Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Mit ein paar Sträuchern fing alles an
Bei Familie Waggershauser in Bad Waldsee hat die Ernte der Aronia-Beere begonnen – Selbstpflücker kommen sogar aus Stuttgart
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BAD WALDSEE - Zuerst schmeckt sie süß, dann etwas bitter und zum Abgang leicht pelzig: die Aronia-Beere. Auf dem Hof der Familie Waggershauser in Bad Waldsee hat nun die Ernte der sogenannten Wunderbeere begonnen. Durch den Frost im Frühjahr fällt der Ertrag in diesem Jahr jedoch geringer aus.
Auf mehr als zehn Hektar Fläche baut die Familie Waggershauser die Aronia-Beere mittlerweile an, die aufgrund ihrer Inhaltsstoffe als Gesundheitsbeere gilt (siehe Kasten). Während der Erntezeit, die nun begonnen hat und noch bis Mitte nächster Woche dauert, kommen auch viele Selbstpflücker aus der Region und sogar bis aus Stuttgart auf den Hof nach Bad Waldsee. „Wir sind die einzigen in Baden-Württemberg, die die Beere in diesen Mengen anbauen“, sagt Betriebsleiter Jörg Waggershauser.
Ursprünglich kommt die Beere aus Nordamerika und Kanada, erklärt Waggershauser. „Die Indianer haben die Beeren als wertvolle Nahrung seit Jahrhunderten geschätzt.“Ein russischer Wissenschaftler wurde auf die Beere aufmerksam und erforschte sie in der Heimat ausgiebig. Nachdem die Aronia-Beere dann zunächst als natürlicher Farbstoff in der Lebensmittelbranche eingesetzt wurde, entdeckte das russische Militär ihre Inhaltsstoffe, führt der Betriebsleiter aus. „Wegen der Verminderung der Strahlenschäden wurde sie U-BootBesatzungen verabreicht“, weiß Waggershauser. In Russland und Osteuropa würden die Sträucher in jedem Garten wachsen und medizinisch verwendet, auch in den neuen Bundesländern sei die Pflanze beliebt. In Süddeutschland hingegen sei sie nicht weit verbreitet. „Es kommen aber jedes Jahr mehr Menschen, um selbst zu pflücken oder unsere Aronia-Säfte zu kaufen, der Trend nimmt jedes Jahr deutlich zu.“
Etliche Tonnen Beeren
Angefangen hat es bei Familie Waggershauser 2009 mit einigen wenigen Sträuchern zum Eigenbedarf, „einfach, weil die Beere gut ist für die Gesundheit und man sich fitter fühlt“, sagt Waggershauser. „Viele Menschen berichten uns, dass sie sich durch die Beeren vitaler fühlen und einen besseren Blutdruck haben.“Nach und nach wurden es – auch durch die große Nachfrage nach den Beeren – immer mehr Pflanzen. Mittlerweile wachsen zehntausende Aronia-Sträucher rund um den Hof der Familie Waggershauser.
Etliche Tonnen an Beeren werden jedes Jahr geerntet – dieses Jahr zum ersten Mal mit einem modernen Vollernter. Den bedient German Odenbach, ein Landwirt aus Berg, der normalerweise mit der Maschine seine Johannisbeeren erntet.
Wegen dem Spätfrost im Frühjahr fällt die Aronia-Ernte in diesem Jahr deutlich geringer aus. „Uns hat es nicht so schlimm getroffen wie die Obstbauern am Bodensee, aber rund 15 Prozent weniger Ertrag ist es auch bei uns“, berichtet Waggershauser. Auf den Streuobstwiesen der Familie hat sich der Frost besonders stark bemerkbar gemacht. „Bei den mittelfrühen Äpfeln haben wir fast einen Totalausfall“, erklärt der Mostbauer. Die Ernte bei den frühen und späten Äpfeln sei in Ordnung. Mirabellen und Zwetschgen hingegen seien Mangelware, also gebe es in diesem Jahr „eben weniger Schnaps“aus diesen Sorten.
Neben Frost ist auch Hagel immer ein großes Problem für Obstbauern. Doch dieses Jahr sei die Region diesbezüglich relativ glimpflich davon gekommen. „Hagel macht Früchte und Triebe kaputt, da hat man dann gleich zwei Jahre mit den Auswirkungen zu kämpfen“, erklärt der 41jährige Waggershauser, der erst mit 36 Jahren zum Landwirtschaftsmeister umgesattelt hat und zuvor in einer Bank als Vermögensberater tätig war.
Bei der Ernte und dem Betrieb der Brennerei sowie der Besenwirtschaft erledigen Jörg Waggershauser und seine Eltern alles gemeinsam. „Hier muss jeder alles können, ein richtiger Familienbetrieb eben“, sagt er schmunzelnd. Zurück ins Büro mit Anzug und Krawatte möchte er jedenfalls nicht mehr: „Mir ist diese Arbeit lieber, etwas mit den Händen tun und abends zufrieden und müde ins Bett gehen“– und während er spricht reibt er zufrieden seine von der Beerenernte rot gefärbten Finger.
In einem Video sehen Sie, wie die Beere geerntet wird: