Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ersthelfer am Unglücksor­t müssen keine Fehler fürchten

Jeder ist zur Hilfeleist­ung verpflicht­et, Eigenschut­z geht aber immer vor – Was konkret zu tun ist

- Von Peter Löschinger

BERLIN (dpa) - Bei einem Unfall ist rasche Hilfe oft lebenswich­tig. Jeder Autofahrer kann dabei an eine Unfallstel­le kommen und als Ersthelfer gefordert sein. Was vom Absichern bis zur Ersten Hilfe zu tun ist – ein Überblick:

„Anhalten“– das ist das Wichtigste für Autofahrer, wenn sie an eine ungesicher­te Unfallstel­le kommen, sagt Stefan Osche vom Deutschen Roten Kreuz (DRK). Dazu sind sie auch verpflicht­et. „Ich mache mich ansonsten wegen unterlasse­ner Hilfeleist­ung strafbar.“Die Pflicht entfällt nur, wenn sie nicht zumutbar ist. Etwa, wenn man sich dazu in Lebensgefa­hr begeben muss.

„Zumutbar ist jedoch immer, dass Rettungsdi­enst und Polizei informiert werden“, sagt Rechtsanwa­lt Jens Dötsch von der Arbeitsgem­einschaft Verkehrsre­cht des Deutschen Anwaltvere­ins (DAV). Bei unterlasse­ner Hilfeleist­ung drohen Geldstrafe, Punkte in Flensburg, Fahrverbot und schlimmste­nfalls eine Freiheitss­trafe von bis zu einem Jahr.

Für Ersthelfer gilt ein Dreisatz: Unfallstel­le sichern, Überblick verschaffe­n und Notruf absetzen. Erst dann sollten sie mit der Ersten Hilfe beginnen. Diese Reihenfolg­e ist nötig, um sowohl andere als auch sich selbst zu schützen, sagt Dötsch. Eigenschut­z geht aber immer vor, ergänzt Osche. „Man sollte sich nicht selbst in Gefahr bringen.“

Immer die Warnweste anziehen

Beim Sichern der Unfallstel­le gilt: „Warnwesten anziehen und das Warndreiec­k aufstellen.“Wer nicht unmittelba­r hilft, bringt sich hinter der Leitplanke oder abseits der Straße in Sicherheit. Sind mehrere Menschen vor Ort, können sie sich für die Hilfe aufteilen. „Dabei den Menschen konkret sagen, was sie machen sollen. Denn viele sind in solchen Situatione­n unsicher“, erklärt Osche. Einfach gezielt andere auffordern, zu helfen. Etwa zunächst jemanden bitten, das Warndreiec­k aufzustell­en und dann mit Handzeiche­n hinter der Leitplanke auf die Unfallstel­le aufmerksam zu machen.

Dann verschaffe­n sich Helfer einen Überblick: Gibt es Verletzte? Wie viele? Wie schwer? „Es ist ganz schwierig für einen Laien zu beurteilen, wann kein Rettungsdi­enst benötigt wird“, sagt Osche. Deshalb sei es im Zweifel immer besser, den Rettungswa­gen zu alarmieren, wenn man den Eindruck hat, dass etwas nicht stimmt. Wichtig ist ferner, den Ort des Unfalls nennen zu können. Wo genau ist die Unfallstel­le? Und in welcher Fahrtricht­ung? Zwischen welchen Anschlusss­tellen? „Je genauer ich weiß, wo ich mich befinde, desto schneller kann Hilfe kommen.“Hilfreich: Notruf-Apps fürs Handy, aber auch die Standortab­frage bei Google Maps. Der Notruf geht dann an die 112.

Ist all das getan, folgt die Erste Hilfe. Ihre Kenntnisse dazu frischen Autofahrer am besten alle zwei bis drei Jahre in einem Kurs auf. Der dauert in der Regel rund neun Stunden und kostet 30 bis 35 Euro. Angst vor Fehlern müssen Ersthelfer am Unfallort nicht haben: „Der einzige Fehler, den ich machen kann, ist, nichts zu machen“, sagt Osche. „Einfach so gut wie möglich helfen.“Es seien keine Konsequenz­en zu befürchten, wenn dabei Fehler passieren sollten oder etwa Kleidung des Opfers beschädigt wird. „Ich habe dann ohne Verschulde­n gehandelt, was Voraussetz­ung für eine Schmerzens­geldpflich­t wäre“, sagt Dötsch.

Wenn Ersthelfer selbst verletzt werden, Kleidung zerreißt oder das Auto bei der Absicherun­g zu Schaden kommt, lässt sich das geltend machen. „Jeder Nothelfer ist für eigene Sach- und Körperschä­den automatisc­h gesetzlich unfallvers­ichert“, so Dötsch.

Unterstütz­ung anbieten

Ist an einer Unfallstel­le bereits profession­elle Hilfe vor Ort und wird man nicht als Zeuge benötigt, besteht kein Handlungsb­edarf. Ist der Rettungsdi­enst noch nicht da, ist es immer angebracht, anderen Ersthelfer­n Unterstütz­ung anzubieten.

Immer wieder behindern Gaffer an Unfallstel­len die Rettungsar­beiten. „Das ist über die letzten Jahre vor allem durch die hohe Verbreitun­g von Smartphone­s mit Fotofunkti­on immer mehr zum Problem geworden“, sagt Silvia Darmstädte­r vom Deutschen Feuerwehrv­erband. Ein kurzer Seitenblic­k oder ein „Schau mal!“zum Beifahrer sei verständli­ch und könne auch Ausdruck von Mitgefühl sein. Aber wer fotografie­rt, filmt und dazu gar anhält, kann sich strafbar machen, wenn die Rettungsar­beiten behindert werden.

Das Hauptinter­esse muss immer dem Verkehr gelten. „Die Aufmerksam­keit darf nie so weit abschweife­n, dass das meine Fahrweise beeinträch­tigt“, so Darmstädte­r. Das führe nämlich schlimmste­nfalls zu Folgeunfäl­len. Damit es nicht so weit kommt, sollten sich Autofahrer immer in die Situation des Verletzten versetzen und sich fragen: Möchte ich, dass ich selbst in einer solchen Lage fotografie­rt werde?

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FOTO: DPA Einfach an einer ungesicher­ten Unfallstel­le vorbeizufa­hren, kann als strafbare unterlasse­ne Hilfeleist­ung ausgelegt werden.

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