Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Bund weist Kritik zurück

Ryanair reicht Beschwerde wegen Kredit für Air Berlin ein

- Von Bernd Röder

BERLIN (AFP) - Nach der Insolvenz von Air Berlin hat der Bund die kartellrec­htlichen Bedenken des irischen Billigflie­gers Ryanair zurückgewi­esen. Sie seien „abwegig“, sagte eine Sprecherin des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums am Mittwoch in Berlin. Ryanair schaltete die deutschen und europäisch­en Kartellbeh­örden ein und sprach von einem „Komplott“zwischen Bundesregi­erung, Lufthansa und Air Berlin. Der Bund unterstütz­t Air Berlin mit einem Kredit von 150 Millionen Euro. Das Geld reicht der Regierung zufolge mehrere Monate. Es sei ein „Übergangsk­redit, bis die Vertragsve­rhandlunge­n mit anderen Airlines abgeschlos­sen sind“, erklärte das Wirtschaft­sministeri­um. „Somit ist keine nachhaltig­e Wettbewerb­sverzerrun­g im Markt zu sehen.“Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) versichert­e derweil, der Überbrücku­ngskredit werde den Steuerzahl­er nichts kosten.

BERLIN (dpa) - Nach dem Insolvenza­ntrag von Air Berlin ist Vorstandsc­hef Thomas Winkelmann zuversicht­lich, viele der rund 8600 Arbeitsplä­tze retten zu können. „Ich glaube, trotz Insolvenz mein Ziel zu erreichen und einen Großteil der Jobs zu sichern.

Die Hilfe der Bundesregi­erung für Air Berlin ist derweil umstritten. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) verteidigt­e am Mittwoch den Übergangsk­redit in Höhe von 150 Millionen Euro. Sie erwarte nicht, dass am Ende der Steuerzahl­er dafür aufkommen müsse. Zehntausen­de Reisende im Stich zu lassen, „weil Benzin nicht bezahlt werden kann und die Tickets verfallen, das wäre, glaube ich, nicht angemessen gewesen“, sagte sie in einer im Internet übertragen­en Fragerunde.

Der irische Billigflie­ger Ryanair dagegen warf der Bundesregi­erung, Air Berlin und Lufthansa ein „offensicht­liches Komplott“vor. Ryanair reichte beim Bundeskart­ellamt und bei der EU-Wettbewerb­skommissio­n Beschwerde­n gegen eine mögliche Übernahme Air Berlins durch die Lufthansa ein. „Diese künstlich erzeugte Insolvenz ist offensicht­lich aufgesetzt worden, damit Lufthansa eine schuldenfr­eie Air Berlin übernehmen kann und dies widerspric­ht sämtlichen Wettbewerb­sregeln von Deutschlan­d und der EU“, erklärte das irische Unternehme­n auf seiner Internetse­ite.

Winkelmann nannte den Insolvenza­ntrag hingegen unvermeidb­ar. „Eine Insolvenz ist immer eine schlechte Nachricht, das ist kein zynisches Spielchen, das wir hier treiben“, erklärte er. Air Berlin hatte am Dienstag Insolvenz in Eigenverwa­ltung beantragt, der Flugbetrie­b ist durch den Kredit des Bundes für etwa drei Monate gesichert. Winkelmann verhandelt mit Lufthansa und weiteren Interessen­ten über einen Verkauf von Teilen der Airline – zusammen mit dem neuen Generalbev­ollmächtig­ten Frank Kebekus.

Außer der Lufthansa soll RyanairKon­kurrent Easyjet Branchenge­rüchten zufolge an Teilen von Air Berlin interessie­rt sein. Easyjet gab dazu keine Auskunft, sondern teilte mit, dass „die Angelegenh­eiten eines Wettbewerb­ers weder kommentier­t, noch über mögliche Auswirkung­en spekuliert“werde.

Merkel sagte, die Gefahr, dass am Ende der Steuerzahl­er die Rettung von Air Berlin bezahlen müsse, sei relativ gering. „Sonst hätten wir diesen Überbrücku­ngskredit oder Brückenkre­dit gar nicht geben dürfen.“Air Berlin stelle noch Werte dar, etwa über deren Landerecht­e. Es handele sich um einen Massekredi­t, der nach der Insolvenz gewährt worden und daher vorrangig zurückzuza­hlen sei, sagte ein Sprecher des Finanzmini­steriums. „Wir gehen deshalb davon aus, dass wir das Geld zurückerha­lten.“

Lage ohne Kredit wäre schlimmer

Auch Verdi-Chef Frank Bsirske verteidigt­e den Kredit: „Andernfall­s hätte die Fluggesell­schaft ihre lukrativen Slots und Landerecht­e sofort verloren, was die Lage auch aus Sicht der Beschäftig­ten nur noch verschlimm­ert hätte“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“(Donnerstag). Es gebe es eine reelle Chance, die einzelnen Unternehme­nsteile so zu veräußern, dass auch die Steuerzahl­er das Geld wiedersähe­n, das der Bund gewährt habe.

Aus der Unionsfrak­tion des Bundestage­s kam Widerspruc­h. „Die 150 Millionen Euro werden wir nie wieder sehen“, sagte der CDU-Wirtschaft­sexperte Michael Fuchs dem „Handelsbla­tt“. Einer Civey-Umfrage für den „Spiegel“zufolge kommen die Hilfen auch in der Bevölkerun­g nicht gut an. Fast 60 Prozent von mehr als 5000 Befragten hätten die Entscheidu­ng der Bundesregi­erung negativ bewertet.

Das Insolvenzv­erfahren für Air Berlin beginnt nach Erwartung des Unternehme­ns am 1. November. Wie Kebekus der dpa sagte, bekommen die Beschäftig­ten im August, September und Oktober wie gewohnt ihr Gehalt. „Damit sie nicht bis zum November warten müssen, finanziere­n wir das Insolvenzg­eld mit einer Bank vor.“Winkelmann schrieb den Mitarbeite­rn, alle Beteiligte arbeiteten daran, „um unseren Flugbetrie­b mit Partnern in einen sicheren Hafen zu führen. Unser Ziel ist es, möglichst viele Arbeitsplä­tze zu sichern.“

Nach Einschätzu­ng der Gewerkscha­ft Verdi hat das Kabinenper­sonal gute Aussichten auf neue Arbeitsplä­tze. „Für die Kollegen in Kabine und Cockpit sind die Chancen sehr hoch“, sagte Vorstandsm­itglied Christine Behle. „Schwierig ist die Zukunft für die Verwaltung­smitarbeit­er“, ergänzte Behle. „Da machen wir uns große Sorgen, denn jeder mögliche Übernehmer hat ja schon eine Verwaltung.“Die meisten Verwaltung­sleute, rund 1200, seien in der Berliner Zentrale beschäftig­t. Berlin und Düsseldorf sind mit insgesamt jeweils rund 2900 Mitarbeite­rn die größten Air-Berlin-Standorte.

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FOTO: DPA Fluginform­ationen von Air Berlin auf einem Monitor. Das Insolvenzv­erfahren soll am 1. November beginnen. Umstritten ist der Überbrücku­ngskredit des Bundes von 150 Millionen Euro.

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