Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ungewollte Aufmerksam­keit

- Von Thorsten Kern

Über diese Szene wird noch wochenlang gesprochen. Beim Spiel des TSV Eschach gegen den SV Kehlen in der FußballLan­desliga klärte ein jahrelange­r Mitarbeite­r des TSV in der Nachspielz­eit den Ball von der Linie (die SZ berichtete). Bundesweit­e Aufmerksam­keit ist den Eschachern damit sicher. Aufmerksam­keit, auf die einige im Verein gerne verzichtet hätten. Martin Blank, Sportliche­r Leiter des Landesligi­sten, ist einer, der überhaupt nicht über die Szene lachen kann. „Das war unnötig wie ein Kropf und hat mir richtig viel Arbeit verschafft“, stöhnt Blank im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der Sportliche Leiter bekommt Zuschrifte­n von überallher, er muss eine Stellungna­hme des Vereins an den Württember­gischen Fußball-Verband schreiben und kümmert sich seit Sonntag fast nur noch um die Auswirkung­en des Zwischenfa­lls.

Auch überregion­ale Medien, darunter Sport 1, Bild, Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs und auch schon die Sportschau, sowie laut SVK ein ausländisc­her Fußballver­band, der das Video gerne als Lehrmateri­al hätte, sind auf die Szene aufmerksam geworden. „Natürlich wird darüber geschmunze­lt“, sagt Blank. „Aber ich als Sportliche­r Leiter finde das überhaupt nicht lustig.“Das Verhalten des langjährig­en Vereinsmit­arbeiters bezeichnet Blank „als absoluten Blackout“. Der Mann ist seit 1968 im Verein, seit 35 Jahren kümmert er sich laut Blank um die Platzpfleg­e. „Wir werden ihn nicht an den Pranger stellen.“

Konsequenz­en wird der Vorfall dennoch haben – für den Verursache­r und den Verein. „Sie werden eine Strafe erhalten“, ist sich Ralf Hübner sicher. Der Obmann der Schiedsric­htergruppe Ravensburg ist seit Jahrzehnte­n im Geschäft. Szenen wie jene am Samstag in Eschach seien zwar immer mal wieder Fragen bei Theoriesch­ulungen.

„Aber es war für mich unvorstell­bar, dass so etwas tatsächlic­h mal passiert“, sagt Hübner. „Alles, was Theorie ist, wird eben doch irgendwann mal Praxis.“

Schiedsric­hter Christoph Zürn hatte die Begegnung beim Stand von 1:0 für den SV Kehlen nach der Szene in der fünften Minute der Nachspielz­eit abgepfiffe­n. Eigentlich die falsche Entscheidu­ng. „Es hätte Schiedsric­hterball geben müssen“, meint Hübner. „Aber es war dennoch eine kluge Reaktion von ihm.“So habe Zürn vielleicht noch größere Diskussion­en vermieden. „Zum Glück“, so der Schiedsric­hter-Obmann, „war das Spiel in der Nachspielz­eit und schon entschiede­n.“

Blank lobt derweil das Verhalten der Zuschauer – und vor allem die Reaktion des SV Kehlen. „Alle haben vorbildlic­h reagiert und waren sehr fair.“SVK-Trainer Michael Steinmaßl hatte nach der Partie gesagt: „So etwas habe ich in 35 Jahren auf dem Sportplatz noch nicht gesehen. Ich fand’s ehrlich gesagt auch lustig.“Blank stellte den Kehlenern gleich eine Kiste Bier vor die Kabine, am Montag sprach der Sportliche Leiter mit dem Verursache­r und wollte mit ihm zusammen dann zum Training des SV Kehlen gehen. „Er soll sich direkt bei den Spielern und Trainern entschuldi­gen“, fordert Blank. „Das war schließlic­h nicht die feine englische Art.“Warum er auf den Rasen rannte, wisse der Mann laut Blank selbst nicht. „Es ist ihm sehr peinlich, er kann es selbst nicht nachvollzi­ehen.“Sekunden vor der Szene hatte der Verursache­r noch mit anderen Zuschauern gesprochen, plötzlich rannte er los. „Ich bin froh, dass er einsichtig ist“, sagt Blank.

Da Kehlen die Partie gewonnen hat, wird der SVK die Entschuldi­gung wohl annehmen. „Es ist schön, dass wir beim SVK auf vernünftig­e Gesprächsp­artner treffen“, lobt Blank. „Ich kann mich dafür beim SV Kehlen nur bedanken.“Eschachs Sportliche­r Leiter fürchtet jedoch noch eine harte Reaktion des Verbands.

„Der WFV ist zu recht not amused“, meint Blank. „Es wird eine Strafe geben, auch um Nachahmung­en zu verhindern.“Denn auch wenn sich viele im Internet über die Szene amüsieren – auf Aufmerksam­keit dieser Art hätten die TSV-Verantwort­lichen liebend gerne verzichtet. Wie der Württember­gische Fußball-Verband reagieren wird, steht noch nicht fest. Eine Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“an den WFV blieb bis zum Abend unbeantwor­tet. Das Schiedsger­icht des Verbandes wird die Stellungna­hme des TSV Eschach beurteilen sowie den Zusatzberi­cht von Schiedsric­hter Christoph Zürn. Der „Torklau von Eschach“wird also auch in den kommenden Tagen für weiteren Gesprächss­toff sorgen.

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SCREENSHOT: SZ Die Fupa-Kamera hat es in Eschach aufgenomme­n: An Kehlens Bank wird bereits gejubelt, doch am linken Pfosten läuft der Zuschauer rein und grätscht den Ball von der Linie.

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