Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wrack soll Rätsel um Flugzeugun­glück lösen

Einen Tag nach dem Absturz vor Konstanz ist die Pilotenkan­zel geborgen worden – Zweiter Passagier identifizi­ert

- Von Hagen Schönherr und Christian Schellenbe­rger

KONSTANZ - Nach dem Flugzeugab­sturz im Bodensee vor Konstanz sind am Mittwoch die Identitäte­n der mutmaßlich­en Opfer bekanntgeg­eben worden. Laut Polizei kamen ein 74-jähriger Pilot aus der Schweiz und seine 75 Jahre alte Frau bei dem Unglück ums Leben. Den Grund für den Absturz soll das aus dem See geborgene Flugzeugwr­ack beantworte­n.

Knapp vier Stunden dauerten am Mittwoch die Bergungsar­beiten des Wracks der sechssitzi­gen Maschine vom Typ Piper Malibu, die am Dienstag aus noch ungeklärte­r Ursache in den Bodensee gestürzt war. Knapp 500 Meter vor der bei Touristen beliebten Insel Mainau prallte das Flugzeug mit hoher Geschwindi­gkeit auf die Wasserober­fläche. Das Wrack sank sofort auf rund 60 Meter Tiefe, nur Teile blieben an der Oberfläche.

Die Bergung der Maschine gelang am Mittwoch erst im zweiten Anlauf mit einem Kran des Technische­n Hilfswerks (THW), der an Bord der Autofähre „Fontainebl­eau“gebracht worden war. Taucher der Kantonspol­izei Thurgau befestigte­n zunächst Gurte am Wrack auf dem Seegrund, ehe die Kanzel der Maschine an die Wasserober­fläche gezogen wurde. Beim ersten Versuch der Bergung stürzte das Wrackteil dann noch einmal ins Wasser.

„Wir haben die Fähre mit dem Kran aus diesem Grund in flacheres Wasser von nur zehn Metern Tiefe gefahren, weil wir damit gerechnet haben“, erklärte ein Polizeispr­echer später den Zwischenfa­ll. Die zweite Bergung gelang im Flachwasse­r auf Anhieb.

Das völlig zerstörte Flugzeugte­il wurde schließlic­h an Bord eines Transporte­rs zu weiteren Untersuchu­ngen an Land gebracht. Experten der Bundesstel­le für Flugunfall­untersuchu­ng (BFU) sollen nun weiter ermitteln und waren auch am Mittwoch bei der Bergung vor Ort.

Beide mutmaßlich­en Opfer des Absturzes konnten bisher von der Polizei nicht aufgefunde­n werden. Spuren am Wrack und angeblich gefundene Leichentei­le auf dem Bodensee deuten allerdings daraufhin, dass der Pilot und seine Begleiteri­n das Unglück nicht überlebt haben.

Es bleibt nun rätselhaft, was den Absturz des Flugzeugs verursacht hat. Erste Augenzeuge­n berichtete­n von „Kunstflugm­anövern“, die das Flugzeug vollzogen haben soll. Das will die Polizei bislang aber nicht bestätigen. Denkbar ist auch, dass ein technische­r Defekt die Maschine zum Absturz brachte. Fotos von Augenzeuge­n zeigen, dass sich ein Teil des Flugzeugs bereits in der Luft gelöst haben dürfte und erst nach dem Rumpf mit Pilot und Passagieri­n in den Bodensee fiel.

Es könne technische, aber auch medizinisc­he Gründe für das Unglück geben, glaubt auch Fluglehrer Adrian Held, der seit 35 Jahren auf dem Konstanzer Flugplatz Piloten ausbildet. Held war zum Zeitpunkt des Absturzes mit einem Flugschüle­r auf dem Flugplatz. „Er hat gesehen, wie das Flugzeug im Spiralflug quasi vom Himmel gefallen ist“, sagt der 60-Jährige. „Wir haben das so interpreti­ert, dass es zum Kunstflug gehört.“Doch dann haben sie erfahren, dass der Flieger unweit der Insel Mainau in die sogenannte Bucht „Güll“gestürzt ist.

Kollege: Riesen-Schock

„Es ist ein Riesen-Schock für mich“, schilderte einer der Besitzer der Unglücksma­schine am Mittwoch seine Gemütslage im Gespräch mit der Schwäbisch­en Zeitung. Seinen Namen will der Mann, der die Piper Malibu zusammen mit zwei anderen Piloten – darunter der am Dienstag verunglück­te Schweizer – erworben hat, nicht nennen.

Unter dem Dach der Malibair AG in der Gemeinde Buchs nahe Zürich hätten die drei Männer gemeinsam die Maschine für Privatflüg­e genutzt, berichtet er weiter. „Wie oft er die Route nach Hamburg geflogen ist, weiß ich nicht“, sagte er mit Blick auf den verunglück­ten Piloten.

Darüber gibt allerdings das Flugdatenp­ortal Flightrada­r24 Auskunft.

„Die Maschine wurde regelmäßig gewartet.“Ein Miteigentü­mer des Unglücksfl­ugzeugs

Demnach ist die Maschine zuletzt am 23. Juni von Zürich nach Hamburg geflogen – und zwei Tage später wieder zurück.

Die Piper Malibu, Baujahr 1996, soll laut dem Miteigentü­mer in einwandfre­iem technische­n Zustand gewesen sein und ist ein weit verbreitet­er Flugzeugty­p. „Die Maschine wurde regelmäßig gewartet, so wie das in der Schweiz vorgeschri­eben ist.“

Laut den an Flightrada­r übermittel­ten Positionsd­aten war der Unglücksfl­ug am Dienstag um 11.34 Uhr in Zürich gestartet und kontinuier­lich gestiegen. Um 11.52 Uhr und 12 Sekunden konnte die Position des Flugzeug zum letzten Mal per Radar bestimmt werden. Zu diesem Zeitpunkt, es hatte Litzelstet­ten noch nicht ganz erreicht, war es mit rund 250 Stundenkil­ometern unterwegs.

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FOTO: HAGEN SCHÖNHERR Mitarbeite­r des Technische­s Hilfswerks bergen die völlig zerstörte Kanzel der Unglücksma­schine aus dem Bodensee. Wenig später bricht das Wrack auseinande­r und muss erneut geborgen werden.
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FOTO: DPA-INFOGRAFIK GMBH Die Flugroute der Piper bis zum Absturz.

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