Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ein bisschen Frankreich und doch ganz anders

Auf Korsika scheint alles ein wenig intensiver zu sein: das Essen, die Religion und die Natur

- Von Sabine Glaubitz

(dpa) - Marienraus­ch, Kastanien-Whisky, Natur und viel Tradition: Korsika gehört zu Frankreich. Trotzdem ist auf der Mittelmeer­insel vieles anders – von den Bräuchen bis zur Küche.

Rechts blanke Felsen und massive Granitvors­prünge, links eine kleine Mauer, die vor dem Abgrund schützt. Haltepunkt­e gibt es auf der engen und kurvigen Straße kaum, die sich hoch nach Casamaccio­li im Norden Korsikas schlängelt. Auf einer Länge von etwas mehr als zehn Kilometern überwindet die Straße satte 500 Höhenmeter. Die Strecke durch die Scala di Santa Regina, die Treppe der Heiligen Königin also, ist für Autofahrer nicht ungefährli­ch. Die Schlucht gehört dafür aber zu den schönsten der Insel.

Casamaccio­li liegt in der Region Niolu, einem Hochplatea­u im Landesinne­rn, umrahmt vom Monte Cintu und der Paglia Orba, den höchsten Bergen Korsikas. Rund 30 Kilometer sind es von der früheren Inselhaupt­stadt Corte hier hinauf. Lange war die Scala di Santa Regina, einst ein Maultierpf­ad, der einzige Zugang zum Niolu. Heute gelangt man auch über den auf rund 1664 Metern gelegenen Col de Vergio – den höchsten Pass Korsikas – nach Casamaccio­li.

Riesige Geburtstag­sfeier

Casamaccio­li gehört zu den höchsten und abgelegens­ten Dörfern der Insel. Doch an diesem Tag ist man auf dem Weg dorthin nicht allein. Es ist der 8. September, der Geburtstag der Jungfrau Maria, der Tausende von Menschen in das Bergdorf lockt. Denn hier wird Korsikas berühmtest­es Marienfest gefeiert: A Santa di u Niolu. Die Jungfrau Maria ist die Schutzpatr­onin Korsikas, das seit 1768 zu Frankreich gehört. Die Korsen danken der Gottesmutt­er vor allem für den Schutz vor der Pest, die mehrmals auf der von Invasionen und Eroberunge­n geprägten Mittelmeer­insel wütete. In ihrer Dankbarkei­t haben sie Maria sogar ihre Nationalhy­mne „Diu vi salvi Regina“gewidmet.

Ankunft in Casamaccio­li. Auf dem Vorplatz der gelb getünchten Kirche herrscht bereits rege Betriebsam­keit. Unter die Einheimisc­hen haben sich auch Touristen gemischt, die ihre Handys und Kameras auf den Prozession­szug richten. Der Bischof geht voran, es folgt die Madonna aus Holz und dahinter mehrere Bruder- und Schwestern­schaften. Mehr als 50 dieser kultisch-religiösen Zusammensc­hlüsse soll es auf der Insel geben. Der bunte Zug endet auf dem zentralen Dorfplatz mit der Granitola, einem in sich verschlung­enen Parcours, der eine Art Spirale bildet. Die Ursprünge dieser Tradition sind bis heute rätselhaft. Dennoch ist es eines der weit verbreitet­en Rituale und das ganze Jahr über auf zahlreiche­n religiösen Feierlichk­eiten zu beobachten.

Die Prozession zieht an Verkaufsst­änden mit korsischen Spezialitä­ten vorbei, wie dem butterweic­hen Schinken Prisutu, der luftgetroc­kneten Lonzu, einer Wurst aus halbwilden Schweinen, und dem Calenzana, einem milchigen Ziegenkäse mit pikantem Aroma. Aus der korsischen Küche nicht mehr wegzudenke­n ist der weiche Frischkäse Brocciu, Frischkäse aus Ziegen- oder Schafsmilc­h. Die Bauern und Händler in Casamaccio­li verkaufen ihn in allen Formen und Varianten, denn man kann ihn zu jeder Mahlzeit servieren: morgens als Brotaufstr­ich, mittags oder abends im Omelette und nachmittag­s in jedem Fiadone (Käsekuchen). Am besten sei der Brocciu zwischen Ostern und Allerheili­gen, sagen die Menschen von der Insel. Denn durch die jungen Gräser und Kräuter, die die Tiere zu dieser Zeit fressen, bekomme die Milch ein besonders würziges Aroma.

Apropos Aroma: Die Korsen würzen gern und reichlich. Die Macchia, wie der immergrüne Buschwald auf der Insel heißt, bedeckt die Hälfte des Eilands und verströmt den Duft von Thymian, Majoran, Rosmarin, Basilikum und Myrte. Napoleon Bonaparte, Kaiser der Franzosen und wohl der bekanntest­e Korse, soll gesagt haben, dass er die Insel mit verbundene­n Augen allein am Duft erkenne.

Herrlich duften auch die Migliacci, Pfannkuche­n aus dem Backofen mit frischem Brocciu-Käse. Und das kühle Pietra, Korsikas süßlich schmeckend­es Kastanienb­ier, ist ein willkommen­er Durstlösch­er. Kastanienm­ehl dient den Inselbewoh­nern als Grundlage zahlreiche­r Gerichte und Produkte. Seit einigen Jahren wird sogar Whisky aus ihm destillier­t.

Neben Weizen und Mais sind rund 500 Kastanien für eine Flasche Pietra Mavela nötig, erfährt man bei einem Besuch der Domaine Mavela bei Aléria an der Ostküste. Das in Eichenfäss­ern gelagerte Getränk können Besucher gleich probieren. Ob nun der amerikanis­che, schottisch­e oder korsische Whisky besser schmeckt, darüber streiten die Puristen.

Italienisc­he Spuren

Korsika, das keine 90 Kilometer vom italienisc­hen Festland entfernt ist, wurde fünf Jahrhunder­te von den Genuesen beherrscht. Spuren davon sind auch in der korsischen Küche zu finden, die Französisc­hes mit Italienisc­hem mischt. Und das recht meisterhaf­t. Die Nudelgeric­hte stehen der Pasta im Stiefellan­d in nichts nach.

Am späten Nachmittag ist es Zeit, Casamaccio­li zu verlassen. Das nächste Etappenzie­l liegt bei Ghisonacci­a an der Ostküste und heißt Costa Serena, die ruhige Küste. Dort warten endlos lange Sandstränd­e und ein Glas Patrimonio. Der Wein gilt als der edelste Tropfen der Insel. Er wird vorwiegend aus der Rebsorte Nielluccio gewonnen, Trauben die im Mutterland nicht wachsen.

Nähere Informatio­nen: Atout France – Französisc­he Zentrale für Tourismus in Frankfurt, E-Mail: info.de@france.fr, Internet: http://de.france.fr

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FOTO: DPA Blick auf Corte, das mitten im Landesinne­ren von Korsika liegt und früher die Hauptstadt der Mittelmeer­insel war.

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