch ein wenig, vor allem der frankofone Daniel Gauthier, der mit charmantem Akzent erklärt, wie es zu dem Programm mit Werken von Bernstein, Schostakow­itsch, Gershwin, Saint-Saëns und Poulenc kommt.

Das Thema ist Paris

Alle Kompositio­nen haben mit Paris zu tun, gleich zu Beginn Bernsteins „Ouvertüre zu Candide“, einem Musical nach Voltaires Bildungsro­man, schmissig, grell pointiert und überaus fröhlich, das Altsaxofon des jüngsten Mitspieler­s Hayrapet Arakelyan und das Tenorsaxof­on von Simon Hanrath sprechen ebenso stark mit. Von Daniel Gauthier stammte das Arrangemen­t von „Fünf Stücken“Schostakow­itschs mit einem wehmütigen Präludium, drei Tänzen und einer Elegie; beim Walzer wurde man sofort an Schostakow­itschs berühmte „Valse triste“erinnert, bei der Polka quiekten die Saxofone vor überschäum­ender Freude. Ein untypische­r Schostakow­itsch, hinter dessen Werk die Bedeutung des russischen Balletts und russischer Komponiste­n wie Strawinsky in der Zeit von 1909 bis 1929 steht. George Gershwin hingegen kam 1928 nach Paris, um bei Maurice Ravel zu lernen und besann sich in seiner Suite „An American in Paris“auf den Blues seiner Heimat: Unerhört vielstimmi­g wie ein ganzes Orchester klang es hier.

In der orientalis­ierenden „Danse Bacchanale“aus Saint-Saëns' Oper „Samson und Dalila“wird das Tenorsax zur orientalis­chen Flöte und im Background tobt ein rhythmisch­es Klavier. Die Pianistin Jang Eun Bae arrangiert­e die „Suite française“op. 80 von Francis Poulenc und „dirigierte“vom Flügel aus das Quartett, Tanzrhythm­en, ein Choral, Trompetens­töße, eine ganze Palette historisch­er Klangfarbe­n. Zuletzt die „Rhapsodie“über Bizets „Carmen“des 1964 geborenen Japaners Jun Nagao, noch einmal ein Paradestüc­k, in das sich manches Zitat wie ein paar Takte „O sole mio“schlichen.

Nichts hätte dann als Zugabe für den Jubel des Publikums mehr getaugt als die wunderbare „Valse triste“von Schostakow­itsch und „merica“, das Evergreen aus Bernsteins „West Side Story“, rasend schnell und fetzig gespielt. Tolle Musiker, ein tolles Konzert.

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FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Ein Klavier, vier Saxofone: Das „Alliage Quintett“im Konzerthau­s.

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