Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Messerattacke: Ist der Täter schuldunfähig?
In Memmingen ging ein Häftling mit umgebauter Rasierklinge auf Justizbeamte los
MEMMINGEN - Er wird in Handschellen in den Sitzungssaal geführt und bekommt diese auch während der Verhandlung nicht abgenommen: Seit Dienstag muss sich ein 22 Jahre alter Pole vor dem Memminger Landgericht verantworten, der am 27. November vergangenen Jahres im Gefängnis Memmingen auf Vollzugsbeamte und andere Häftlinge losgegangen war. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Totschlag, gefährliche Körperverletzung und Nötigung vor. Die Anklagebehörde hat beantragt, den jungen Mann in einer Psychiatrie unterzubringen, da er an einer paranoiden Schizophrenie leide.
Er trägt ein rot-gelb kariertes Hemd, ein rotes Halstuch und sein Kopf ist kahl rasiert. Der Mann auf der Anklagebank gibt die ihm zur Last gelegten Taten zu. Er habe Hass auf Polizisten gehabt, weil er in Polen und Spanien schlecht behandelt worden sei. Er habe die Justizbeamten erschrecken, aber nicht verletzen wollen, lässt er die Dolmetscherin übersetzen. Und er entschuldigt sich bei einem Mithäftling, der ebenfalls durch Stiche verletzt wurde und in dem Prozess als Nebenkläger auftritt.
Heißes Wasser ins Gesicht
Am 27. November vergangenen Jahres, einem Sonntag, war die Situation im Gefängnis gegen 15.20 Uhr bei der Essensausgabe eskaliert. Unvermittelt schüttete der junge Untersuchungshäftling, der jetzt auf der Anklagebank sitzt, einem Vollzugsbeamten heißes Teewasser ins Gesicht und verletzte ihn. Beim anschließenden Gerangel fuchtelte der 22-Jährige mit einer Rasierklinge in der Hand herum und verletzte unter anderem einen Mithäftling. Drei Beamte erlitten sogar so schwere Verletzungen, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. „Zumindest die Verletzung im Halsbereich war potenziell lebensgefährlich“, heißt es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft über die Schnittwunden eines Beamten.
Zwei Tage nach diesem Vorfall attackierte der Mann erneut Polizeibeamte, die ihn aus der Arrestzelle holen und beim Amtsgericht vorführen sollten. „Ich habe erkannt, dass von ihm eine latente Gefahr ausgeht“, sagt ein Kriminalbeamter im Zeugenstand. Der Mann sei seit seiner Kindheit verhaltensauffällig.
Brotkästen und andere Gegenstände habe der 22-Jährige durch die Gegend geschmissen, schildert ein 38-jähriger Vollzugsbeamter, der an jenem Sonntagnachmittag im Dienst war. Möglicherweise hatte der geständige Täter den Angriff seit Längerem geplant. Denn laut Ermittlern hatte er sich aus einem Einwegrasierer ein Messer als Waffe gebastelt.
Mit dem Gesetz war der junge Pole schon früher wiederholt in Konflikt gekommen. So hatte er Ladendiebstähle begangen und auch vorher schon versucht, Polizisten anzugreifen. Zwei Gutachter, die in der Verhandlung anwesend sind, sollen sich ein Bild vom psychischen Zustand des 22-Jährigen machen. Ziel des Sicherungsverfahrens ist die Unterbringung des Mannes in einer geschlossenen Anstalt. Dies kann angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, dass ein psychisch Kranker für die Allgemeinheit gefährlich ist.