Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Jugendämter zahlen länger Unterhalt
Vorschuss fließt nun auch für ältere Kinder – Landkreise fordern dafür 13 Millionen Euro
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STUTTGART - Für viele Alleinerziehende sind es gute Nachrichten: Seit dem 1. Juli zahlt der Staat länger Unterhalt für Kinder, wenn ein Elternteil seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Doch dafür benötigen die Landkreise mehr Geld und mehr Personal bei den Jugendämtern. Dafür fordern sie vom Land 13 Millionen Euro pro Jahr.
Es geht um den Unterhaltsvorschuss. Wenn Paare sich trennen, muss der andere Elternteil Unterhalt für gemeinsame Kinder zahlen. Doch nicht jeder kommt der Pflicht regelmäßig nach. Damit nicht die Kinder darunter leiden, springt der Staat ein.
Gültig seit dem 1. Juli
Wenn Väter oder Mütter zu wenig Geld haben, übernimmt er die Kosten. Könnten Eltern zahlen, tun es aber nicht, leisten die Behörden einen Vorschuss – und versuchen, sich das Geld von den säumigen Zahlern zurückzuholen (siehe Kasten).
Bislang wurde der Vorschuss aber lediglich sechs Jahre insgesamt und nur bis zum zwölften Lebensjahr gezahlt. Das ist seit dem 1. Juli anders. Nun fließt solange Geld, bis ein Kind volljährig ist. Alleinerziehende können Anträge bei den Landratsämtern stellen.
Die Jugendämter bereiten sich seit Monaten auf die Umstellung vor. Niemand kann vorhersehen, wie viele Eltern zusätzlich den Vorschuss bekommen. „Wir rechnen damit, dass es über kurz oder lang bis zu doppelt so viele Anspruchsberechtigte gibt“, sagt Monika Heilemann, Dezernentin beim Landkreistag. Dieser vertritt Interessen der Kreise in Baden-Württemberg. In den Landkreisen zwischen Bodensee und Ostalb gehen die Behörden von einer Verdoppelung der Fälle aus. Im Kreis Tuttlingen gibt es die bereits: Rund 450 Eltern berufen sich auf das neue Gesetz und haben Unterhalt beantragt, hinzu kommen rund 440, die bereits nach alter Gesetzeslage Geld bekommen.
Das Sozialministerium geht von deutlich weniger Menschen aus, die den Vorschuss beantragen. Der Bund rechnet in ganz Deutschland mit 121 000 neuen Fällen. Ausgehend von diesen Zahlen kommt das Landesministerium auf 9700 weitere Kinder und Jugendliche, denen ab 1. Juli ebenfalls Hilfe zusteht. Jedoch sagt eine Sprecherin einschränkend: „Da die Reform nicht genau abschätzbare Faktoren beinhaltet, können belastbare Aussage zu den zukünftig zu erwartenden Fällen nicht getroffen werden.“
Zum Vergleich: 2016 bekamen in Baden-Württemberg knapp 32 000 Kinder Geld von den Jugendämtern. Kostenpunkt: 70 Millionen Euro. An den Zahlen des Bundes melden Kommunen Zweifel an. Sie kritisieren, dass die Finanzzusagen aus Berlin von 350 Millionen Euro deutschlandweit auf Prognosen beruhen – und es keine Klausel gibt, um den vereinbarten Zuschuss zu erhöhen, sollten die Zahlen höher liegen, als vom Bund angenommen.
Kreise müssen Personal einstellen
Bislang habe Bund, Länder und Kreise diese Kosten zu je einem Drittel getragen. Seit 1. Juli gilt laut Gesetz eine neue Aufteilung. Der Bund zahlt 40 Prozent, das Land 26,7 Prozent und die Kreise 33 Prozent. Damit ergeben sich für die Kreise erhebliche Kosten – auf der Ostalb und am Bodensee rund eine Million Euro pro Jahr, in Ravensburg 1,2 Millionen.
Die Kreise wollen nicht auf den zusätzlichen Kosten sitzenbleiben, die durch die Ausweitung entstehen. Das Land soll diese komplett übernehmen – 13 Millionen Euro wollen die Kreise für 2018. „Das ist die Summe, die wir berechnet haben. Wir sind in Verhandlungen mit dem Ministerium und auf einem guten Weg“, sagt Landkreis-Vertreterin Heilemann. Das Geld wird nicht nur fällig, weil mehr Alleinerziehende den Vorschuss auf den Unterhalt bekommen. Außerdem müssen die Behörden mehr Personal einstellen. Der Ostalbkreis will sechs Stellen neu schaffen, der Bodenseekreis rechnet mit vier, Biberach, Sigmaringen und Ravensburg mit jeweils zwei, der Alb-Donaukreis mit einer. Tuttlingen hat wie andere Kreise bereits einen neuen Posten eingerichtet, rechnet aber mit weiterem Bedarf.
Die Personalkosten verlangen die Kreise ebenfalls vom Land. Sie sparen allerdings auch Geld. Durch den Unterhaltsvorschuss bekommen Familien Geld, die bislang Sozialhilfe oder Hartz IV beziehen. Durch die neue Unterstützung würde sich ihre Finanzlage bessern, deswegen müssten ihnen die Kreise weniger Grundsicherung überweisen. „Diese Einsparungen sind bereits in unsere Kalkulation eingeflossen“, sagt Monika Heilemann vom Landkreistag.