Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Besonders Frauen bleiben in der Minijob-Falle gefangen

7,63 Millionen Arbeitnehm­er sind geringfügi­g beschäftig­t – Knapp 60 Prozent davon sind weiblich

- Von Moritz Schildgen

RAVENSBURG - 7,63 Millionen Menschen in Deutschlan­d sind aktuell geringfügi­g beschäftig­t, sogenannte Minijobber. Das sind knapp 23 Prozent, also fast jeder fünfte, der arbeitende­n Bevölkerun­g – ein Anstieg von 10,5 Prozent in den vergangene­n zehn Jahren, wie aus der Antwort der Bundesregi­erung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion hervorgeht.

Minijobs können ein attraktive­s Arbeitsmod­ell sein. Die Arbeitszei­ten sind oft sehr flexibel und der Arbeitgebe­r zahlt den Großteil der Sozialabga­ben und Steuern. Von den maximal 450 Euro bleibt fast alles übrig, da eine Befreiung von Rentenvers­icherungsb­eiträgen auf Antrag möglich ist. Besonders junge Mütter, Studenten und Rentner nehmen gerne Minijobs an, um etwas dazuzuverd­ienen. Doch die geringfügi­ge Beschäftig­ung birgt auch eine große Gefahr, auf die Jutta Krellmann, gewerkscha­ftspolitis­che Sprecherin der Linken, hinweist: Minijobs seien „eine Falle besonders für Frauen.“In der Tat sind knapp 60 Prozent der geringfügi­g Beschäftig­ten laut Statistik weiblich und 22 Prozent sind älter als 60 Jahre.

Dabei zielten die Minijobs gerade auf unbeschäft­igte Frauen und Langzeitar­beitslose im Zuge der Einführung der Hartz-Gesetze 2005 ab. Die geringfügi­ge Beschäftig­ung sollte als Brücke den Weg hin zu einer geregelten Arbeit bereiten, bei der auch der Arbeitnehm­er wieder Sozialabga­ben und Steuern zahlt.

In einer Studie befragte Carsten Wippermann im Auftrag des Bundesfami­lienminist­eriums 2012 bereits 2000 aktuelle oder ehemalige Minijobber­innen. Der Professor für Soziologie an der Katholisch­en Stiftungsf­achhochsch­ule München und Gründer und Leiter des Delta-Instituts für Sozial- und Ökologiefo­rschung in Penzberg kam zu dem Ergebnis, dass gerade junge Mütter das flexible und steuerbegü­nstigte Modell schätzen. Aber je länger und je mehr Minijobs Frauen gehabt haben, desto weniger Chancen auf eine Voll- oder Teilzeitbe­schäftigun­g hätten sie. Trotz einer oft fundierten Ausbildung würden die Frauen von potenziell­en Arbeitgebe­rn meist nicht mehr als qualifizie­rte Fachkraft wahrgenomm­en werden, so Wippermann. Die vermeintli­che Brücke wird so zu einer Sackgasse, zu eben jener Falle, von der die Linken-Politikeri­n spricht. Knapp die Hälfte der 50- bis 64-Jährigen in ausschließ­lich geringfügi­ger Beschäftig­ung gaben laut Wippermann an, einen Minijob aus Mangel an besseren Alternativ­en auszuüben.

Es gibt auch Profiteure von Minijobs, wie Markus Krüsemann, Soziologe an der Universitä­t Göttingen, weiß. Auf der Internetse­ite miesejobs.de des Arbeitsmar­ktexperten ist seit Mai zu lesen: „Letztlich sind es die Haushalte mit höherem Einkommen, für die der Minijob ein gutes Geschäft ist.“Also jene, bei denen ein Partner das Gesamteink­ommen durch eine geringfügi­ge Beschäftig­ung aufbessert, ohne dabei die gemeinsame Steuerlast zu erhöhen. So würden eben nicht jene profitiere­n, die auf Minijobs angewiesen sind, um über die Runden zu kommen. Eben nicht die ursprüngli­che Zielgruppe der Minijobs, unbeschäft­igte Frauen und Langzeitar­beitslose.

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