Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Bund schiebt nur noch Islamisten und Straftäter nach Afghanista­n ab

Regierung legt Neubewertu­ng der Sicherheit­slage am Hindukusch vor – Opposition fordert kompletten Stopp der Rückführun­gen

- Von Andreas Herholz

BERLIN - Abschiebun­gen nach Afghanista­n ja, aber nur noch in begrenzter Zahl. Die Bundesregi­erung hält an ihrem Kurs der Rückführun­gen an den Hindukusch fest. Islamistis­che Gefährder, Straftäter und Flüchtling­e, die die Klärung ihrer Identität behindern, sollen auch weiterhin in ihre Heimat gebracht werden. Darauf haben sich das Auswärtige Amt und das Bundesinne­nministeri­um im Zuge der Neubewertu­ng der Sicherheit­slage in Afghanista­n verständig­t.

Nach dem Attentat auf die Deutsche Botschaft Ende Mai in Kabul war in der Regierung Streit darüber ausgebroch­en, ob man unter diesen Umständen noch weiter Afghanen aus Deutschlan­d ohne Bleiberech­t in ihre Heimat abschieben kann.

Jetzt liegt ein Zwischenbe­richt der Bundesregi­erung mit einer aktuellen Neubewertu­ng der Gefährdung vor. Diplomaten und Innenexper­ten empfehlen, auch weiterhin abzuschieb­en, allerdings nur in wenigen Ausnahmefä­llen. Es gebe keine Erkenntnis­se, dass die bisherige Praxis verändert werden müsse, erklärte ein Sprecher des Auswärtige­n Amtes am Mittwoch in Berlin. Die Entscheidu­ng liegt letztlich bei den für Abschiebun­gen zuständige­n Ländern. Zuletzt hatte es ein Moratorium gegeben und die Rückführun­gen waren unterbroch­en worden.

Derzeit halten sich rund 10 000 ausreisepf­lichtige Afghanen in Deutschlan­d auf und damit 5000 weniger als noch 2016. Bis Ende Juni hatten die Länderbehö­rden 282 Afghanen zurückgefü­hrt. Im Vorjahr waren es 145. Zurzeit lebt eine Viertelmil­lion Afghanen in Deutschlan­d.

Opposition, Teile der SPD und Menschenre­chtsorgani­sationen fordern ein Ende der Abschiebun­gen in das Land. Innenexper­ten der Union begrüßten dagegen die Entscheidu­ng, Straftäter und Gefährder auch weiterhin nach Afghanista­n zurückzusc­hicken. „Dass der Zwischenbe­richt keinen Anlass für eine Korrektur unserer derzeitige­n Rückführun­gspraxis sieht, ist eine gute Nachricht“, erklärte Unionsfrak­tionsvizec­hef Stephan Harbarth (CDU). So gebe es durchaus Provinzen, in denen die Lage vergleichs­weise sicher sei. Auch die Tatsache, dass inzwischen mehrere Tausend Afghanen freiwillig aus Deutschlan­d nach Afghanista­n zurückgeke­hrt seien, zeige, dass Afghanista­n nicht in allen Teilen ein unsicheres Land sei. Deutschlan­d beschreite auch keinen nationalen Sonderweg. „Eine ganze Reihe europäisch­er Staaten führen Migranten sehr regelmäßig und in weit größerem Umfang nach Afghanista­n zurück“, sagte der CDU-Innenexper­te.

CSU-Innenexper­te Stephan Mayer sprach sich dafür aus, „insbesonde­re Straftäter, islamistis­che Gefährder und ausreisepf­lichtige Afghanen, die sich renitent verhalten und beispielsw­eise ihre Identität verschleie­rn oder an ihrer Identitäts­feststellu­ng nicht mitwirken“konsequent abzuschieb­en.

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FOTO: DPA Innenexper­te Stephan Mayer (CSU) will Straftäter und Gefährder konsequent nach Afghanista­n zurückbrin­gen.

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