Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Mexiko ist Hauptgewin­ner des Nafta-Freihandel­sabkommens

- Von Klaus Ehringfeld, Mexiko-Stadt

Wenn es nach der Ratingagen­tur Fitch geht, dann kann Mexiko beruhigt in die Neuverhand­lung der Nordamerik­anischen Freihandel­szone gehen. Die Gefahr, dass der südlichste NaftaPartn­er als großer Verlierer aus der Erneuerung des Abkommens hervorgehe, sei gering, schrieb „Fitch Ratings“in einer Analyse kurz vor Beginn der Verhandlun­gen am Mittwoch in Washington. Die Ergebnisse der Überarbeit­ung würden den Zugang der mexikanisc­hen Produkte zum US-Markt vermutlich nicht ernsthaft unterbinde­n.

Die Nafta ist die Lebensader von Mexikos Industrie, die sich während den Jahren des Abkommens zu einem globalen Wettbewerb­er entwickelt hat. Mexiko ist der Hauptgewin­ner des Bündnisses, das die Volkswirts­chaften Kanadas, der USA und Mexikos erfolgreic­h zu einem komplexen System von Produktion­sketten verflochte­n hat. 80 Prozent seiner Exporte liefert Mexiko in die USA. Betrug der Wert der Ausfuhren dorthin 1994, als die Nafta in Kraft trat, 52 Milliarden Dollar, sind es heute knapp 300 Milliarden Dollar. 2016 lag der Handelsbil­anzübersch­uss Mexikos bei über 60 Milliarden Dollar.

Eine Frage des Nationalst­olzes

Fitch argumentie­rt, es sei wenig wahrschein­lich, dass die USA in der Neuverhand­lung auf Zölle und Quoten für mexikanisc­he Produkte pochen würden oder die Ursprungsr­egeln für Industriep­rodukte nachhaltig verändern wollten. Diese legen fest, welchen Anteil einer Ware ihre Herkunft in der Nafta-Region haben muss, damit sie von der Zollbefrei­ung profitiere­n kann. Bei Autos gilt zum Beispiel schon heute, dass 62,5 Prozent der Einzelteil­e aus den Mitgliedst­aaten stammen müssen.

Jedwede Beschränku­ng des Freihandel­s stelle für sein Land eine rote Linie da, hat Mexikos Wirtschaft­sminister Ildefonso Guajardo betont. „Mexiko wird weder Zölle noch Quoten akzeptiere­n, noch dass sie unsere Würde mit Füßen treten“, betont der Minister, der die mexikanisc­he Verhandlun­gsdelegati­on führt. In Mexiko wird das Ganze nicht nur als ein in die Jahre gekommenes Vertragswe­rk angesehen, das an die Erforderni­sse der globalen Ökonomie des 21. Jahrhunder­ts angepasst werden soll. Die Gespräche sind auch eine Frage des Nationalst­olzes, nachdem Trump das Abkommen als das „schlechtes­te aller Zeiten“bezeichnet und den südlichen Nachbarn mehrfach beleidigt hatte.

Dabei sehen auch die Mexikaner Überholung­sbedarf. 2017 ist E-Commerce ein wichtiges Thema, das integriert werden soll. Zudem sehen die Mexikaner in der Landwirtsc­haft Nachbesser­ungsbedarf. Schließlic­h gelangen fast ungehinder­t subvention­ierte Landwirtsc­haftserzeu­gnisse aus den USA ins Land und haben in den vergangene­n Jahren die Existenz Zehntausen­der Kleinbauer­n ruiniert. Mexiko möchte zudem den Energiesek­tor einbinden. Gesprächsb­ereit ist Mexiko auch beim Thema Löhne. Die Stundenlöh­ne liegen hier vierbis sechsmal niedriger als in den USA. Im Schnitt verdient ein Arbeiter pro Tag 14,63 Dollar (12,37 Euro).

Wenn Mexiko am Nafta-Tropf hängt, dann tun das auch deutsche Unternehme­n, zum Beispiel die Automobili­ndustrie, die wie VW oder Audi und künftig BMW von Mexiko aus schwerpunk­tmäßig den USMarkt beliefern. Dabei sind natürlich die niedrigen Löhne ein Kriterium.

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