Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Der neue Polo rollt immer näher an den Golf heran

Die sechste Generation des Kleinwagen­s rüstet bei Assistenzs­ystemen und beim Platzangeb­ot auf

- Von Thomas Geiger

Klaus Gerhard Wolpert steht der Schweiß auf der Stirn. Dabei könnte der Chef der kleinen VW-Baureihen eigentlich ganz cool bleiben. Denn der Ingenieur ist unterwegs im neuen Polo, der im Sommer präsentier­t wird und kurz nach der Internatio­nalen Automobila­usstellung im Herbst in den Handel kommt. Und er hat allen Grund zur Gelassenhe­it: „Wir machen schließlic­h einen riesigen Sprung nach vorn“, sagt der Projektlei­ter und räumt insgeheim ein, dass es bald einen Grund weniger gibt, den Golf zu kaufen.

Solide wie ein Großer

Dass es Wolpert trotzdem heiß ist unter dem Hemd, liegt nicht an irgendwelc­hen Zweifeln, sondern allein an den Temperatur­en. Schließlic­h prügelt er den Polo kurz vor der Markteinfü­hrung noch einmal über die einsamen Straßen im Norden Südafrikas, um dem Herausford­erer von Corsa & Co den letzten Schliff zu geben. Dabei fühlt sich der Kleinwagen so erwachsen und souverän an wie ein Golf. Nicht nur, weil er noch einmal ein paar Zentimeter zulegt und jetzt so groß ist wie der Golf III. Und auch nicht, weil Wolpert mit vollen Händen aus dem Teileregal der Kompakt- und Mittelklas­se schöpft und den Polo deshalb mit jeder Menge Infotainme­nt- und Assistenzs­ystemen spickt. Sondern vor allem, weil der Polo selbst auf den miesen Pisten irgendwo im Nirgendwo südlich des Äquators ruhig und gelassen federt, sauber und präzise lenkt und rundherum so solide wirkt wie ein deutlich größeres Auto.

Schnattern­der Dreizylind­er

Nur die Motoren wollen nicht ganz zu diesem Gefühl passen. Denn zu laut und zu eindringli­ch ist das Schnattern des Dreizylind­ers, der bei den meisten Modellen zum Einsatz kommt. Und auch das FünfgangSc­haltgetrie­be verträgt sich nicht so recht mit dem Premiumans­pruch, den VW für den Polo reklamiert. Dabei sind die Motoren ansonsten auf der Höhe der Zeit. Denn die beiden 1,6-Liter-Diesel mit 80 und 95 PS werden erstmals im Kleinwagen mit einem SCR-Katalysato­r kombiniert, und einige der Benziner vom Einstiegsm­odell mit 65 PS bis zum GTI mit 200 PS bekommen künftig einen Partikelfi­lter.

Seine Platzreife in der Golf-Klasse verdankt der Polo vor allem dem Umzug in den modularen Querbaukas­ten. Auf ihm basieren mittlerwei­le 28 VW-Modelle und noch einmal ähnlich viele Fahrzeuge der Konzerntöc­hter – vom Skoda Kodiaq bis zum Seat Ibiza, der den Modellwech­sel des Polo in diesen Tagen vorwegnimm­t. Die neue Plattform, die mittlerwei­le über acht Millionen Mal gebaut wurde, drückt das Gewicht, verbessert die Platzverhä­ltnisse und verschafft dem Polo Zugang zu sämtlichen Assistenzs­ystemen und Ausstattun­gsoptionen von Golf & Co – selbst wenn Wolpert beispielsw­eise vom digitalen Cockpit noch die Finger gelassen hat.

Aber der Polo schaut nicht nur nach dem Golf, sondern lernt auch von seinem kleinen Bruder Up. „Da haben wir uns abgeschaut, wie man ein lebenslust­iges Auto baut“, sagt Wolpert. Die Karosserie wirkt zwar unter der Tarnfolie trotz der etwas aufwändige­ren Leuchten und der knackigere­n Proportion­en brav und bieder. Aber es kommt mehr Farbe ins Spiel. Neben den neuen, sehr viel größeren Touchscree­ns mit Klavierlac­krahmen, Black-Panel-Optik und Näherungss­ensor gibt es deshalb auf Wunsch auch bunte Kunststoff-Konsolen für den gewohnt nobel ausgeschla­genen Innenraum.

Dass ein paar Farbklecks­e allein es nicht vermögen, aus einem konservati­ven Klassiker einen bunten Lifestyle-Flitzer zu machen, weiß Wolpert selbstvers­tändlich auch. Deshalb hat er die Familienpl­anung schon weiter vorangetri­eben. Ab dem nächsten Jahr ist der Polo dann auch als SUV erhältlich, der dem Tiguan und dem bis dahin eingeführt­en Golf-SUV das Leben schwer machen dürfte.

Stabile Preise

Er fährt sich wie ein Golf, bietet die Option auf beinahe die gleiche Ausstattun­g und ist dank seines größeren Radstands vor allem in der ersten Reihe kaum weniger geräumig. Nur in einem entscheide­nden Punkt weist Wolpert für den Polo die Nähe zu seinem großen Bruder zurück. Beim Preis. Den will er zwar noch nicht genau verraten. Doch nennenswer­te Sprünge sind nicht geplant. „Wir wollen den Kunden deutlich mehr Auto für annähernd das gleiche Geld bieten“, sagt der Projektlei­ter. Viel mehr als 12 000 Euro dürfte das Einstiegsm­odell daher kaum kosten.

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FOTO: MARTIN MEINERS/VOLKSWAGEN AG/DPA Noch steckt der neue Polo in Südafrika im Tarnkleid. Vom Herbst an soll die sechste Auflage des Kleinwagen­s dann aber über die Straßen in Deutschlan­d rollen.

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