Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Bad Wurzach sucht neues Konzept für Jugendarbeit
Nach langer Pause steht die Stadt bei null – „Wilde“Jugendtreffpunkte stören Anwohner
BAD WURZACH - Auf völlig neue Füße stellen muss die Stadt Bad Wurzach ihre Jugendarbeit. Mehr als zwei Jahre hat sie brach gelegen, da der Jugendbeauftragte wegen Krankheit ausgefallen war. Bemühungen der Verwaltung, die Stelle befristet zu besetzen, waren gescheitert.
Mittlerweile ist Konrad Sonntag wieder im Amt, das er ab Herbst 2013 ein gutes Jahr bereits ausgeübt hatte. Doch muss er bei der Jugendarbeit wieder von null beginnen. Die Räume im Ziegelwiesenweg, die früher als Jugendtreffpunkt genutzt wurden, stehen nicht mehr zur Verfügung. Die Jugendlichen, mit denen Sonntag in seiner Anfangsphase vor etwa drei Jahren Kontakte geknüpft hatte, sind zum Großteil erwachsen.
Die nachkommende Jugend steht derzeit ohne regulären Treffpunkt da. Ende März dieses Jahres hatten einige von ihnen den Weg in den Gemeinderat gefunden, wo sie ihr Leid klagten. Bei Wind und Wetter stünden sie gleichsam auf der Straße, sie wüssten nicht wohin, sagten sie im Gremium. Ihr vorgetragener Wunsch: wieder ein Jugendzentrum oder Jugendzimmer zu haben. Sie boten auch ihre Hilfe beim Einrichten an.
Lärm und Müll treiben Anwohner auf die Barrikaden
Derweil aber sucht sich die Jugend selbst einen Treffpunkt. Einer davon ist der Radunterstand beim Pausenhof des Schulzentrums. Wo sie wiederum die Anwohner stören.
Mit einem offenen Brief an Bürgermeister Roland Bürkle und die Polizei haben sie kürzlich ein Einschreiten gegen den nächtlichen Lärm, den Jugendliche machen, gefordert. Die jungen Menschen müssten ein „anderen entsprechenden Treffpunkt“bekommen, schrieben die Anwohner.
„Wir, die Anwohner des Breitewegs, der Kolb- und Kälinstraße, sind es leid, jeden Abend den Krach und Radau auf dem Schulgelände beziehungsweise dem Pausenhof sowie bei dem überdachten Fahrradplatz ertragen zu müssen“, heißt es in dem Brief, den mehr als zwei Dutzend Anwohner unterschrieben haben.
Immer wieder sei auch Alkohol im Spiel, haben sie beobachtet. „Auch wird generell die Anlage mit motorisierten Fahrzeugen egal zu welcher Uhrzeit befahren, was erheblich zur Ruhestörung beiträgt.“
Es bestehe Handlungsbedarf, so die Anwohner von Verwaltung und Polizei und regen „mehrmalige unverhoffte Kontrollen“an. „Nach Aussage eines Jugendlichen sei er schon zwei Monate hier und die Polizei hätte sich noch kein einziges Mal blicken lassen“, heißt es im Brief dazu. Man wolle „nicht kleinlich sein, wir fühlen uns aber in unserer Nachtruhe erheblich gestört, da diese Treffen oft auch nach Mitternacht zu Ende sind und eindeutig dem Begriff ,Ruhestörung’ zuzuordnen sind.“
Grundsätzlich habe man Verständnis für die Jugend, so einer der Unterzeichner im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Man wisse um die Problematik des fehlenden Jugendraums. „Klar, dass sich die Jungen dann irgendwo anders treffen.“Daher fordern die Anwohner in ihrem Schreiben auch, „den Jugendlichen einen anderen entsprechenden Treffpunkt anzubieten“.
So weit ist die Stadt aber in ihren Überlegungen noch nicht. Bürkle habe den Anwohnern mittlerweile geantwortet, heißt es dazu aus der Stadtverwaltung auf SZ-Anfrage. Das konkrete Problem wolle man „mit einer Ausweitung der Kameraüberwachung am Schulzentrum, dem Einsatz des Jugendarbeiters vor Ort sowie der Bitte an die Polizei, den Bereich verstärkt zu kontrollieren“, lösen.
Thema soll nach der Sommerpause zeitnah in den Rat
Sollte dies erfolgreich sein, ist es sicher freilich nur eine Frage der Zeit, bis das gleiche Problem an einer anderen Stelle im Stadtgebiet auftritt. Denn: Ein grundsätzliches Konzept für die künftige Jugendarbeit der Stadt sei noch in Arbeit, heißt es aus dem Rathaus weiter. Nach der Sommerpause solle dieses Thema „zeitnah im Gemeinderat vorgestellt“werden.
Im März hatte Bürgermeister Bürkle in seiner Antwort auf die Ausführungen der Jugendlichen gesagt, erst wenn diese neue Konzeption steht, sei es sinnvoll, auch die Frage nach einem Jugendzentrum zu erörtern.
Untätig war die Stadt während der langen krankheitsbedingten Abwesenheit des Jugendbeauftragten nicht gewesen – aber erfolglos. „Wir müssen die Stelle wieder besetzen, sonst bricht alles zusammen“, hatte Bürkle im Dezember 2015 gesagt, als er sich im Gemeinderat das Okay dafür holte, die Stelle befristet wieder zu besetzen. Zwar bemühe sich die Verwaltung nach Kräften, so Bürkle damals, den Ausfall zu kompensieren, doch letztlich könne das nur Flickwerk sein. Bereits aufgebaute Netzwerke drohen zu reißen, die Jugendlichen seien zunehmend frustriert.
Das Gremium hatte sich dabei auch einstimmig hinter den Bürgermeister gestellt, war bereit, Geld für die zusätzliche Stelle auszugeben. Allerdings meldete sich auf die Stellenausschreibung kein geeigneter Bewerber. Es hätten sich eine Schwangere, eine Praktikantin und eine Friseurin beworben, berichtete Bürgermeister Bürkle leicht frustriert im März 2016 dem Gemeinderat. Danach wurden Bemühungen um eine Neubesetzung aufgegeben.