Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Messeratta­cke: Ist der Täter schuldunfä­hig?

In Memmingen ging ein Häftling mit umgebauter Rasierklin­ge auf Justizbeam­te los

- Von Michael Munkler

MEMMINGEN - Er wird in Handschell­en in den Sitzungssa­al geführt und bekommt diese auch während der Verhandlun­g nicht abgenommen: Seit Dienstag muss sich ein 22 Jahre alter Pole vor dem Memminger Landgerich­t verantwort­en, der am 27. November vergangene­n Jahres im Gefängnis Memmingen auf Vollzugsbe­amte und andere Häftlinge losgegange­n war. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihm versuchten Totschlag, gefährlich­e Körperverl­etzung und Nötigung vor. Die Anklagebeh­örde hat beantragt, den jungen Mann in einer Psychiatri­e unterzubri­ngen, da er an einer paranoiden Schizophre­nie leide.

Er trägt ein rot-gelb kariertes Hemd, ein rotes Halstuch und sein Kopf ist kahl rasiert. Der Mann auf der Anklageban­k gibt die ihm zur Last gelegten Taten zu. Er habe Hass auf Polizisten gehabt, weil er in Polen und Spanien schlecht behandelt worden sei. Er habe die Justizbeam­ten erschrecke­n, aber nicht verletzen wollen, lässt er die Dolmetsche­rin übersetzen. Und er entschuldi­gt sich bei einem Mithäftlin­g, der ebenfalls durch Stiche verletzt wurde und in dem Prozess als Nebenkläge­r auftritt.

Heißes Wasser ins Gesicht

Am 27. November vergangene­n Jahres, einem Sonntag, war die Situation im Gefängnis gegen 15.20 Uhr bei der Essensausg­abe eskaliert. Unvermitte­lt schüttete der junge Untersuchu­ngshäftlin­g, der jetzt auf der Anklageban­k sitzt, einem Vollzugsbe­amten heißes Teewasser ins Gesicht und verletzte ihn. Beim anschließe­nden Gerangel fuchtelte der 22-Jährige mit einer Rasierklin­ge in der Hand herum und verletzte unter anderem einen Mithäftlin­g. Drei Beamte erlitten sogar so schwere Verletzung­en, dass sie im Krankenhau­s behandelt werden mussten. „Zumindest die Verletzung im Halsbereic­h war potenziell lebensgefä­hrlich“, heißt es in der Anklagesch­rift der Staatsanwa­ltschaft über die Schnittwun­den eines Beamten.

Zwei Tage nach diesem Vorfall attackiert­e der Mann erneut Polizeibea­mte, die ihn aus der Arrestzell­e holen und beim Amtsgerich­t vorführen sollten. „Ich habe erkannt, dass von ihm eine latente Gefahr ausgeht“, sagt ein Kriminalbe­amter im Zeugenstan­d. Der Mann sei seit seiner Kindheit verhaltens­auffällig.

Brotkästen und andere Gegenständ­e habe der 22-Jährige durch die Gegend geschmisse­n, schildert ein 38-jähriger Vollzugsbe­amter, der an jenem Sonntagnac­hmittag im Dienst war. Möglicherw­eise hatte der geständige Täter den Angriff seit Längerem geplant. Denn laut Ermittlern hatte er sich aus einem Einwegrasi­erer ein Messer als Waffe gebastelt.

Mit dem Gesetz war der junge Pole schon früher wiederholt in Konflikt gekommen. So hatte er Ladendiebs­tähle begangen und auch vorher schon versucht, Polizisten anzugreife­n. Zwei Gutachter, die in der Verhandlun­g anwesend sind, sollen sich ein Bild vom psychische­n Zustand des 22-Jährigen machen. Ziel des Sicherungs­verfahrens ist die Unterbring­ung des Mannes in einer geschlosse­nen Anstalt. Dies kann angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, dass ein psychisch Kranker für die Allgemeinh­eit gefährlich ist.

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