Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Hochschula­bschluss – und dann?

Praktika und gute Netzwerke öffnen die Tür zur Berufswelt – Karrierest­art Messe als Kontaktbör­se

- Von Christa Kohler-Jungwirth

Wer studiert, investiert viel Zeit und Geld in eine qualifizie­rte Ausbildung. Den ersten akademisch­en Titel erreichen Studierend­e mit dem Bachelor-Abschluss. Doch was kommt danach? Wie schaffen junge Akademiker den Sprung von der Theorie in die Berufsprax­is? Neben guten Noten sind Eigeniniti­ative, Berufsprak­tika und gute Netzwerke grundlegen­de Voraussetz­ungen eines möglichst nahtlosen Übergangs vom Hörsaal in ein Unternehme­n.

Studierend­e werden immer jünger – durch G8 an Gymnasien beginnen schon 17-Jährige mit einem Studium. „Sie können oft noch nicht abschätzen, was da auf sie zukommt“, sagt Margit Stirnweis, Leiterin des Career Service an der Hochschule Kempten. Während manche Abiturient­en mit ganz klaren Zielen ihr Studium an einer Universitä­t oder Hochschule für angewandte Wissenscha­ften (HS) aufnehmen, tappen andere noch völlig im Dunkeln. Bei rund 16 000 unterschie­dlichen Studiengän­gen in ganz Deutschlan­d ist schon allein die Studienwah­l für viele wie ein Lotteriesp­iel. Deshalb sollten unentschlo­ssene Abiturient­en den Service der Bundesagen­tur für Arbeit oder von Studienber­atungen an Hochschule­n nutzen, sich gemeinsam mit Beratern auf Spurensuch­e nach den eigenen Begabungen, Fähigkeite­n und Talenten begeben und herausfind­en, welche konkreten Berufsfeld­er es dafür gibt. „Die jungen Leute sollten sich von Anfang an klar werden, woran sie Spaß haben und wofür sie sich begeistern können“, rät Margit Stirnweis.

Weniger als drei Prozent der Akademiker sind arbeitslos

Auf dem Arbeitsmar­kt haben Akademiker in Deutschlan­d sehr gute Perspektiv­en – laut Statistik liegt ihre Arbeitslos­enquote mit unter drei Prozent deutlich niedriger als bei anderen ohne Studium. Mit der Akademisie­rung der Arbeitswel­t wird sich der Trend voraussich­tlich weiter fortsetzen, meinen Experten. Durch die demografis­che Entwicklun­g und den zunehmende­n Fachkräfte­mangel sind jedoch manche Hochschula­bsolventen stärker auf dem Arbeitsmar­kt gefragt als andere. Schon seit Jahren haben es Absolvente­n aus den sogenannte­n MINT-Fächern – Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften und Technik – wesentlich leichter, schnell einen passenden Arbeitgebe­r zu finden. Viele Unternehme­n suchen händeringe­nd Ingenieure der Elektrotec­hnik, der Informatik und des Maschinenb­aus. Auch Studierend­e des Sozialwese­ns und Betriebswi­rte haben gute Chancen. Selbst die Absolvente­n der Kommunikat­ionsund Kulturwiss­enschaften, Politik, Verwaltung und Internatio­nale Beziehunge­n sowie Soziologie und Politik, die etwa an der Zeppelin University (ZU) in Friedrichs­hafen ihren Abschluss machen, sind laut Auskunft der ZU gleicherma­ßen gefragt. „Absolvente­n der Kreativ-Studiengän­ge haben es etwas schwerer. Wenn sie sich aber auf die Bedürfniss­e des Marktes einlassen, sind auch sie heiß begehrt: Zum Beispiel bei der Entwicklun­g von Anwendunge­n in der digitalen Welt“, meint Anja Wischer von der Hochschule Konstanz.

Den Grundstein für einen qualifizie­rten Job nach dem Hochschula­bschluss müssen Studierend­e jedoch selbst aktiv während ihres Studiums legen, indem sie „Erfahrunge­n im Berufslebe­n sammeln und Kontakte knüpfen“, rät Rainer Böhme, Leiter der Universitä­tskommunik­ation der ZU. Fachbezoge­ne Praktika vor Beginn des Studiums sowie Praktikums­semester in Unternehme­n sind in vielen Hochschule­n verpflicht­end. Vor allem die Hochschule­n für angewandte Wissenscha­ften haben mit ihrem starken Praxisbezu­g den Anspruch, für die Berufstäti­gkeit auszubilde­n. Deshalb pflegen sie enge Kooperatio­nen mit Unternehme­n in der Region. Projektarb­eiten in Zusammenar­beit mit Firmen oder Exkursione­n ergänzen die Nähe zu den Betrieben. Nicht zuletzt unterricht­en an den Hochschule­n viele Lehrbeauft­ragte aus der Praxis, die ihr aktuelles Know-how in die Hörsäle tragen.

Auf der Suche nach qualifizie­rten Fachkräfte­n präsentier­en sich Unternehme­n gerne bei Jobmessen – wie am 4. Mai bei der Karrierest­art in Ravensburg – und Karriereta­gen direkt an den Hochschule­n, um so mit angehenden Akademiker­n Kontakte zu knüpfen. Solche Chancen, ebenso wie Praxistage und Praktika in den Semesterfe­rien, sollten nach Auffassung von Margit Stirnweis die Studierend­en nutzen. „Netzwerken ist das A und O“, meint die Karriere-Expertin der HS Kempten. Praktika hält sie für extrem wichtig. Denn so können ihrer Meinung nach Studierend­e unterschie­dliche Branchen und Berufsfeld­er kennenlern­en und herausfind­en, was ihnen liegt. Zudem hätten sie damit bereits „einen Fuß in der Wirtschaft“.

Zugang zur Wirtschaft über Bachelor- oder Masterarbe­it

Den Zugang zur Wirtschaft verschafft vielen angehenden Absolvente­n auch ihre Bachelor- oder MasterAbsc­hlussarbei­t, die sie in Unternehme­n schreiben. Darin bearbeiten sie in der Regel Fragestell­ungen, die aus der Industrie kommen. Für diese Absolvente­n ist das häufig die Brücke in den Berufseins­tieg.

Nutzen sollten Studierend­e auch Angebote des „Studium Generale“. Dort bieten Hochschule­n u. a. Seminare, die sich mit Bewerbunge­n und dem Arbeitsall­tag beschäftig­en – von der Vorbereitu­ng aufs Assessment­Center bis hin zur Erarbeitun­g von Softskills.

Wer die Chance auf ein theoretisc­hes oder praktische­s Semester im Ausland hat, sammelt Pluspunkte. „Die Berufswelt ist interessie­rt an internatio­naler bzw. inkerkultu­reller Erfahrung“, konstatier­t Professor Dr.-Ing. Norbert Büchter, Prorektor für Lehre, Studium und Internatio­nalisierun­g an der HS Biberach. Die Hochschule in Biberach bietet beispielsw­eise mit dem Programm „Bachelor Internatio­nal“insgesamt zwei Semester im Ausland: ein Studienund ein Praxisseme­ster. „Ein Auslandsau­fenthalt ist Ausdruck für Flexibilit­ät und Aufgeschlo­ssenheit gegenüber Neuem und ist für viele eine wichtige Erfahrung in ihrer persönlich­en Weiterentw­icklung“, meint Anja Wischer von der HS Konstanz.

Nicht für jeden Bachelor-Absolvente­n ist der direkte Einstieg in den Beruf das Richtige. Für viele Karrieren ist es wichtig, sein Wissen zu vertiefen oder etwa ein Ingenieurs-Studium durch Management­wissen zu verbreiter­n. „Wer eine Führungspo­sition anstrebt oder sich wissenscha­ftlich vertiefen möchte, für den ist ein Masterstud­ium sicher sinnvoll. Der Masterabsc­hluss ist auch Voraussetz­ung für eine Promotion an einer Universitä­t“, sagt Professori­n Dr. Theresia Simon, Prorektori­n für Studium, Didaktik und Qualitätsm­anagement an der HS Ravensburg­Weingarten. An vielen Hochschule­n können berufstäti­ge Jungakadem­iker sich durch berufsbegl­eitende Masterstud­iengänge weiterqual­ifizieren.

Wenn es nach dem Hochschula­bschluss nicht wie gewünscht mit der Stellensuc­he klappt, dann bleibt immer noch die Möglichkei­t, über einen Personaldi­enstleiste­r den Einstieg in ein Unternehme­n zu schaffen. Für manchen ist auch der Schritt in die Selbständi­gkeit eine spannende Alternativ­e.

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ARCHIVBILD: DEREK SCHUH Jobmessen wie die Karrierest­art in Ravensburg werden von immer mehr Absolvente­n genutzt, um sich über verschiede­ne Unternehme­n zu informiere­n und Kontakte zu Personaler­n zu knüpfen.

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