Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Wilder Wuchs als künstlerische Sprache
„Junge Kunst“feiert Premiere in der Orangerie
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WOLFEGG - Die Ausstellung „Wildwuchs“ist eine Premiere für den Ausstellungsraum in der Orangerie im fürstlichen Hofgarten in Wolfegg. Zeigt sie doch erstmals mit zeitgenössischen Werken der Künstlerinnen Mimi Kunz, Franziska Maßat und Julia Schmölzer „Junge Kunst“. Skulpturen, Fotogramme, Malerei, Collagen und Keramik verteilen sich in lockerer Folge in dem langgestreckten Raum. Marco Hompes, Museumsleiter der Villa Rot, führte am Freitagabend anlässlich der Eröffnung in die Schau ein.
Den Dingen auf die Spur zu kommen, ist nicht immer eine leichte Übung. Oft steht man als Besucher vor dem Kunstwerk und fragt sich insgeheim, was soll das. Da helfen Gespräche mit den Künstlern, anderen Besuchern oder dem Kurator weiter. In diesem Fall war es an Marco Hompes gelegen, Hilfestellung zu bieten. Was er in seiner Einführungsrede ausführlich und fachkundig tat. Zuvor brachte Vanessa Mayer, Amtsleiterin für Kultur und Tourismus in Vertretung von Bürgermeister Peter Müller, ihre Freude über diese Premiere zum Ausdruck. „Wildwuchs“sei die zweite Ausstellung in dieser Saison und der Kulturausschuss habe sich leicht getan mit der Wahl der drei Künstlerinnen.
Ist mit Julia Schmölzer doch eine Wolfeggerin dabei. 1987 in Ravensburg geboren, hat sie an der Karlsruher Kunstakademie studiert und lebt heute in Karlsruhe. Ebenfalls in Karlsruhe studiert haben Mimi Kunz, die 1986 in Bietigheim-Bissingen geboren wurde, und Franziska Maßat, 1986 gebürtig aus Konstanz, wo sie heute auch wieder lebt.
Aus „Wild“und „Wuchs“setze sich der Ausstellungstitel zusammen, begann Marco Hompes seine Rede, die das Naturverständnis der drei Künstlerinnen fokussierte. Keine realen Pflanzen seien hier zu sehen, wie es zu früheren Zeiten in Orangerien üblich war. Kunz, Maßat und Schmölzer geht es um eine andere Vorstellung von Natur, um eine stark abstrahierte, die sich nicht auf den ersten Blick entschlüsseln lässt. Im Vordergrund steht der Umgang mit Materialien und Formen, die sehr unterschiedlich ausfallen. Alle drei arbeiten auf ihre Weise prozesshaft.
Franziska Maßat in den Bereichen Fotogramm und Skulptur. Letztere lehnt im Falle von „Geometrical growth“im Eck einer Wandnische. Bestehend aus einer gebogenen Stahlstange, die nach oben hin ein rosafarbener Gipsquader mit Floraldekor abschließt. Schweres und Leichtes, Natürliches und Unnatürliches träfen hier zusammen, so Hompes. Wer hier noch recht konkret an eine Blüte auf einem Stängel denkt, dem erscheint die freistehende dreibeinige Gebilde „Breaks within gardening“durchaus figurativ, aber ohne es weiter verifizieren zu können. Dem gegenüber stehen Maßats schwarzweißen Fotogramme. Sie erinnern an Christian Schads sogenannten Schadographien. Die grafische Dichte und die fein abgestuften Helligkeitsgrade erzeugen „mysteriöse Bildwelten“, die im Pflanzlichen zu verorten sind.
„Was die Malerei alles Tolles hervorbringt“, fuhr Hompes mit den Papierarbeiten von Julia Schmölzer fort. Vorderhand gleichen sie Aquarellen, doch der Entstehungsprozess aus pulvrigem Pigment und Gummiwasser ist ein komplexer und experimenteller. Blickfang sind Schmölzers Keramiken, deren Ausgestaltungen amorphen wuchernden Unterwassergebilden ähneln. An Korallen oder Flechten ließe sich dabei denken, an ein langsames Wachsen organischer wundersamer Teile. Insbesondere, wenn sie auf einer Tischfläche derart ins Wasser getaucht sind, dass sich ihre Strukturen je nach Aggregatzustand farblich verändern.
Ein Spiel aus Chaos und Kontrolle
Mit Mimi Kunz aus Brüssel ist eine sechsteilige Serie von Tuschearbeiten nach Wolfegg gekommen. „Shapes of a Day“(„Formen eines Tages“) nennt sie sich. Stringente horizontale Papierschnitte treffen auf flüchtige blattartige Motive, was den Reiz ausmacht. In neuen Arbeiten in Form von Tintendrucken in Plexiglasboxen nimmt sie Vorausgegangenes auf und verändert es gestalterisch. So entsteht Fragiles aus frühlingshaftem Grün und diversen Blautönen, die unabhängig voneinander frei fließen. Ein Spiel aus Chaos und Kontrolle, nannte Hompes ihre Herangehensweise, die Prozesse in der Natur widerspiegelt – nur eben anders.
Die Ausstellung „Wildwuchs“von Mimi Kunz, Franziska Maßat und Julia Schmölzer in der Orangerie in Wolfegg dauert bis 17. September 2017. Sie ist samstags und sonntags von 15 bis 18 Uhr geöffnet.