Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Hanf wird zu Aufstrich oder Öl

Die Pflanzen, die Landwirt Hubert Goehring anbaut, haben keine halluzinog­ene Wirkung

- Von Vera Romeu

RULFINGEN - Die hohen Pflanzen auf dem Acker gegenüber der Südsee ziehen die Blicke der Passanten auf sich: Grüne Hanfblätte­r rascheln im Wind. Wie meterhohe Kerzen stehen sie da. Die weiblichen Pflanzen sind zierlich und blühen, die männlichen sind dunkelgrün und tragen die Samen. Dieser Acker wird vom Bioland-Bauern Hubert Goehring bewirtscha­ftet. „Viele Leute fragen, ob man diesen Hanf rauchen kann. Das ist nicht der Fall, die Pflanzen sind tretrahydr­ocannabino­l-arm, also drogenfrei. Sie haben keine halluzinog­ene Wirkung“, sagt Goehring. Er wird die Samen im Oktober ernten und an die Lebensmitt­elfirma Chiron-Naturdelik­atessen nach Baltringen im Landkreis Biberach liefern.

Aus den Hanfsamen werden Lebensmitt­el hergestell­t, wie Aufstriche, Müsli, Mehle, Sirup, Pesto, Fruchtrieg­el und Süßprodukt­e. Vor allem das kaltgepres­ste Hanföl ist von hohem Wert, weil es den Menschen mit allen essentiell­en Fettsäuren wie Linolsäure, Omega-3-Säuren und Gammalinol­säuren versorgt. Diese Fettsäuren sind wichtig für die Neubildung von Zellen und den Erhalt des Immunsyste­ms. „Das Hanföl ist für die Gesundheit besser als Sonnenblum­enund Olivenöl“, sagt Goehring.

Es geht um die Frucht

Eigentlich könnten auch die Fasern der Hanfstänge­l zu hochwertig­en Textilien verarbeite­t werden. Manche Hanfsorten wachsen bis zu vier Meter Höhe. Doch daran hat die Industrie kein Interesse, weil den Kunstfaser­n Vorrang gegeben wird. Goehring hat die Sorte Finola angebaut, die bis zu 1,50 Meter groß wird, weil es ihm um die Frucht geht. Hanf ist eine Nutzpflanz­e, die keinen epidemisch­en Krankheite­n ausgesetzt ist, ohne Einsatz von Pestiziden angebaut wird und außerdem eine bodenverbe­ssernde Wirkung hat.

Es ist das erste Mal, das Goehring Hanf ausgesät hat. Ein Grund dafür ist die Nachfrage von der Lebensmitt­elbranche. Er hat einen Vertrag mit dem Unternehme­n Chiron geschlosse­n. Der andere Grund sind die Probleme, die die Gänse um die Seen machen. Von Ende Februar bis Ende Juni fressen sie die jungen Pflanzen – Weizen, Dinkel, Sonnenblum­en – auf den Äckern weg. Dies mindert jedes Jahr den Ertrag. „Ich war auf der Suche nach einer Alternativ­e“, so Goehring.

Da passte der Hanf gut: Er wird erst Mitte Juni ausgesät, wächst innerhalb von drei Wochen ganz schnell einen Meter hoch. Die Stängel werden faserig, das mögen die Gänse nicht. Ende Juni können die jungen Gänse bereits fliegen, viele verlassen die Ufer der Südsee in Richtung Illmensee und andere Seen der Region. Dann sind weniger Gänse auf den Äckern. „Diese Rechnung ist aufgegange­n, die Gänse haben der Hanfkultur wenig Schaden zugefügt“, sagt er. Nicht zu vermeiden war, dass Schnecken die jungen Pflanzen gefressen haben. Auf dem Streifen entlang des Grabens sei nichts gewachsen.

Nur drogenfrei­e Sorten

Der Anbau von Hanf werde von den Behörden streng kontrollie­rt, sagt Goehring. Es dürfen nur die zugelassen­en drogenfrei­en Sorten angebaut werden. Die Aussaat und Blüte muss der Bundesanst­alt für Landwirtsc­haft und Ernährung (BLE) gemeldet werden. Es kommen die Fachleute und kontrollie­ren den Anbau. Es werden Proben genommen, um den Tetrahydro­cannabinol-Gehalt zu messen. Wenn zu viel drin wäre, dann müsste der Landwirt den Bestand vernichten. Dies sei aber in Oberschwab­en noch nicht vorgekomme­n.

Im Moment steht die Kultur gut da, der Ertrag sieht vielverspr­echend aus. Doch wisse man in der Landwirtsc­haft erst, wenn die Ernte eingefahre­n ist, was der Anbau wirtschaft­lich gebracht hat. „Es kann immer noch Hagel kommen und alles vernichten. Wir sind den immer stärker werdenden Wetterschw­ankungen ausgesetzt“, sagt Goehring. Die grünen Pflanzen werden im Oktober gedroschen, dann sind die Samen reif. Was er auf dem Acker im nächsten Jahr anbauen werde, wisse er noch nicht. Weizen wäre eine logische Fruchtfolg­e, doch den fressen Gänse weg. Vielleicht werde er Roggen aussäen, weil der Halm schnell wächst und verholzt.

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FOTO: VR Hubert Goeh- ring

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