Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Von Kruscht bis hin zu Schätzen gibt’s alles
Nachtflohmarkt in Ravensburg zieht Massen an – Regenguss überrascht die Besucher
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RAVENSBURG - Wohl dem, der am Samstag auf dem fast schon traditionellen Nachtflohmarkt in der Ravensburger Innenstadt einen Schirm, Plastiktüten und wasserfestes Schuhwerk eingesteckt hat. Denn der Wolkenguss, der sich gegen 20 Uhr über dem Marienplatz entlud, der hatte es in sich: viel, viel kaltes Wasser nämlich. Die meisten der Flohmarktbeschicker ließen sich jedoch vom Regen nicht beirren.
Robbie Duscha schiebt mit dem Spazierstock des Herrn Papa immer wieder Wasserbeulen vom zarten Pavilliondach, Tochter Kathie zieht sich auf den sicheren Bollerwagen zurück und Neffe Lenny schiebt die im Hause Greunke ausgemusterten DVDs immer noch weiter zusammen, in der Hoffnung, der heftige Regen möge die Schätze nicht ertränken. Unter dem Warentisch sammelt sich auch schon das Wasser. An den Ständen gegenüber werfen die Flohmarktnachbarn eilig blaue Säcke, raschelnde Lkw-Planen, dünnes Plastik oder einfach ein trockenes Handtuch über die Auslagen. Es gießt in Strömen. Und lässt die Marktbeschicker zunächst allein und mit hochgezogenen Schultern zurück. Denn so dicht Marienplatz, Kirchstraße und Bachstraße in den Nachmittagsstunden bevölkert waren, so leer sind sie um kurz vor acht Uhr abends.
Dabei zeigt sich zwei Stunden vorher der Augustsamstag von seiner sonnigsten Seite und lockt tausende Schnäppchenjäger in die Stadt. Zu Recht. An einem Stand wirbt die Verkäuferin mit Sandalen von „Gisele Bündchen“. „Wer ist das denn“, fragt eine junge Interessentin und zieht sich die filigranen Riemen über ihre Fesseln. „Na, ein Model“, klärt die robuste Verkäuferin auf. Indes, der von der schönen Brasilianerin designte Schuh ist zu groß. Ob er der Schwester vielleicht passe. Nun, sie sei sich nicht sicher, bescheidet die Kundin. Und geht.
Es gibt ja auch wirklich viel zu sehen, zu bestaunen und zu kaufen, an den geschätzten 100 Ständen: Hier einen ominösen „Heimtierlaufstall“, der irgendetwas zwischen Kinderreisebett und Hamsterrad zu sein scheint. Dort eine nostalgische „Sonnenlichtseife“, aus Omas Hinderlassenschaft. Zahnbelagfarbene Stiefel mit silbernen Applikationen wetteifern mit einwandfrei erhaltenen „Ernte 23“Aschenbechern in original maisgelb. Ein Händler offeriert Rokoko-Stühle, ein anderer offeriert aus dutzenden von Kisten Langspielplatten von Jethro Tull, Joan Baez und Fleetwood Mac.
Alles geht weg
Und natürlich harren stapelweise Bücher, säckeweise Legosteine und meterweise Klamotten der Kaufinteressenten. Die meisten der Teile finden irrwitzigerweise auch ihre Abnehmer: der schreiend bunte Glitzerfummel wechselt die Besitzerin, eine praktische Skihose wandert in den Keller einer neuen Familie und irgendwie findet in dieser Masse an ausrangierten Kleidungsstücken auch ein rosaroter Frottee-Bademantel seine neue Trägerin.
Bei Kathie Duscha und ihrer vielköpfigen Familie sind die acht Meter Standfläche auch gut bestückt. Alles was nicht mehr gebraucht wird, haben Duschas eingepackt. Silberschmuck, Vasen, Spiele, Puzzles, Westerncomics, Weingläser. „Alles muss raus“, so lautet die Devise. Sogar ein Fahrrad hat Kathie dabei, das gegen 18 Uhr und für 25 Euro den Besitzer wechselt. Und selbst die ausrangierte Hängematte, ein Geschenk aus Bolivien, geht nun doch nicht zum Wertstoffhof sondern für fünf Euro in einen anderen Garten.
Dass es plötzlich wie aus Eimern gießt, das lässt Kathie, Mama Icki und Tante Gaby ziemlich kalt. „Mit Sekt geht alles“, grinst die 24-jährige Kathie. Und immerhin sind die sechs Kisten an Kruscht und Schätzen, mit denen sie gegen halb drei am Nachmittag zum Flohmarkt angereist sind, bei Einbruch der Dunkelheit auf ganze zwei geschrumpft. „170 Euro gemacht“, verkündet Kathies Cousin Lenny.
Und was keinen Abnehmer gefunden hat, das wandert nun einfach für ein Jahr wieder in die Abseite. Bis zum nächsten Ravensburger Nachtflohmarkt 2018. „Denn für uns ist dieser Termin mittlerweile unser Familien-Sommerfest“, sagt Kathie und schießt zur Erinnerung noch ein Selfie.