Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Politisches Spiel in Serbien und Mazedonien
N● ach dem Zerfall Jugoslawiens pflegten Serbien und das südliche Nachbarland Mazedonien ein nahezu spannungsfreies Verhältnis, was auch daran liegen mag, dass in beiden Ländern meist nationalistische Regierungen an der Macht waren. Doch Anfang Mai kam es in Skopje zu einem Machtwechsel zu den Sozialdemokraten, fortan verschärfte sich das Klima. Serbiens Präsident Aleksandar Vucic verdächtigt den neuen mazedonischen Premier Zoran Zaev, einen antiserbischen Kurs zu fahren.
Letzten Sonntag hatten die Spannungen einen vorläufigen Höhepunkt erreicht, als Vucic das gesamte diplomatische Personal aus Skopje abzog und zur Berichterstattung nach Belgrad befahl. Bis Mittwoch äußerte sich der Präsident über die Gründe nur vage, bezichtigte Mazedonien „offensiver Aktivitäten gegen Institutionen und Organe Serbiens“, ohne Details zu nennen. Im Klartext bedeutet dies wohl: Die serbischen Diplomaten seien in Skopje ausspioniert worden. Mazedoniens Außenminister Nikola Dimitrov bestreitet dies vehement.
Spekulationen über Ursache
Jetzt spekulieren die Medien beider Länder über die Ursachen des „Diplomatenkriegs“. Ursprünglich hieß es, Belgrad sei erzürnt, dass Mazedonien die Aufnahme Kosovos in die Unesco und die FIFA unterstützen wolle. Serbien sieht darin einen ersten Schritt zur UN-Mitgliedschaft Kosovos, was die Regierung in Belgrad massiv unter Druck setzen würde, die Eigenstaatlichkeit seiner ehemaligen Provinz anzuerkennen. Zudem argwöhnt Serbien, Premier Zaev habe den politischen Einfluss der mazedonischen Albaner mit neuen Zugeständnissen verstärkt, was wiederum die Kosovo-Albaner zusätzlich in ihrer unnachgiebigen Haltung gegen Serbien ermuntere.
Das Kosovo dürfte auch nicht wirklich der Grund für den Nachbarschaftszwist sein. Zumal Vucic selbst vor wenigen Tagen zu einer „historischen Versöhnung mit den Albanern“aufgerufen und eine Zeitenwende angekündigt hatte, wonach Serbien „die Realität erkennen“und das Kosovo eines Tages wohl aufgeben müsse.
Die Kosovo-These ist eher ein Ablenkungsmanöver, das bestätigt allein das martialische Geschrei der politisch gesteuerten Belgrader Boulevardpresse gegen die Regierung in Skopje. So kreischt das Blatt „Informer“auf der Titelseite von einem „blutigen Plan des Westens“, der in Mazedonien einen neuen „Krieg auf dem Balkan“anzetteln und die Albaner gegen die Serben aufhetzen wolle.
Die paranoide Propaganda deutet auf geopolitische Interessen hin. Es ist kein Geheimnis, dass Russland den Beitritt weiterer Balkanstaaten zur EU und Nato verhindern will, namentlich Serbiens und Mazedoniens. Premier Zaev gilt in Moskau als Handlanger der USA und der EU, während Vucic als Moskaus wichtigster Verbündeter auf dem Balkan gilt.
Die Regierungschefs beider Nachbarländer führten am Dienstag ein langes Telefongespräch. In einer schriftlichen Stellungnahme hieß es danach lediglich, man wolle zum Dialog zurückkehren.