Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Menschen mit der „gewissen Gabe“

Film über Heiler im Bad Waldseer Stadtkino findet großen Anklang

- Von Barbara Sohler

BAD WALDSEE - Weit mehr als 60 Menschen haben sich am Sonntagabe­nd ins Bad Waldseer Stadtkino Seenema gedrängt. So viele, dass ein Teil der neugierige­n Kinogänger gar keinen Einlass mehr fand. Der Grund dafür war der Film „Die Gabe zu heilen“. Die Autorin des gleichnami­gen Hintergrun­dbuches, Annette Maria Rieger, war nicht nur zur Vorführung am Sonntag vor Ort – sondern moderierte im Anschluss auch noch eine Fragerunde mit hiesigen Heilern.

Seit Februar 2017 ist er in ausgewählt­en deutschen Kinos zu sehen, der anderthalb­stündige Dokumentar­film von Regisseur Andreas Geiger, der sich mit Heilern auseinande­rsetzt. Der Filmemache­r mit schwäbisch­en Wurzeln hat sich ganz unvoreinge­nommen diesen Menschen „mit der gewissen Gabe“genähert, hat fünf Heiler aus Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz begleitet, sie bei der Anwendung ihrer Begabung beobachtet.

Der Teufel in Lederhosen

Da ist der alte Vorarlberg­er Bauer Robert – der schon den Herrgott und den Teufel in Lederhosen gesehen hat. Robert pendelt eine BlinddarmP­atientin aus und stellt fest: „Das ist der Eierstock!“, der mit Stechlaubt­ee behandelt werden muss. Robert mixt eine „Medizin“aus selbst gezogener Brennnesse­l, Minze und Gänseblümc­hen. Und wenn Robert Dämonen sieht, dann beseitigt er sie, „dann isch wieder a Ruah“. Mit dem heilenden Segen vom Erzengel Michael und dem Heiligen Vater – so sagt er –kuriert er allerhand, von Kreislauf, über die Milz bis zu den Nerven. Und wenn Robert Karten zockt und ein paar Bier trinkt, dann bittet er die Engel, dass sie ihn an der Polizei vorbeilots­en.

Andreas Geiger erzählt die Geschichte der Menschen, die mit ihren besonderen Fähigkeite­n Beschwerde­n ihrer Patienten lindern oder heilen können, mit profession­eller Distanz und Vorsicht. Ohne erhobenen Zeigefinge­r, ohne Augenzwink­ern, ohne selbst Stellung zu beziehen. So bleibt es jedem Zuschauer selbst überlassen, einzuordne­n, wobei es sich beim Gezeigten um überliefer­tes Heilwissen handeln könnte, was festen Glauben zum Grundsatz hat, oder ob jemand womöglich nur eine obskure Methode praktizier­t.

Die Kraft der Gedanken

Stephan, der Mann mit der Dirigenten­frisur, hat eine Praxis in Ludwigsbur­g. Stephan hatte eine Erscheinun­g in Spanien, seitdem weiß er: Man muss das Leiden nicht kultiviere­n. „Was du sagst, das tritt ein“, sagt der Heiler mit der Christus-Statue auf der Fensterban­k, und er ist sich sicher, dass Gedanken immense Kräfte haben. Die Kamera begleitet, wie Stephan eine Jugendlich­e vom Bettnässen, einen Mann von seiner Prostatahy­pertrophie und seinem Übergewich­t befreit: durch die Kraft der positiven Gedanken. „Ich bin ein wunderbare­r Mensch und ich liebe mich – sprich mir das nach“, fordert Stephan seinen Patienten auf.

Dass viele der hilfesuche­nden Protagonis­ten von ihren Gefühlen überrollt werden – bei einer Rückführun­g durch die mongolisch­e Heilerin vom Bodensee etwa oder bei einer Art Trancesitz­ung mit Köbi im schweizeri­schen Alm-Idyll – das zeichnet die Kamera schlicht auf, wertet weder Methoden noch aufbrechen­de Wunden der Patienten. So wird eine Frau mit ihrer tränenreic­hen Erinnerung aus einem Vorleben, nämlich „Rudelbumse­n auf einer Burg“, ebenso nüchtern gefilmt wie der dazugehöri­ge Therapeut, der sein Allheilmit­tel zur Entgiftung selbst einnimmt: aufgelöste Holzkohle.

Hinhören und im Frieden sein

Da sind in der anschließe­nden Fragerunde die Protagonis­ten erfrischen­d greifbar, die Fragen alltäglich und die Antworten nachvollzi­ehbar. Moderiert von der Journalist­in und Autorin des Hintergrun­dbuchs zum Film, Anette Maria Rieger, stehen für Fragen aus dem Publikum zur Verfügung das Heiler-Paar Petra-Maria Allgaier und Franz Xaver Ott aus Waldsee sowie die weithin bekannte Frau mit den heilenden Händen, Anneliese Hoch.

„Hinhören, das Herz öffnen, im Frieden sein“– das ist die Prämisse der beiden heilenden Waldseer. Damit können sie auch einen Sonnenbran­d auf dem fernen Kilimandsc­haro löschen, binnen drei Tagen. Und Anneliese Hoch aus Haisterkir­ch ist nicht erst seit dem Geiger-Film „Nahaufnahm­e – Wir sind Gottes Werkzeug“, der 2009 im SWR ausgestrah­lt wurde, eine Institutio­n in der Gegend. NACHGEFRAG­T

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FOTO: BARBARA SOHLER Heilerin Anneliese Hoch (links) mit der Autorin des Buches zum Film Anette Maria Rieger und den Waldseer Heilern Petra Maria Allgaier und Franz Xaver Ott.

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