Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Menschen mit der „gewissen Gabe“
Film über Heiler im Bad Waldseer Stadtkino findet großen Anklang
BAD WALDSEE - Weit mehr als 60 Menschen haben sich am Sonntagabend ins Bad Waldseer Stadtkino Seenema gedrängt. So viele, dass ein Teil der neugierigen Kinogänger gar keinen Einlass mehr fand. Der Grund dafür war der Film „Die Gabe zu heilen“. Die Autorin des gleichnamigen Hintergrundbuches, Annette Maria Rieger, war nicht nur zur Vorführung am Sonntag vor Ort – sondern moderierte im Anschluss auch noch eine Fragerunde mit hiesigen Heilern.
Seit Februar 2017 ist er in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen, der anderthalbstündige Dokumentarfilm von Regisseur Andreas Geiger, der sich mit Heilern auseinandersetzt. Der Filmemacher mit schwäbischen Wurzeln hat sich ganz unvoreingenommen diesen Menschen „mit der gewissen Gabe“genähert, hat fünf Heiler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz begleitet, sie bei der Anwendung ihrer Begabung beobachtet.
Der Teufel in Lederhosen
Da ist der alte Vorarlberger Bauer Robert – der schon den Herrgott und den Teufel in Lederhosen gesehen hat. Robert pendelt eine BlinddarmPatientin aus und stellt fest: „Das ist der Eierstock!“, der mit Stechlaubtee behandelt werden muss. Robert mixt eine „Medizin“aus selbst gezogener Brennnessel, Minze und Gänseblümchen. Und wenn Robert Dämonen sieht, dann beseitigt er sie, „dann isch wieder a Ruah“. Mit dem heilenden Segen vom Erzengel Michael und dem Heiligen Vater – so sagt er –kuriert er allerhand, von Kreislauf, über die Milz bis zu den Nerven. Und wenn Robert Karten zockt und ein paar Bier trinkt, dann bittet er die Engel, dass sie ihn an der Polizei vorbeilotsen.
Andreas Geiger erzählt die Geschichte der Menschen, die mit ihren besonderen Fähigkeiten Beschwerden ihrer Patienten lindern oder heilen können, mit professioneller Distanz und Vorsicht. Ohne erhobenen Zeigefinger, ohne Augenzwinkern, ohne selbst Stellung zu beziehen. So bleibt es jedem Zuschauer selbst überlassen, einzuordnen, wobei es sich beim Gezeigten um überliefertes Heilwissen handeln könnte, was festen Glauben zum Grundsatz hat, oder ob jemand womöglich nur eine obskure Methode praktiziert.
Die Kraft der Gedanken
Stephan, der Mann mit der Dirigentenfrisur, hat eine Praxis in Ludwigsburg. Stephan hatte eine Erscheinung in Spanien, seitdem weiß er: Man muss das Leiden nicht kultivieren. „Was du sagst, das tritt ein“, sagt der Heiler mit der Christus-Statue auf der Fensterbank, und er ist sich sicher, dass Gedanken immense Kräfte haben. Die Kamera begleitet, wie Stephan eine Jugendliche vom Bettnässen, einen Mann von seiner Prostatahypertrophie und seinem Übergewicht befreit: durch die Kraft der positiven Gedanken. „Ich bin ein wunderbarer Mensch und ich liebe mich – sprich mir das nach“, fordert Stephan seinen Patienten auf.
Dass viele der hilfesuchenden Protagonisten von ihren Gefühlen überrollt werden – bei einer Rückführung durch die mongolische Heilerin vom Bodensee etwa oder bei einer Art Trancesitzung mit Köbi im schweizerischen Alm-Idyll – das zeichnet die Kamera schlicht auf, wertet weder Methoden noch aufbrechende Wunden der Patienten. So wird eine Frau mit ihrer tränenreichen Erinnerung aus einem Vorleben, nämlich „Rudelbumsen auf einer Burg“, ebenso nüchtern gefilmt wie der dazugehörige Therapeut, der sein Allheilmittel zur Entgiftung selbst einnimmt: aufgelöste Holzkohle.
Hinhören und im Frieden sein
Da sind in der anschließenden Fragerunde die Protagonisten erfrischend greifbar, die Fragen alltäglich und die Antworten nachvollziehbar. Moderiert von der Journalistin und Autorin des Hintergrundbuchs zum Film, Anette Maria Rieger, stehen für Fragen aus dem Publikum zur Verfügung das Heiler-Paar Petra-Maria Allgaier und Franz Xaver Ott aus Waldsee sowie die weithin bekannte Frau mit den heilenden Händen, Anneliese Hoch.
„Hinhören, das Herz öffnen, im Frieden sein“– das ist die Prämisse der beiden heilenden Waldseer. Damit können sie auch einen Sonnenbrand auf dem fernen Kilimandscharo löschen, binnen drei Tagen. Und Anneliese Hoch aus Haisterkirch ist nicht erst seit dem Geiger-Film „Nahaufnahme – Wir sind Gottes Werkzeug“, der 2009 im SWR ausgestrahlt wurde, eine Institution in der Gegend. NACHGEFRAGT