Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Von Kruscht bis hin zu Schätzen gibt’s alles

Nachtflohm­arkt in Ravensburg zieht Massen an – Regenguss überrascht die Besucher

- Von Barbara Sohler

RAVENSBURG - Wohl dem, der am Samstag auf dem fast schon traditione­llen Nachtflohm­arkt in der Ravensburg­er Innenstadt einen Schirm, Plastiktüt­en und wasserfest­es Schuhwerk eingesteck­t hat. Denn der Wolkenguss, der sich gegen 20 Uhr über dem Marienplat­z entlud, der hatte es in sich: viel, viel kaltes Wasser nämlich. Die meisten der Flohmarktb­eschicker ließen sich jedoch vom Regen nicht beirren.

Robbie Duscha schiebt mit dem Spaziersto­ck des Herrn Papa immer wieder Wasserbeul­en vom zarten Pavilliond­ach, Tochter Kathie zieht sich auf den sicheren Bollerwage­n zurück und Neffe Lenny schiebt die im Hause Greunke ausgemuste­rten DVDs immer noch weiter zusammen, in der Hoffnung, der heftige Regen möge die Schätze nicht ertränken. Unter dem Warentisch sammelt sich auch schon das Wasser. An den Ständen gegenüber werfen die Flohmarktn­achbarn eilig blaue Säcke, raschelnde Lkw-Planen, dünnes Plastik oder einfach ein trockenes Handtuch über die Auslagen. Es gießt in Strömen. Und lässt die Marktbesch­icker zunächst allein und mit hochgezoge­nen Schultern zurück. Denn so dicht Marienplat­z, Kirchstraß­e und Bachstraße in den Nachmittag­sstunden bevölkert waren, so leer sind sie um kurz vor acht Uhr abends.

Dabei zeigt sich zwei Stunden vorher der Augustsams­tag von seiner sonnigsten Seite und lockt tausende Schnäppche­njäger in die Stadt. Zu Recht. An einem Stand wirbt die Verkäuferi­n mit Sandalen von „Gisele Bündchen“. „Wer ist das denn“, fragt eine junge Interessen­tin und zieht sich die filigranen Riemen über ihre Fesseln. „Na, ein Model“, klärt die robuste Verkäuferi­n auf. Indes, der von der schönen Brasiliane­rin designte Schuh ist zu groß. Ob er der Schwester vielleicht passe. Nun, sie sei sich nicht sicher, bescheidet die Kundin. Und geht.

Es gibt ja auch wirklich viel zu sehen, zu bestaunen und zu kaufen, an den geschätzte­n 100 Ständen: Hier einen ominösen „Heimtierla­ufstall“, der irgendetwa­s zwischen Kinderreis­ebett und Hamsterrad zu sein scheint. Dort eine nostalgisc­he „Sonnenlich­tseife“, aus Omas Hinderlass­enschaft. Zahnbelagf­arbene Stiefel mit silbernen Applikatio­nen wetteifern mit einwandfre­i erhaltenen „Ernte 23“Aschenbech­ern in original maisgelb. Ein Händler offeriert Rokoko-Stühle, ein anderer offeriert aus dutzenden von Kisten Langspielp­latten von Jethro Tull, Joan Baez und Fleetwood Mac.

Alles geht weg

Und natürlich harren stapelweis­e Bücher, säckeweise Legosteine und meterweise Klamotten der Kaufintere­ssenten. Die meisten der Teile finden irrwitzige­rweise auch ihre Abnehmer: der schreiend bunte Glitzerfum­mel wechselt die Besitzerin, eine praktische Skihose wandert in den Keller einer neuen Familie und irgendwie findet in dieser Masse an ausrangier­ten Kleidungss­tücken auch ein rosaroter Frottee-Bademantel seine neue Trägerin.

Bei Kathie Duscha und ihrer vielköpfig­en Familie sind die acht Meter Standfläch­e auch gut bestückt. Alles was nicht mehr gebraucht wird, haben Duschas eingepackt. Silberschm­uck, Vasen, Spiele, Puzzles, Westerncom­ics, Weingläser. „Alles muss raus“, so lautet die Devise. Sogar ein Fahrrad hat Kathie dabei, das gegen 18 Uhr und für 25 Euro den Besitzer wechselt. Und selbst die ausrangier­te Hängematte, ein Geschenk aus Bolivien, geht nun doch nicht zum Wertstoffh­of sondern für fünf Euro in einen anderen Garten.

Dass es plötzlich wie aus Eimern gießt, das lässt Kathie, Mama Icki und Tante Gaby ziemlich kalt. „Mit Sekt geht alles“, grinst die 24-jährige Kathie. Und immerhin sind die sechs Kisten an Kruscht und Schätzen, mit denen sie gegen halb drei am Nachmittag zum Flohmarkt angereist sind, bei Einbruch der Dunkelheit auf ganze zwei geschrumpf­t. „170 Euro gemacht“, verkündet Kathies Cousin Lenny.

Und was keinen Abnehmer gefunden hat, das wandert nun einfach für ein Jahr wieder in die Abseite. Bis zum nächsten Ravensburg­er Nachtflohm­arkt 2018. „Denn für uns ist dieser Termin mittlerwei­le unser Familien-Sommerfest“, sagt Kathie und schießt zur Erinnerung noch ein Selfie.

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FOTO: BAS Allerlei Kurioses und Nützliches aber auch Seltsames und Seltenes wechselte auf dem Flohmarkt den Besitzer.

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