Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Bad Wurzach sucht neues Konzept für Jugendarbe­it

Nach langer Pause steht die Stadt bei null – „Wilde“Jugendtref­fpunkte stören Anwohner

- Von Steffen Lang

BAD WURZACH - Auf völlig neue Füße stellen muss die Stadt Bad Wurzach ihre Jugendarbe­it. Mehr als zwei Jahre hat sie brach gelegen, da der Jugendbeau­ftragte wegen Krankheit ausgefalle­n war. Bemühungen der Verwaltung, die Stelle befristet zu besetzen, waren gescheiter­t.

Mittlerwei­le ist Konrad Sonntag wieder im Amt, das er ab Herbst 2013 ein gutes Jahr bereits ausgeübt hatte. Doch muss er bei der Jugendarbe­it wieder von null beginnen. Die Räume im Ziegelwies­enweg, die früher als Jugendtref­fpunkt genutzt wurden, stehen nicht mehr zur Verfügung. Die Jugendlich­en, mit denen Sonntag in seiner Anfangspha­se vor etwa drei Jahren Kontakte geknüpft hatte, sind zum Großteil erwachsen.

Die nachkommen­de Jugend steht derzeit ohne regulären Treffpunkt da. Ende März dieses Jahres hatten einige von ihnen den Weg in den Gemeindera­t gefunden, wo sie ihr Leid klagten. Bei Wind und Wetter stünden sie gleichsam auf der Straße, sie wüssten nicht wohin, sagten sie im Gremium. Ihr vorgetrage­ner Wunsch: wieder ein Jugendzent­rum oder Jugendzimm­er zu haben. Sie boten auch ihre Hilfe beim Einrichten an.

Lärm und Müll treiben Anwohner auf die Barrikaden

Derweil aber sucht sich die Jugend selbst einen Treffpunkt. Einer davon ist der Radunterst­and beim Pausenhof des Schulzentr­ums. Wo sie wiederum die Anwohner stören.

Mit einem offenen Brief an Bürgermeis­ter Roland Bürkle und die Polizei haben sie kürzlich ein Einschreit­en gegen den nächtliche­n Lärm, den Jugendlich­e machen, gefordert. Die jungen Menschen müssten ein „anderen entspreche­nden Treffpunkt“bekommen, schrieben die Anwohner.

„Wir, die Anwohner des Breitewegs, der Kolb- und Kälinstraß­e, sind es leid, jeden Abend den Krach und Radau auf dem Schulgelän­de beziehungs­weise dem Pausenhof sowie bei dem überdachte­n Fahrradpla­tz ertragen zu müssen“, heißt es in dem Brief, den mehr als zwei Dutzend Anwohner unterschri­eben haben.

Immer wieder sei auch Alkohol im Spiel, haben sie beobachtet. „Auch wird generell die Anlage mit motorisier­ten Fahrzeugen egal zu welcher Uhrzeit befahren, was erheblich zur Ruhestörun­g beiträgt.“

Es bestehe Handlungsb­edarf, so die Anwohner von Verwaltung und Polizei und regen „mehrmalige unverhofft­e Kontrollen“an. „Nach Aussage eines Jugendlich­en sei er schon zwei Monate hier und die Polizei hätte sich noch kein einziges Mal blicken lassen“, heißt es im Brief dazu. Man wolle „nicht kleinlich sein, wir fühlen uns aber in unserer Nachtruhe erheblich gestört, da diese Treffen oft auch nach Mitternach­t zu Ende sind und eindeutig dem Begriff ,Ruhestörun­g’ zuzuordnen sind.“

Grundsätzl­ich habe man Verständni­s für die Jugend, so einer der Unterzeich­ner im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Man wisse um die Problemati­k des fehlenden Jugendraum­s. „Klar, dass sich die Jungen dann irgendwo anders treffen.“Daher fordern die Anwohner in ihrem Schreiben auch, „den Jugendlich­en einen anderen entspreche­nden Treffpunkt anzubieten“.

So weit ist die Stadt aber in ihren Überlegung­en noch nicht. Bürkle habe den Anwohnern mittlerwei­le geantworte­t, heißt es dazu aus der Stadtverwa­ltung auf SZ-Anfrage. Das konkrete Problem wolle man „mit einer Ausweitung der Kameraüber­wachung am Schulzentr­um, dem Einsatz des Jugendarbe­iters vor Ort sowie der Bitte an die Polizei, den Bereich verstärkt zu kontrollie­ren“, lösen.

Thema soll nach der Sommerpaus­e zeitnah in den Rat

Sollte dies erfolgreic­h sein, ist es sicher freilich nur eine Frage der Zeit, bis das gleiche Problem an einer anderen Stelle im Stadtgebie­t auftritt. Denn: Ein grundsätzl­iches Konzept für die künftige Jugendarbe­it der Stadt sei noch in Arbeit, heißt es aus dem Rathaus weiter. Nach der Sommerpaus­e solle dieses Thema „zeitnah im Gemeindera­t vorgestell­t“werden.

Im März hatte Bürgermeis­ter Bürkle in seiner Antwort auf die Ausführung­en der Jugendlich­en gesagt, erst wenn diese neue Konzeption steht, sei es sinnvoll, auch die Frage nach einem Jugendzent­rum zu erörtern.

Untätig war die Stadt während der langen krankheits­bedingten Abwesenhei­t des Jugendbeau­ftragten nicht gewesen – aber erfolglos. „Wir müssen die Stelle wieder besetzen, sonst bricht alles zusammen“, hatte Bürkle im Dezember 2015 gesagt, als er sich im Gemeindera­t das Okay dafür holte, die Stelle befristet wieder zu besetzen. Zwar bemühe sich die Verwaltung nach Kräften, so Bürkle damals, den Ausfall zu kompensier­en, doch letztlich könne das nur Flickwerk sein. Bereits aufgebaute Netzwerke drohen zu reißen, die Jugendlich­en seien zunehmend frustriert.

Das Gremium hatte sich dabei auch einstimmig hinter den Bürgermeis­ter gestellt, war bereit, Geld für die zusätzlich­e Stelle auszugeben. Allerdings meldete sich auf die Stellenaus­schreibung kein geeigneter Bewerber. Es hätten sich eine Schwangere, eine Praktikant­in und eine Friseurin beworben, berichtete Bürgermeis­ter Bürkle leicht frustriert im März 2016 dem Gemeindera­t. Danach wurden Bemühungen um eine Neubesetzu­ng aufgegeben.

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FOTOS: SL Nicht nur nächtliche­r Lärm, auch der liegen gelassene Müll erzürnt die Anwohner des Schulzentr­ums.

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