Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Scharfe Kritik an Ewald wegen Radwegen
Gemeinderat Claus Keßel sieht „beschönigende“Darstellung in „Weingarten im Blick“
WEINGARTEN (olli) - Claus Keßel, Fraktionsvorsitzender der Grünen und Unabhängigen (G&U) im Weingartener Gemeinderat, empört sich über das Vorgehen von Oberbürgermeister Markus Ewald in Sachen Radwege. Konkreter Anlass ist eine ganzseitige Stellungnahme Ewalds im stadteigenen Amtsblatt „Weingarten im Blick“. Darin wehrt sich Ewald gegen eine „öffentliche Schelte“und eine „aus städtischer Sicht einseitige und unvollständige Berichterstattung in der „Schwäbischen Zeitung“. Das sieht Keßel etwas anders: „Ich sehe nicht, dass das einseitig und unvollständig war.“Vielmehr beschönige Ewald die schlechte Situation der Radwege in Weingarten. „Das ist ein Abwehrschreiben. Er will eben gut dastehen und vermitteln, dass alles nicht so schlimm ist“, sagt Keßel.
Doch gibt es für den passionierten Radfahrer in Weingarten viele problematische Stellen, wie beispielsweise unzureichende Querungsmöglichkeiten der Ravensburger/Waldseer Straße, die Kreuzung vor der Kneipe „Linde“oder die Auffahrt in der Doggenriedstraße. Bei der jüngsten verkehrspolitischen Fahrradtour, bei der es um eben diese Stellen ging, seien viele Lösungsansätze von Ewald und Stadtplaner Jens Herbst mit der Begründung abgetan worden, sie seien nicht finanzierbar. „Wer bestimmt, was finanzierbar ist?“, fragt Keßel, der Ewald in die Pflicht nimmt. „Es nur herunterzumachen und zu sagen, es ist nicht finanzierbar. Da macht er es sich zu einfach und entzieht sich seiner Verantwortung.“
Zum Hintergrund: Die „Schwäbische Zeitung“hatte in ihrer Ausgabe vom 27. Juli über eine Studie des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) berichtet. Darin schnitt Weingarten am schlechtesten im gesamten Landkreis ab. Ewald kritisierte in der Folge, dass die Umfrage mit 99 Befragten relativ sei, Tettnang, Ravensburg oder Leutkirch nur minimal besser abgeschnitten hätten und dass man sich zu Unrecht kritisiert fühle.
Denn in der Befragung habe es auch positive Meinungen gegeben, entlang aller wichtigen Verkehrsachsen gäbe es eine durchgängige Radwegführung, und die Infrastruktur für Radfahrer werde kontinuierlich optimiert. „Sie schreiben, dass es durchgängige Verkehrsachsen gibt. Das ist nicht richtig“, befindet Keßel. Auch von „kontinuierlichem Optimieren kann keine Rede sein.“Vielmehr habe er den Eindruck, dass sich in Sachen Radwege in Weingarten seit Jahren nichts mehr weiterentwickele. Alles ziehe sich in die Länge und werde geschoben. „Das Einzige, was seit 2012 gemacht wurde, ist die Radspur in der Abt-Hyller-Straße. Sonst wurde nichts gemacht“, sagt Keßel. Es fehle der Wille, etwas zu unternehmen. Doch wenn man es wirklich ernst meine, dann müsse man Anreize schaffen, um mehr Fahrradfahrer auf die Straße zu bekommen und eine echte Alternative zum Autofahren anbieten, so der Grüne.
Auch das Argument, man sei personell überlastet und warte darauf, dass eine entsprechende Stelle besetzt werde, will Keßel nicht gelten lassen. „Dafür ist er verantwortlich. Es genügt nicht, 40 000 Euro im Haushalt einzustellen. Er muss sich an der Personalwahl beteiligen“, sagt der Fraktionsvorsitzende. „Da fehlt es an Wille, es anzugehen und umzusetzen.“
Keßel will dauerhafte Förderung
Daher sorgt sich Keßel auch um die weitere Finanzierung. Zwar seien im Haushalt 2017 eben jene 40 000 Euro für das Thema Radwege eingestellt worden, doch wenn sich nicht bald etwas tue, würden diese einfach ins kommende Jahr geschoben. Doch Keßel will eine kontinuierliche Entwicklung der Radwege in Weingarten – und eine regelmäßige jährliche finanzielle Unterstützung. „All diese Dinge, bei denen sich nichts tut“, sagt der Grüne.
Kritik an Ewalds Kommunikation
Kritik gibt es auch an der Art und Weise der Kommunikation über das Amtsblatt. Keßel würde sich wünschen, dass man direkt miteinander in einen Dialog komme. „Es heißt ja immer Bürgerbeteiligung in Weingarten. Ich sehe das als Rückschritt an. Ich hätte mir einen anderen Umgang gewünscht“, sagt Keßel. „Wir müssen miteinander sprechen.“