Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Andere Baustellen
Es verwundert zunächst, dass Daimler das Abenteuer
Toll Collect nicht weiter fortsetzen will. Denn das Eintreiben der Maut dürf- te in den nächsten Jahren immer lukrativer werden: Wenn nämlich ein Betreiber nicht nur für die Lkw-Maut zuständig ist, sondern auch für die Pkw-Maut für Ausländer auf deutschen Straßen, dann rentiert sich dieses Geschäft schon eher. Und wenn es tatsächlich soweit kommen sollte, dass sich EU-weit ein einheitliches Mautsystem durchsetzt, dann dürfte dieser Markt wirklich lohnen.
Daimler jedoch scheint andere Pläne zu haben. Es hatte zunächst gehofft, als weltgrößter Lkw-Hersteller seine Telematikdienste über die Mautbox zu vermarkten. Dann hatten die Stuttgarter offenbar darauf spekuliert, auch aus der Mauttechnologie für ihre eigene Entwicklung Honig zu saugen. Das scheint sich nicht erfüllt zu haben. Inzwischen gibt es aber auch ganz andere Rahmenbedingungen: Wer hatte zu Beginn des Jahrtausends schon ernsthaft damit gerechnet, dass wir heute über automatisiertes und vernetztes Fahren sprechen? Dass inzwischen nicht nur über Mautboxen Daten gesammelt werden, sondern auch an anderen Schnittstellen im Auto? Insofern hat sich dieser damalige Ansatz wahrscheinlich überlebt. Und wenn man dann noch die Anlaufschwierigkeiten von Toll Collect in den ersten Jahren betrachtet, die dem Ruf des Daimler-Konzerns geschadet haben, dann kann man nachvollziehen, dass die Manager jetzt die Reißleine ziehen. Schließlich gibt es genügend andere Baustellen wie der Antriebstechnik, an denen man arbeiten kann – mit Hoffnung auf höhere Gewinne und die Mehrung der eigenen Reputation.