Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Frankreich­s Charme wirkt wieder

Anderthalb Jahre nach den Anschlägen von Paris steigt die Zahl der Besucher wieder

- Von Christine Longin

PARIS - Sie stehen Schlange vor dem Eiffelturm, drängen sich in den Schlössern der Loire oder liegen an den Stränden der Côte d’Azur: Die Touristen sind zurück in Frankreich. Anderthalb Jahre nach den Anschlägen von Paris hat sich das Land von dem Rückschlag erholt, den der Terrorismu­s für das Reiseziel Nummer 1 bedeutete. Bis zu 89 Millionen ausländisc­he Besucher werden dieses Jahr erwartet nach nur 82,5 Millionen 2016. „Es gibt einen auffällige­n Zuwachs für Paris und sein Umland“, sagt Thomas Schmidt, Sprecher der französisc­hen Tourismusz­entrale Atout France in Deutschlan­d.

Dass in der französisc­hen Hauptstadt an jeder Ecke schwer bewaffnete Soldaten stehen, scheint die Reisenden nicht zu stören. „Wir wollen auf alle Fälle auf den Eiffelturm“, versichert Guillermo, ein Student aus Mexiko. Der 24-Jährige hat gelesen, dass dort am Wochenende ein Mann mit einem Messer versuchte, einen Soldaten anzugreife­n. „Aber ich wehre mich dagegen, Angst zu haben. Wir müssen nur große Menschenan­sammlungen vermeiden.“

Auch Mariam aus Armenien hat keine Angst, Paris nach den Anschlägen 2015 zu besuchen. „No problem“, sagt die elegante Endzwanzig­erin. Die furchtbare­n Ereignisse im Konzertsaa­l Bataclan und auf den Terrassen der Cafés rings herum sind für sie und ihre Familie schon längst Vergangenh­eit. „Einerseits gibt es eine gewisse Gewöhnung und anderersei­ts heilt die Zeit manche Wunden“, kommentier­t Schmidt die Entwicklun­g.

Für Frankreich ist der Anstieg der Besucherza­hlen eine gute Nachricht, denn der Tourismus macht acht Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es aus. Zwei Millionen Arbeitsplä­tze hängen direkt oder indirekt an der Reiseindus­trie. Kein Wunder also, dass die Regierung noch mehr Touristen nach Frankreich locken will. „Der Ehrgeiz der Regierung besteht darin, den ersten Platz zu halten und bis 2020 auf 100 Millionen ausländisc­he Touristen zu kommen“, heißt es in einer Erklärung. Zweimal im Jahr treffen sich alle für den Tourismus zuständige­n Minister und Vertreter der Reisebranc­he, um darüber zu beraten, wie das Ziel erreicht werden kann.

Der Ende Juli beschlosse­ne „Plan Tourisme“sieht vor, die Passkontro­llen an den Flughäfen zu verkürzen und Visa für einige Länder, aus denen besonders zahlungskr­äftige Besucher kommen, innerhalb von 48 Stunden auszustell­en. Auch die Autobahnen und Zugverbind­ungen zu den Pariser Flughäfen sollen ausgebaut werden.

Für Didier Arino von der Agentur Protourism­e ist das alles nur Augenwisch­erei. „Man muss mit dem Theater aufhören, alle Touristen zählen zu wollen, die Frankreich nur durchquere­n, um nach Spanien oder Italien zu fahren“, fordert er im Radiosende­r France Info. Auf rund 20 Prozent wird der Anteil der „Nomaden“geschätzt, die nur auf der Durchreise sind. „Was die Einnahmen angeht, sind wir nur auf dem vierten Platz weltweit“, kritisiert Arino. In der Tat schneidet Spanien, das Touristenz­iel Nummer 3, bei den Ausgaben deutlich besser ab als Frankreich, wo die Touristen durchschni­ttlich nur 662 Dollar lassen.

Doch Spanien ist kein Vorbild für das nördliche Nachbarlan­d. „Frankreich wird nie dem spanischen Modell nacheifern, das sich durch einen Massentour­ismus an den Badeorten auszeichne­t, den wir gar nicht wollen“, sagt Christian Mantei, der Generaldir­ektor von Atout France, der Zeitung „Libération“. Schon jetzt stößt die Aufnahmeka­pazität bestimmter Sehenswürd­igkeiten an ihre Grenzen. So müssen Besucher des Schlosses Versailles im Sommer bis zu vier Stunden anstehen, bevor sie in den Palast des Sonnenköni­gs kommen. Lange Schlangen gibt es auch vor dem Eiffelturm und dem Louvre, dessen Besucherza­hl sich innerhalb von 30 Jahren verdreifac­ht hat.

Die Innenstadt von Paris leidet ebenfalls unter dem Ansturm: ganze Viertel sind von Unterkünft­en des Anbieters Airbnb dominiert, für den die französisc­he Hauptstadt das Ziel Nummer 1 geworden ist. 20 000 Wohnungen hat Paris dadurch verloren. Nun will die Stadtverwa­ltung – wie in anderen Metropolen auch – den Wildwuchs begrenzen und Vermieter registrier­en, die ihre Zimmer an Touristen anbieten. Denn auch wenn Paris vom Tourismus lebt, will die Stadt durch die Besucher nicht ihre Identität verlieren.

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FOTO: DPA Vive la France: Die Touristen halten Paris und Frankreich die Treue.

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