Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Spiel mit der Wirklichkeit
Fotokünstler zeigt in Ottobeuren faszinierende Ansichten von Städten und Gebäuden
OTTOBEUREN - Fantastisch erscheinen die Fotoarbeiten von Dieter Rehm, und doch sind sie fest verankert in der Wirklichkeit. Der 62-Jährige ist fasziniert von städtischen architektonischen Formen, von Plätzen, Straßen, Häuserfassaden, aber auch sakralen Innen- und Außenräumen. Doch Rehm, der seit sieben Jahren Präsident der Akademie der Bildenden Künste in München ist, bearbeitet seine mit analogen Großbildkameras aufgenommenen Arbeiten am Computer. Er manipuliert virtuos die Farben, spielt geschickt mit Positiv und Negativ und Farbverschiebungen. Oder er zeigt Straßenszenen weitgehend unverfälscht in einer verblüffenden Prägnanz. „Unter unserem Himmel“hat Dieter Rehm seine Ausstellung im „Museum für zeitgenössische Kunst – Diether Kunerth“in Ottobeuren genannt.
Im Erdgeschoss zeigt er insgesamt 28, meist großformatige, facettenreiche Fotoarbeiten. Weiterhin zu sehen ist die Bilderschau „Santorin“, in der Diether Kunerth einen vielschichtigen, und poetischen, aber auch kritischen Blick auf das griechische Insel-Paradies präsentiert. Der Fotokünstler folgt damit auf den Maler und Bildhauer Wilhelm Holderried, der im Mai im Schulterschluss mit Kunerth die Doppelschau „Mythen – Orte – Signale“eröffnet hatte.
Rehm und Kunerth kennen sich seit den 1970er-Jahren. „Wir sind gemeinsam über die Hügel gewandert“, sagt Rehm, der in München und Memmingen lebt. Damals war in Deutschland die Fotografie als Kunstform kaum anerkannt, erinnert sich Rehm, der immer noch bevorzugt mit zwei alten analogen Großbildkameras arbeitet, einer Linhof Technika aus den 1950er-Jahren (Format 13x18 Zentimeter) und einer Deardorff von 1981 (acht mal zehn Inch, das entspricht etwa 20x25 Zentimetern). Wenn Rehm mit diesen Apparaten, für die es kaum noch Filmmaterial gibt, fotografiert, fällt er meist auf – weil er für jedes Bild ein Stativ und vor allem viel Zeit benötigt. Konzentration ist dabei gefragt, auch weil „jeder Schuss teuer ist“. Eine einzige Aufnahme schlägt da schon mal mit 30 Euro zu Buche.
Im Erdgeschoss des Kunerth-Museums, das dieses Mal – wohltuend – mit nur einer Stellwand ausgestattet ist, zeigt Rehm ganz unterschiedliche Arbeiten. Da sind zum einen gestochen scharfe Stadtansichten, wie das großartige „Sean John (feat. Puff Daddy)“, eine Arbeit, die er frühmorgens am Times Square in New York machte. Tiefenschärfe und Licht-Dynamik ziehen den Betrachter in Bann. Rehm schafft es, mit Langzeitbelichtung sogar das kurze Umschalten der Straßenampel von Rot auf Grün festzuhalten. Ähnlich faszinierend sind seine Leuchtkästen-Fotoarbeiten. „Montparnasse Bienvenue“ist – in einer klaren Mondnacht – der Blick von oben herab auf das nächtliche Paris.
Ein Friedhof wie eine ruhende Stadt
Leben und Tod verschmelzen hier: Der im Dunkel liegende Friedhof mutet wie eine ruhende Stadt an. Die Architektur der Gräber ähnelt den angrenzenden, beleuchteten und belebten Wohnhäusern. Ähnlich fesselnd ist Rehms scharfer KameraBlick in die „Hagia Sophia“, die ehemalige byzantinische Kirche in Istanbul, die zur Zeit der Aufnahme mit einem Gerüst versehen war. Dieses Werk korrespondiert mit vier gegenüberhängenden Innenaufnahmen der Ottobeurer Basilika. So hat man den sakralen spätbarocken Innenraum mit seiner prachtvollen freskengeschmückten Kuppel noch nicht gesehen. Die Aufnahmen entstanden vor vier Jahren, als die Basilika restauriert wurde.
Für seine Ottobeurer Schau nahm sich Rehm viel Zeit. Und das sieht man. Sie ist sehenswert geworden.
Die Ausstellung läuft bis 12. November. Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag, 12 bis 17 Uhr, Dienstag bis Freitag, 11 bis 16 Uhr.