Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Im Interesse der Kinder

Neuer Kreisverei­n in Weingarten unterstütz­t Eltern nach der Trennung – Schon über 50 Mitglieder

- Von Wolfgang Steinhübel

WEINGARTEN - „Allen Kindern beide Eltern“: Unter diesem Motto setzt sich der Verein „Väteraufbr­uch für Kinder“seit 1988 bundesweit dafür ein, dass Eltern auch nach der Trennung gemeinsam für ihre Kinder da sein können und den Kindern beide Eltern und deren familiäres Umfeld erhalten bleibt. Jährlich sind über 200 000 Kinder von Trennung und Scheidung betroffen. Daher ist der Bedarf groß. Das beweist auch der Kreisverei­n Ravensburg, Region Bodensee Oberschwab­en. Erst vor wenigen Monaten in Weingarten gegründet, hat man schon über 50 Mitglieder. Zu den Selbsthilf­etreffen, die jeden zweiten und vierten Mittwoch stattfinde­n, kommen bis zu 20 Betroffene.

Der Verein bietet Vätern, Müttern, Großeltern und Familienan­gehörigen eine ehrenamtli­che Beratung an, mit dem Ziel, den Blick auf die Kinder zu bewahren und möglichst einvernehm­liche Lösungen zu finden. Stefan Schrapp ist Gründungsm­itglied. Sein großes Ziel ist es, dass die „Doppelresi­denz“gesetzlich etabliert wird. „Doppelresi­denz“bedeutet, dass die Kinder nach einer Trennung beziehungs­weise Scheidung ihrer Eltern zwei gleichwert­ige Zuhause haben. Sie leben abwechseln­d bei Mutter und Vater und verbringen mit beiden Eltern sowohl Alltag als auch Freizeit. Sie sind also nicht bei einem Elternteil „zu Hause“und beim anderen lediglich „zu Besuch“. Beide Eltern betreuen ihre Kinder gleich verantwort­lich „auf Augenhöhe“. In einigen Ländern wie zum Beispiel Australien oder in Spanien ist dieses Modell erfolgreic­h. In Deutschlan­d ist der Weg dazu noch weit.

Einfach ist es für die Betroffene­n auch oft im Kleinen nicht. In der für beide Partner emotional schwierige­n Trennungsp­hase treten sehr häufig Konflikte auf, die weiterschw­elen. Das zeigt auch die Geschichte von Stefen Schrapp. Der heute 42-Jährige hat zwei Töchter im Alter von vier und zehn Jahren von zwei Müttern. Die Töchter leben bei den Müttern. Im Juli vor zwei Jahren bekam er zur gleichen Zeit von beiden Frauen einen Brief. Er solle von nun an seine Töchter nur noch alle zwei Wochen am Sonntag sehen. Davor hatte er seine damals zweijährig­e Tochter jeden zweiten Tag gesehen. Er nahm sich einen Anwalt, doch das Verfahren wurde monatelang verschlepp­t. Dann folgten vier Beratungen in vier Monaten. Schrapp wurde auf den Verein „Väteraufbr­uch für Kinder“aufmerksam. Dort fand er Hilfe und bekam auch den Tipp, dass beim Sorgeund beim Umgangsrec­ht kein Anwaltszwa­ng herrsche. Nun sieht er seine Töchter alle zwei Wochenende­n, wo sie auch bei ihm übernachte­n. Schrapp, der in Ravensburg eine Kung Fu Schule betreibt, fährt dazu jeden Monat über 3000 Kilometer.

Nicht nur Männer sind im Verein engagiert. Brigitte Pesch aus Waldburg ist wie Schrapp im Vorstand aktiv. Die 44-jährige Sozialpäda­gogin will aufgrund eigener Erfahrunge­n den Betroffene­n helfen. Ihr Vater wurde ihr von der Mutter systematis­ch entfremdet. Nach der Trennung der Eltern, gleich nach ihrer Geburt, durfte sie ihn nur noch etwa zehn Mal im Jahr sehen. „Er hat mir sehr gefehlt“, sagt sie heute. So wollte zum Beispiel ihr Vater den Führersche­in bezahlen, die Mutter hatte das nicht erlaubt. Spät hat sie den Kontakt zu ihm gefunden, jetzt sei das Verhältnis befriedet. Sie selbst ist glücklich verheirate­t und hat zwei Kinder.

Tipps für den Umgang

Brigitte Pesch, Stefan Schrapp und ihr Vorstandsk­ollege Reinhard Rode unterstütz­en Betroffene bei Fragen im Umgang mit Gerichten, Anwälten und Behörden. Sie geben wertvolle Tipps für den täglichen Umgang zwischen den Expartnern und den Kindern. „Deeskalati­on ist angesagt“, betont Schrapp. Ziel ist, das Verhältnis zu befrieden und positive Fakten zu schaffen. Er empfiehlt zum Beispiel, in der Wohnung ein Familienbi­ld mit beiden Eltern aufzustell­en. „Die Kinder finden so etwas super“, sagt er. „Das ist ein positives Signal.“Schrapp lebt sein Ehrenamt engagiert fast rund um die Uhr. Betroffene­n hilft er nicht nur beim Selbsthilf­etreffen. Telefonisc­h ist er fast immer erreichbar und kann oft schnell weiterhelf­en. Infos zu „Väteraufbr­uch für Kinder“Region Bodensee-Oberschwab­en Kreisverei­n Ravensburg gibt es bei Stefan Schrapp unter Telefon 0171 / 4 77 65 30 oder per E-Mail an stefen.mario.schrapp@freenet.de. Selbsthilf­etreffen sind jeden zweiten und vierten Mittwoch, ab 18.30 Uhr, im Haus der Familie in Weingarten.

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FOTO: WOLFGANG STEINHÜBEL Stefan Schrapp und Brigitte Pesch vom „Väteraufbr­uch für Kinder“.

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