Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Besondere Lebensräume im Allgäu
An Seen, Tobeln und Wildbächen finden sich echte Überlebenskünstler aus der Tier- und Pflanzenwelt
●
OBERALLGÄU - Alle Wanderrouten unserer Sommeraktion führen dieses Jahr an Gewässern vorbei. Tobel, Wildbäche und Seen sind einzigartige Biotope für zahlreiche Pflanzen und Tiere, die man als Wanderer auf den ersten Blick gar nicht wahrnimmt.
Moorsee: Der Hörmoossee bei Oberstaufen gehört zum größten Hochlagenmoorgebiet der gesamten Nagelfluhkette. Die Besonderheit: Moore wachsen nur ganz langsam, etwa einen Millimeter pro Jahr, sagt Julia Wehnert vom Bund Naturschutz. Das Moor selbst hat zwar wenig Nährstoffe, doch einige Pflanzen haben sich angepasst. So zum Beispiel der Sonnentau – eine fleischfressende Pflanze, die sich von kleinen Insekten ernährt. Markant für die Moore seien auch die Latschenfilz, ein Bewuchs von niedrigen Kiefern und das Wollgras mit seinen hübschen „Watteköpfchen“. Rund um die Moore finden sich feuchte Streu- und Nasswiesen mit vielen bunten und teilweise seltenen Kräutern. Doch es gibt ein Problem: vor allem durch das Weidevieh werden die Moor- und Uferbereiche des Sees oft zertreten, sagt Wehnert.
Tobel& Wildbäche: Dunkelgrüne Moose und Flechten bewachsen die Steine in den Schluchten. Das ist auch charakteristisch für den Steigbachtobel bei Immenstadt. Dieser Wildbach überwindet auf sechs Kilometern über 1750 Höhenmeter. Bei Hochwasser entfalte der Bach eine enorme Kraft und es gebe auch Hangrutsche. Nur wer sich spezialisiert, kann in einem solchen Lebensraum überleben, sagt Stadtförster Gerhard Honold. So zum Beispiel die Wasseramsel: ein Vogel, der unter Wasser laufen kann. „Die Amsel hat schwere, dicke Knochen und stürzt sich damit ins Wasser, um Insekten zu suchen.“Auch die Bäume haben sich angepasst. „Das sind richtige Überlebenskünstler“, sagt der Förster. Fichten und Tannen bilden ein gigantisches Wurzelwerk, um sich an den steilen Abhängen festzuklammern.
Alpenflüsse: Regen- und Schmelzwasser speisen die Gletscherbäche. „Tiere sind sehr kreativ bei der Anpassung an die reißende Strömung“, sagt Kathrin Struller vom Landesbund für Vogelschutz (LBV). Sie seien meist sehr klein und verfügen über abgeflachte Körper, wie beispielsweise der Strudelwurm und die Larve der Eintagsfliege. Weitverbreitet sei auch das „Ankleben“an den Untergrund. Der Strudelwurm und die Mützenschnecke nutzen dafür ihren Schleim, Hakenund Klauenkäfer setzen ihre Fußkrallen ein. Die Köcherfliegenlarve baut sogar Tannennadeln als „Widerhaken“in ihr Gehäuse ein, um nicht abzudriften. Doch oft werden Gebirgsbäche verbaut, sagt Struller. Auf diese Weise verschwänden wichtige Lebensräume wie Kiesbänke und Auenlandschaften.
Bergseen: Sie liegen meist mystisch und ruhig in Senken. Bergseen sind außergewöhnliche Lebensräume: kalt und oft sehr nährstoffarm. Dies erklärt oft die Klarheit der Seen. Der Freibergsee bei Oberstdorf liegt auf 921 Metern und ist mit 18 Hektar der größte Hochgebirgssee im Allgäu. Entstanden ist er durch Eismassen des Stillachgletschers, die aus dem weichen Flyschgestein ein Seebecken formten. An der tiefsten Stelle ist der See etwa 25 Meter tief.