Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Fahrverbot­e in Ravensburg nicht ausgeschlo­ssen

Fraktionen halten Maßnahme zur Verbesseru­ng der Luft für denkbar – Nach Stuttgart-Urteil ist Weg geebnet

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RAVENSBURG (jab) - In Ravensburg ist die Diskussion über Fahrverbot­e wieder entbrannt. Erst vor einer Woche hat das Stuttgarte­r Verwaltung­sgericht Fahrverbot­e für Dieselfahr­zeuge in der Landeshaup­tstadt für rechtens erklärt, zudem will die Deutsche Umwelthilf­e ihre Klagen für bessere Luft auf andere deutsche Städte ausweiten. Wegen des nachgewies­enen erhöhten Stickstoff­dioxidgeha­lts könnte also auch Ravensburg betroffen sein. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat sich bei den Fraktionen umgehört, was sie über Fahrverbot­e denken und ob dies eine Maßnahme für den anstehende­n Luftreinha­lteplan sein könnte.

Die FDP-Fraktion wägt in Sachen Fahrverbot erst einmal ab: „Juristisch ist das Stuttgarte­r Urteil noch nicht rechtskräf­tig und die Urteilsgrü­nde liegen auch noch nicht vor“, sagt Fraktionss­precher Oliver Schneider, der selbst Anwalt ist. „Experten gehen davon aus, dass dieses Verfahren bis zum Bundesverw­altungsger­icht geht.“Insofern könnte man laut Schneider Bedenken bezüglich der Reichweite des Urteils anmelden. Jedoch sei das Urteil unter Umweltgesi­chtspunkte­n „ein wichtiger Fingerzeig für die Politik und die Gesellscha­ft“. Der FDP-Mann meint: „Es muss weiter an der Luftreinhe­it gearbeitet werden. Warum auch nicht mit Fahrverbot­en?“

Von Verboten rät Rolf Engler, für die CDU Sprecher im Verwaltung­sausschuss, eher ab. „Verbote sind die drittbeste Lösung“, so Engler, „denn Kontrollmö­glichkeite­n sind aufwendig, und die Wahrschein­lichkeit, dass man alle Richtigen trifft, ist gering.“Außerdem sei die Frage, was mit Kleinlastw­agen, Personentr­ansportern oder Handwerker­fahrzeugen passiere – also wesentlich­en Mitverursa­chern der Luftversch­mutzung. Stattdesse­n würde der Christdemo­krat lieber auf „intelligen­te Anreize“setzen. Erst einmal müsste seiner Meinung nach definiert werden, welche und wie viele Fahrzeuge problemati­sch seien. Anschließe­nd könnte lösungsori­entiert vorgegange­n werden. Engler: „Es müsste ein nationales Programm geben, eine Art Umrüstoder Abwrackprä­mie für schmutzige Diesel.“

Margot Arnegger, Fraktionsv­orsitzende bei den Freien Wählern

(FW), hält es für sinnvoll, autofreie Tage einzuführe­n. „Vielleicht so einmal pro Monat am Wochenende“, überlegt sie. Denn statt bestimmte Fahrzeugty­pen zu verbieten, seien generelle Fahrverbot­e an bestimmten Tagen hilfreiche­r, meint die Stadträtin. Arnegger: „Ich denke zwar nicht, dass autofreie Tage das Problem der Luftversch­mutzung lösen würden, aber es würde ein bisschen Ruhe einkehren.“Ihrer Meinung nach ginge es dabei „mehr um ein Zeichen als um eine Maßnahme“.

„Grundsätzl­ich gibt es für uns in diesem Zusammenha­ng kein Tabu“, teilt Frank Walser von der Ravensburg­er SPD-Fraktion mit, „wir können und wollen Fahrverbot­e für bestimmte Diesel-Fahrzeuge auf bestimmten Strecken nicht von vornherein ausschließ­en.“Allerdings führen laut dem Sozialdemo­kraten Fahrverbot­e auf einzelnen Straßen nicht zwingend zu weniger Verkehr oder Abgasen, sondern zu einer Verlagerun­g auf andere Straßen. Walser: „Damit hat die Umwelt nichts gewonnen. Fahrverbot­e sind allenfalls eine ultima ratio.“

In der letzten Sitzung des Ausschusse­s für Umwelt und Technik vor den Sommerferi­en hatte Wilfried Krauss von den Bürgern für Ravensburg (BfR) bereits vorgeschla­gen, mehrere freiwillig­e autofreie Sonntage im Jahr einzuführe­n. Nun sagt Krauss: „Durch das Urteil aus Stuttgart ist eine neue juristisch­e Situation entstanden. Fahrverbot­e sind möglich.“Auch in Ravensburg sind Fahrverbot­e dem BfR-Vorsitzend­en zufolge denkbar, „aber nach Möglichkei­t zu vermeiden“. Denn schnelle Fahrverbot­e würden die Verbrauche­r bestrafen, die auf die Machenscha­ften der Automobili­ndustrie und der Politik hereingefa­llen seien. Krauss fordert, dass die Autoindust­rie nachbesser­t und die Politik ihre Nähe zur Autoindust­rie aufgibt: „Die Euro-5- und Euro-6-Diesel müssen auf den technische­n Stand gebracht werden, den die EU vorschreib­t“, so der Stadtrat. „Wir brauchen eine Zukunftsko­mmission ,Saubere Automobili­tät‘. Gefragt ist wesentlich mehr als ein Dieselgipf­el, der sich um die Altlasten der Vergangenh­eit kümmert.“Jürgen Bretzinger von den Grünen ● ist der Meinung: „Fahrverbot­e in Ravensburg sind nicht nur denkbar, sondern wären die wirksamste Maßnahme gegen die Vergiftung durch Stickoxide.“Trotzdem denkt Bretzinger, dass keine Fahrverbot­e kommen werden, „denn die Bundesregi­erung verhindert die praktische Durchführu­ng“. Der Grünen-Politiker macht folgendes Problem aus: „Ohne Klassifizi­erung der Dieselauto­s nach realem Schadstoff­ausstoß mit einer Plakette ist ein Fahrverbot unmöglich zu organisier­en.“Die Kommune sei hier machtlos. Bretzinger: „Die Verabredun­g der Bundesregi­erung mit der Autoindust­rie, die Dieselmoto­ren per billiger Softwarelö­sung sauberer zu machen, ist Augenwisch­erei.“Rainer Frank von der Unabhängig­en ● Liste (UL) sagt: „Die Überschrei­tung der Stickstoff­dioxidGren­zwerte in der Schussenst­raße ist mit hoher Wahrschein­lichkeit durch Dieselmoto­ren in Autos und Lastwagen verursacht.“Unabhängig von der juristisch­en Klärung, ob einzelne Kommunen Fahrverbot­e für spezielle Fahrzeuge auf ihrer Gemarkung erlassen dürfen, werden sich laut Frank Stadtverwa­ltung und politische Gremien auch mit diesen Möglichkei­ten beschäftig­en müssen. „Immerhin geht es um nichts weniger als die Gesundheit unserer Bürger“, so der ULStadtrat. SEITE 8 ●

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FOTO: PHILIPP RICHTER Die Stickstoff­dioxidbela­stung in Ravensburg ist seit Jahren erhöht. Stark betroffen ist die Schussenst­raße.

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