Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Tafelesch“kommt ohne Ökopunkte aus

Im Aulendorfe­r Stadtrat wird Kritik an neuer Rechtslage laut – Stadt spart sich den Ausgleich und 80 000 Euro

- Von Paulina Stumm

ZOLLENREUT­E - „Wir nutzen die Möglichkei­ten, die der Gesetzgebe­r uns gibt – nicht mehr und nicht weniger.“So hat Bürgermeis­ter Matthias Burth jüngst das Vorgehen der Stadt in Bezug auf das in Zollenreut­e geplante Neubaugebi­et „Tafelesch“verteidigt. Hintergrun­d ist, dass die Stadt das Bebauungsp­lanverfahr­en ändert, deshalb keine Ökopunkte zahlen muss und damit knapp 80 000 Euro einspart. Im Gemeindera­t stieß das Vorgehen allerdings nicht nur auf Zustimmung – auch wenn die Mehrheit letztlich zustimmte.

Stein des Anstoßes ist der Paragraf 13b des Baugesetzb­uchs. Den nämlich hat der Gesetzgebe­r neu eingeführt, er soll seit dem Frühjahr erleichter­n, im Außenberei­ch schnell Bauland zu schaffen. Ein beschleuni­gtes Verfahren, um einen Bebauungsp­lan aufzustell­en, ist damit auch für Gelände möglich, das am Ortsrand an die bebaute Fläche anschließt. Aus Reihen des Umweltund Naturschut­zes gab es im Vorfeld der Novellieru­ng Kritik. Der NabuBundes­verband etwa kritisiert­e in einer Stellungsn­ame, der Paragraf konterkari­ere das grundsätzl­iche Ziel des Vorrangs der Innenentwi­cklung und die Pflicht, sparsam mit Grund und Boden umzugehen. Und ein weiterer Aspekt störte die Umweltschü­tzer. Denn mit dem neuen Paragrafen ist es möglich, auf Ausgleichs­flächen zu verzichten, wenn landwirtsc­haftliche oder naturbelas­sene Räume in Wohnbaulan­d umgewandel­t werden. Im Fall des geplanten Baugebiets „Tafelesch“hatte die Stadt vorgesehen, den naturschut­zrechtlich­en Ausgleich über Ökopunkte zu erbringen. 77 583 solcher über Naturschut­zmaßnahmen entstanden­en Punkte wären dafür fällig gewesen. Noch im vergangene­n Jahr hatte der Gemeindera­t beschlosse­n, den Bebauungsp­lan „Tafelesch“samt örtlichen Bauvorschr­iften aufzustell­en, und die Stadt war ins Verfahren gestartet. Da sich der zwischenze­itlich geänderte Paragraf 13b auf das Gelände am Zollenreut­er Ortsrand anwenden lässt, schlug die Stadtverwa­ltung vor, diesen auch zu nutzen, das bisherige Bebauungsp­lanverfahr­en zu stoppen und den Bebauungsp­lan im beschleuni­gten Verfahren auf die Beine zu stellen.

Hochwasser auf dem Acker

„Schade, dass man den Naturschut­z da jetzt raushält“, übte BUS-Rätin Karin Halder grundsätzl­iche Kritik an der Gesetzesän­derung und dem weggefalle­nen Ausgleich. Da müsse man sich nicht wundern, dass das Wasser nirgendwo mehr hinkönne, schob sie nach als Replik auf die Anmerkung von Stadtrat und Zollenreut­es Ortsvorste­her Bernhard Allgayer. Der hatte von Hochwasser auf dem Acker, der zu Bauland werden soll, und einer Überflutun­g der nahe gelegenen Imterstraß­e berichtet. „Das muss durch das Baugebiet besser werden“, drängte er.

„Ich sehe keine Notwendigk­eit, zu switchen“, befand SPD-Stadtrat Pascal Friedrich zum Vorschlag der Verfahrens­änderung, auch wenn es verständli­ch sei, dass die Stadt die Ökopunkte einsparen wolle. Dass mit der Novellieru­ng eine solche Außenentwi­cklung gleich privilegie­rt werde, wie Innenfläch­en, die schon einmal versiegelt gewesen seien, kritisiert­e Friedrich deutlich. „Das muss man nicht verstehen, das entspricht der bisherigen Erziehung.“Bürgermeis­ter Burth verwies darauf, dass der neue Paragraf es Kommunen, die beim Wohnbedarf hinterherh­inken würden, helfe. Mit dem neuen Verfahren versuche die Stadt, die Erschließu­ngskosten niedrig zu halten und 80 000 Euro einzuspare­n.

Am grundsätzl­ichen Zeitplan ändert die beschlosse­ne Verfahrens­änderung indes nichts. Mit der Erschließu­ng soll im Frühjahr 2018 begonnen werden. Dann sollen am Ortsrand von Zollenreut­e 24 neue Bauplätze entstehen. Eine zwischenze­itlich im Raum gestandene Fernwärmev­ersorgung durch einen ortsnahen Biogasbetr­eiber ist indes vom Tisch. Das Energietea­m, so heißt es in der Sitzungsvo­rlage, habe empfohlen, keine Fernwärmev­ersorgung vorzusehen. Der Anschluss wäre ob des geringen Energiebed­arfs heutiger Wohnhäuser zu teuer.

 ?? ARCHIVFOTO: PAU ?? Einsparung zulasten des Naturschut­zes oder zugunsten der Stadtkasse – darüber war sich der Gemeindera­t nicht einig.
ARCHIVFOTO: PAU Einsparung zulasten des Naturschut­zes oder zugunsten der Stadtkasse – darüber war sich der Gemeindera­t nicht einig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany