Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Braucht es eine Meisterpflicht?
Betrachtet man die Auswirkungen der Abschaffung der Meisterpflicht für bestimmte Handwerksberufe, so ist neben Schwarzarbeit, Lohndumping und Kurzlebigkeit der Neugründungen der massive Rückgang in der Ausbildung äußert bedenklich. Jeder Meister darf ausbilden. NichtMeisterbetriebe erlangen die Zusatzqualifikation, die es ihnen erlaubt auszubilden in verschwinden geringem Ausmaß.
In seinem vollen Umfang ist der Effekt dieser Entwicklung heute noch nicht eingetreten. Die Folgen sind offensichtlich: weniger Ausbildungsbetriebe, weniger Auszubildende. Weniger Auszubildende, weniger Nachwuchs. Weniger Nachwuchs, weniger Ausbildungsbetriebe. Ein Teufelskreis, der zu einem Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit führen wird. Jenes gravierende Problem, das unsere europäischen Nachbarn plagt und deren wirtschaftliche Entwicklung stark behindert. Nicht umsonst findet das deutsche System der dualen Ausbildung weltweit Beachtung. Die Meisterpflicht trägt ihren Teil zur Sicherung dieses Systems bei.
Wer in Kauf nimmt, die Ausbildungssituation zu verschlechtern, der zerstört das Fundament unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Der Meistertitel steht für eine profunde Ausbildung und einen hohen Qualitätsstandard. Anstatt die Meisterpflicht abzuschaffen, um den Zugang zu Berufen zu erleichtern, sollte er europaweit eingeführt werden, um Wohlstand zu sichern – auch in Zukunft.
Der Meistertitel steht für gute Ausbildung. Moritz Schildgen
Der Meisterzwang ist das wohl am kontroversesten diskutierte Thema unter Handwerkern. Fakt ist: Die Pflicht zum „Großen Befähigungsnachweis“– wie er unter den Befürwortern auch genannt wird – stellt eine Marktzugangshürde dar. Weil die Kunden die Qualität der handwerklichen Leistungen nicht oder nicht direkt beurteilen können, hätten sie Vorteile, wenn sie sich auf die Qualifikation der Anbieter verlassen könnten – vor allem, wenn es um die Abwendung der Gefahr von Leib und Leben geht, erklären Meisterbrieffans.
Ein Meisterbrief ist aber längst kein Garant für Qualitätsarbeit. In der Praxis der meisten Betriebe ist es sogar so, dass der größte Teil der Arbeit von Gesellen ausgeführt wird. Notwendig ist daher die kontinuierliche Qualitätssicherung bei den ausführenden
Ein Meisterbrief ist kein Garant für Qualität. Andreas Knoch
Gesellen – nicht aber eine einmalige Meisterprüfung eines Betriebsleiters. Ohne Zweifel müssen Verbraucher vor Gefahren geschützt werden. Doch gibt es dafür bereits ganzes Bündel an (DIN)-Vorschriften. Und Europa zeigt, dass es auch ohne Meisterzwang geht. In Frankreich werden ebenfalls Autos sicher repariert, auch in Spanien werden die Haare gut geschnitten, und auch in England errichten Zimmerer gute Dachstühle. Durch den Meisterzwang im Handwerk bleibt die gesamtwirtschaftliche Leistung hierzulande hinter ihren Möglichkeiten zurück, und die im Grundgesetz verankerte Berufsfreiheit wird ausgehöhlt. ein